Transkript
AUFGESTÖBERT Aktuelles aus Fachzeitschriften
Homöopathie bei atopischem Ekzem
Spezifische Wirksamkeit nicht durch kontrollierte Studien nachgewiesen
Homöopathie ist populär sowohl bei akuten als
auch bei chronischen Krankheiten. Manche
Patienten mit atopischer Dermatitis oder Eltern
betroffener Kinder wenden sich an Homöo-
pathen. Dass homöopathische Arzneimittel
bei Ekzemen aller Art wirksam sind, wird von
Homöopathen nicht infrage gestellt. Die Wirk-
samkeit ist aber nicht durch kontrollierte klini-
sche Studien nachgewiesen worden. Darauf
macht Prof. Dr. Edzard Ernst, Complementary
Medicine, Peninsula Medical School, Exeter,
UK, in einem systematischen Reviewartikel im
«British Journal of Dermatology» aufmerksam (1).
Erstaunlicherweise wurden bisher erst 3 kontrollierte klinische Studien zur homöopathischen Ekzembehandlung publiziert. Weitere 59 Studien, die bei der Durchforstung von Medline, Embase und Cochrane Library zum Vorschein kamen, wurden in der systematischen Übersicht nicht berücksichtigt, weil sie nicht kontrolliert durchgeführt worden waren. Leider sind auch die 3 kontrollierten Studien nicht besonders aussagekräftig. Bei 2 nicht randomisierten, vergleichenden Kohortenstudien, welche die Behandlung durch Homöopathen im Vergleich zur konventionellen Therapie testeten, konnte der Selektionsbias die Resultate verzerren. Die dritte Studie, die während 32 Wochen individualisierte homöopathische Behandlungen im Vergleich zu Plazebo untersuchte, war zwar eine randomisierte Doppelblindstudie. Weil sie aber nur 24 Patienten mit atopischem Ekzem umfasste, war sie zu klein, um verlässliche Resultate zu liefern, die sich verallgemeinern lassen.
Bringt Homöopathie nur unspezifische therapeutische Effekte zustande?
In der ersten Studie, an der sich 118 Kinder mit Ekzem beteiligten, kam es in beiden Gruppen zu vergleichbarer Besserung der Ekzemsymptome und der krankheitsbezogenen Lebensqualität (2). Als Fazit der Resultate der zweiten Studie (135 Kinder mit leichtem atopischem Ekzem) gaben die Autoren an, dass die homöopathische Behandlung der konventionellen Therapie nicht überlegen war bezüglich Besserung des
Symptomscores und der Lebensqualität (3). Dass die
Behandlungsergebnisse von Homöopathie und konven-
tioneller Therapie in den beiden vergleichenden
Kohortenstudien äquivalent waren, könnte auf dem
Selektionsbias beruhen.
In der randomisierten, plazebokontrollierten Doppel-
blindstudie (24 Patienten mit atopischem Ekzem) er-
gaben die individuell verordneten homöopathischen
Arzneimittel nicht bessere Resultate als Plazebo, mit
einem nicht signifikanten Trend zugunsten der Plazebo-
behandlung (4).
Edzard Ernst vermutet, dass es die unspezifischen
Effekte der Homöopathie sind, von denen zufriedene
Patienten profitieren konnten, beispielsweise die empa-
thischen, ausführlichen Anamnesekonsultationen beim
Homöopathen. Nur unspezifische therapeutische Ef-
fekte einzusetzen, stelle aber keine optimale Therapie
dar und sei nicht im besten Interesse der Ekzempatien-
ten, kritisiert Edzard Ernst.
Prof. Dr. Johannes Ring, München, weist in seinem
neuen Buch über Neurodermitis darauf hin, dass das der
Homöopathie zugrunde liegende Konzept, mit kleinen
Dosen eines spezifischen Krankheitsauslösers positive
Effekte zu erzielen, nicht falsch sei (5). Die allergen-
spezifische Immuntherapie wendet dieses Prinzip
erfolgreich an. Allerdings falle es wissenschaftlich ori-
entierten Ärzten schwer, Dosis-Wirkungs-Beziehungen
zu leugnen und höhere Wirkungen durch niedrigere
Konzentrationen zu erwarten, wie in der Homöopathie.
Der erfahrene Dermatologe hat aber nichts dagegen
einzuwenden, auf Wunsch der Patienten die Koope-
ration mit einem seriösen homöopathisch tätigen
Arzt zu suchen. Wichtig sei jedoch, dass während der
homöopathischen Behandlung keine objektiv nötigen
Therapiemassnahmen versäumt würden.
●
Alfred Lienhard
Referenzen:
1. Ernst E. Homeopathy for eczema: a systematic review of controlled clinical trials. Br J Derm 2012; 166: 1170–1172.
2. Keil T et al. Homoeopathic versus conventional treatment of children with eczema: a comparative cohort study. Complement Ther Med 2008; 16: 15–21.
3. Witt CM et al. Homoeopathic versus conventional therapy for atopic eczema in children: medical and economic results. Dermatology 2009; 219: 329–340.
4. Siebenwirth J et al. Wirksamkeit von klassisch-homöopathischer Therapie bei atopischem Ekzem. Forsch Komplement Med 2009; 16: 315–323.
5. Ring J. Neurodermitis – Atopisches Ekzem. Georg Thieme Verlag 2012. Seite 156.
[medicos ] Nr. 1•2013
19