Transkript
IM FOKUS
Neue Therapieansätze bei Psoriasis
Gegenwärtig verfügbare und zukünftige Behandlungsmöglichkeiten
Sind die zahlreichen innovativen Medikamente
zur Behandlung der Psoriasis wirklich nötig?
Mit einem klaren Ja beantwortete Prof.
Dr. Peter van de Kerkhof, Radboud University
Medical Centre, Nijmegen, Niederlande, diese
wichtige Frage. Er sprach zum Abschluss des
21. EADV-Kongresses in Prag über innovative
Psoriasisbehandlungen.
Ein einziges Biologikum ist für die Praxis keineswegs ausreichend – vielmehr ist ein breites Spektrum verschiedener Medikamente nötig, weil jeder Patient seine ganz persönliche Psoriasis hat, wobei sehr viele individuelle Krankheitsfaktoren praktisch relevant sind. Jeder Patient befindet sich mit seiner persönlichen Psoriasis gewissermassen wie ein Läufer auf seiner eigenen Bahn. Der Arzt muss auswählen, auf welcher Therapiebahn er den individuellen Patienten behandeln will. Es stellt sich auch die Frage, ob frühzeitig und aggressiv behandelt werden soll, um möglicherweise den Langzeitverlauf zu verbessern. Und es gilt zu entscheiden, ob die Behandlung intermittierend oder kontinuierlich erfolgen soll. Beim Langzeitmanagement von Patienten mit Psoriasis handle es sich immer um eine Form von personalisierter Medizin, betonte der Referent. Die Aktivierung dendritischer Zellen in der Dermis bildet den ersten Schritt in der Immunpathogenese der Psoriasis. Die aktivierten Zellen beginnen mit der Sekretion von Interleukin 12, das Th1-Zellen aktiviert, und der Sekretion von Interleukin 23, das Th17-Zellen aktiviert. Durch sezernierte Zytokine (z.B. TNF-␣, Interferon-␥, Interleukin 17, Interleukin 22) aktivieren die T-Zellen Zielzellen, zu denen neben den Keratinozyten auch Endothelzellen gehören. Keratinozyten produzieren ihrerseits antimikrobielle Peptide, proinflammatorische Zytokine und Chemokine. Da TNF-␣-Inhibitoren (z.B. Infliximab, Adalimumab, Etanercept) auf mehreren Stufen der Pathogenese eingreifen, können sie als Breitspektrumtherapeutika bezeichnet werden. Ustekinumab und Briakinumab – beides monoklonale Antikörper, die durch Bindung an die
p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23 die biologische Aktivität dieser beiden Zytokine hemmen – fokussieren dagegen auf den pathogenetischen Schritt, der darin besteht, dass die aktivierten dendritischen Zellen die Differenzierung und die Aktivierung der Th1- und der Th17-Zellen induzieren.
Mit Apremilast die Entzündungshemmung aktivieren
Zu den therapeutischen Neuentwicklungen gehören perorale kleinmolekulare Wirkstoffe wie Apremilast, ein Hemmstoff des intrazellulären Enzyms PDE4 (Phosphodiesterase 4), das spezifisch zyklisches AdenosinMonophosphat (cAMP) abbaut. In Entzündungszellen ist PDE4 ein vorherrschendes Enzym. Wenn das intrazelluläre Enzym PDE4 durch Abbau die cAMP-Spiegel senkt, werden vermehrt proinflammatorische Mediatoren und vermindert antiinflammatorische Mediatoren produziert. Die PDE4-Hemmung durch Apremilast bewirkt eine Zunahme des intrazellulären Gehalts an cAMP, das als Second Messenger wirkt. Die Expression von TNF-␣, IL-23 und anderen inflammatorischen Zytokinen wird durch cAMP moduliert. Die Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels bewirkt, dass die Entzündungsreaktion herunterreguliert wird, wobei auch eine Zunahme des antiinflammatorischen Zytokins IL-10 feststellbar ist. In einer randomisierten, plazebokontrollierten Dosisfindungsstudie der Phase 2b erhielten 88 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis zweimal täglich 30 mg Apremilast peroral, 87 Patienten 2 × 20 mg, 89 Patienten 2 × 10 mg und 88 Patienten Plazebo (1). Mit der höchsten Dosierung erreichten nach 16 Wochen 41 Prozent der Patienten einen PASI 75 (Verbesserung des Psoriasis Area and Severity Index um mindestens 75%). Der Unterschied zur Plazebogruppe (PASI 75 bei 6% der Patienten) war signifikant. Das Nebenwirkungsprofil war günstig (1).
Mit Tofacitinib den intrazellulären JAK-Signalweg hemmen
Tofacitinib ist ein weiterer innovativer, oraler, kleinmolekularer Wirkstoff, der für die Behandlung der Plaquepsoriasis entwickelt wurde. Manche Zytokinrezeptoren
2 [medicos ] Nr. 1•2013
Neue Therapieansätze bei Psoriasis
besitzen keine eigene Kinaseaktivität, sondern benutzen den JAK-Signalweg (Januskinase). Durch diesen intrazellulären Signalweg werden Signale, die mit der Bindung der Zytokine an ihre Rezeptoren die Zelloberfläche erreicht haben, unter Beteiligung von STAT-Proteinen (Signal Transducer and Activator of Transcription) zum Zellkern weitergeleitet, wo sie die Gentranskription aktivieren. Während Antizytokine ausserhalb der Zellen wirksam sind, hemmt der kleinmolekulare Wirkstoff Tofacitinib innerhalb der Zelle den JAK-Signalweg und damit die Entzündung. In einer Phase-2b-Dosisfindungsstudie wurde mit zweimal täglich 15 mg Tofacitinib nach 12 Wochen bei 66,7 Prozent der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaquepsoriasis ein PASI 75 erreicht (in der Plazebogruppe bei 2%). Die Behandlung erwies sich nicht nur als hochwirksam, sondern auch als sicher und gut verträglich (2).
Mit neuen Antikörpern den Interleukin-17-Signalweg hemmen
Die Beeinflussung von Interleukin 17 bildet einen weiteren neuen Ansatz in der Psoriasistherapie. Th17-Zellen gehören zu den T-Helferzellen und produzieren hauptsächlich IL-17. Diese Zellen spielen eine zentrale Rolle im Entzündungsprozess bei Psoriasis. In betroffenen Hautarealen und im Blut von Patienten mit Psoriasis ist eine erhöhte IL-17-Konzentration zu finden, die mit dem Schweregrad der Krankheit korreliert (3). Mehrere monoklonale Antikörper werden derzeit zur Hemmung des IL-17-Signalwegs entwickelt. Der humane Antikörper Brodalumab blockiert den Rezeptor IL-17RA und hemmt dadurch die biologische Aktivität mehrerer Vertreter der IL-17-Familie (IL-17A, IL-17F, IL-17A/F-Heterodimer, IL-17E). Der humanisierte Antikörper Ixekizumab und der vollständig humane Antikörper Secukinumab neutralisieren spezifisch Interleukin 17A. Diese innovativen Antikörper zur Hemmung des IL-17-Signalwegs scheinen noch effizienter zu sein als bis heute erhältliche Antizytokine, wie Peter van de Kerkhof sagte. Im Rahmen einer doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Phase-2-Studie, an der sich 198 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaquepsoriasis beteiligten, wurden verschiedene Dosierungsschemata für Brodalumab evaluiert (3). Die Patienten erhielten entweder 7 subkutane Injektionen (jeweils 70 mg, 140 mg oder 210 mg in zunächst einwöchigen, danach zweiwöchigen Abständen) oder 3 Injektionen von 280 mg im Abstand von jeweils 4 Wochen oder als Kontrolle Plazebo. Nach 12 Wochen erreichte ein hoher Prozentsatz der mit Brodalumab behandelten Patienten eine PASI-Verbesserung von mindestens 75 oder sogar mindestens 90 Prozent. Mit der Dosis von 210 mg erreichten 82 Prozent der Patienten einen PASI 75 und 75 Prozent einen PASI 90, mit der Dosis von 140 mg erreichten 77 Prozent einen PASI 75 und 72 Prozent einen PASI 90. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Nasopharyngitis, obere Atemwegsinfektionen, Arthralgie und Erythem an der Injektionsstelle (3).
In einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppel-
blindstudie der Phase 2 erhielten 142 Patienten mit
chronischer Plaquepsoriasis (mittelschwer bis schwer)
6 subkutane Injektionen mit 4 verschiedenen Ixeki-
zumabdosen (10, 25, 75 oder 150 mg) beziehungs-
weise Plazebo zu den Zeitpunkten 0, 2, 4, 8, 12 und 16
Wochen (4). Mit der höchsten Dosierung (150 mg)
erreichten 82,1 Prozent der Patienten nach 12 Wochen
einen PASI 75, mit 75 mg 82,8 Prozent. Ein PASI 90
resultierte nach 12 Wochen bei 71,4 Prozent (mit 150 mg)
beziehungsweise bei 58,6 Prozent (mit 75 mg). Zu den
häufigsten Nebenwirkungen gehörten Nasopharyn-
gitis, obere Atemwegsinfektionen, Reaktionen an der
Injektionsstelle und Kopfschmerzen (4).
Mit Secukinumab wurde zur Testung des am besten
geeigneten Therapieschemas bei 125 Patienten mit mit-
telschwerer bis schwerer Plaquepsoriasis eine rando-
misierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie der
Phase 2 durchgeführt (5). Zu den Zeitpunkten 0, 4, 8
Wochen erhielten die Patienten subkutane Secukinu-
mabinjektionen (1 × 25 mg, 3 × 25 mg, 3 × 75 mg oder
3 × 150 mg) beziehungsweise Plazebo. Die 3 einmal
monatlich verabreichten Injektionen mit 150 mg be-
ziehungsweise mit 75 mg ergaben nach 12 Wochen
bei 82 beziehungsweise bei 57 Prozent einen PASI 75.
Mit 3 × 150 mg Secukinumab wurde nach 12 Wochen
bei 52 Prozent ein PASI 90 erreicht (mit Plazebo bei
5%). Der vollständig humane Anti-IL-17A-Antikörper
erwies sich insgesamt als gut verträglich. In der Gruppe
mit 3 Injektionen à 150 mg kamen 2 Fälle von Neutro-
penie vor (5).
Bei Verwendung aller Anti-IL-17-Medikamente sollte
sorgfältig auf Infektionen geachtet werden, speziell In-
fektionen mit Candida und mit Staphylococcus aureus.
Es ist bekannt, dass bei Patienten mit chronischer mu-
kokutaner Candidiasis genetische Defekte vorkommen,
die den IL-17/IL-17RA-Signalweg betreffen.
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Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
Referenzen:
1. Papp KA et al. Efficacy of apremilast in the treatment of moderate to severe psoriasis: a randomised controlled trial. Lancet 2012; 380: 738–746.
2. Papp KA et al. Efficacy and safety of tofacitinib, an oral janus kinase inhibitor in the treatment of psoriasis: a phase 2b randomized placebo-controlled doseranging study. Br J Derm 2012; 167: 668–677.
3. Papp KA et al. Brodalumab, an anti-interleukin-17-receptor antibody for psoriasis. N Engl J Med 2012; 366: 1181–1189.
4. Leonardi C et al. Anti-interleukin-17 monoclonal antibody ixekizumab in chronic plaque psoriasis. N Engl J Med 2012; 366: 1190–1199.
5. Papp KA et al. Efficacy and safety of secukinumab in the treatment of moderate to severe plaque psoriasis: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase II dose-ranging study. Br J Dermatol 2012; Oct. 27 (Epub ahead of print).
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