Transkript
AUFGESTÖBERT Aktuelles aus Fachzeitschriften
Diagnostik und Therapie des Handekzems
Handekzem rasch und konsequent behandeln
Beim Handekzem (Handdermatitis) handelt
es sich um eine häufig vorkommende Haut-
entzündung der Hände mit typischen Zeichen
wie Rötung, Infiltration der Haut, Schuppung,
Ödem, Bläschen, Fissuren, Erosionen und Area-
len mit Hyperkeratose. Ausgehend von einem
Fallbeispiel besprach kürzlich Dr. Pieter-Jan
Coenraads, Department of Dermatology, Uni-
versity Medical Center Groningen, Niederlande,
im «New England Journal of Medicine» die Dia-
gnose und Therapie des Handekzems (1).
Eine 33-jährige, im Spital tätige Krankenschwester und Mutter von zwei Kleinkindern kommt mit geröteten Händen in die Sprechstunde. Sie berichtet über intermittierend auftretende kleine Bläschen, Schuppung und Fissurenbildung an den Handflächen, am Handrücken und an den Fingern, begleitet von Juckreiz. Die Anamnese ergibt ein Ekzem in der Kindheit und eine Kontaktallergie auf Nickel. Das vesikuläre atopische Handekzem entstand wahrscheinlich durch häufiges Händewaschen mit Exposition gegenüber Irritanzien sowie durch den Gebrauch okklusiver Handschuhe im Haushalt und am Arbeitsplatz. Eine Pricktestung ist nicht nötig. Der Autor empfiehlt jedoch eine Epikutantestung (Patchtest), um eine Typ-IV-Sensibilisierung als Auslöser eines allergischen Kontaktekzems auszuschliessen (z.B. Kontaktallergie auf Gummikomponenten in medizinischen Handschuhen oder auf Konservierungsmittel in Flüssigreinigungsmitteln). Ob die bei Frauen mittels Patchtests häufig diagnostizierte Nickelkontaktallergie ursächlich für das Handekzem relevant ist, steht nicht fest. Der Autor empfiehlt der Patientin, bei Nassarbeiten undurchlässige Schutzhandschuhe mit Baumwollfutter zu tragen und zur Hydratation und zur Rückfettung der Haut häufig Emollienzien anzuwenden. Salben seien gegenüber Cremes zu bevorzugen, weil Cremes potenziell sensibilisierende Konservierungsmittel und leicht irritierende Emulgatoren enthalten können. Zudem ist ein potentes topisches Glukokortikoid (z.B. Mometason) für mindestens vier Wochen angezeigt (einmal oder zweimal täglich). Sollte diese Behandlung nicht
erfolgreich sein, empfiehlt der Experte eine PUVA-Therapie, kombiniert mit einem topischen Glukokortikoid. Unter Umständen ist eine kurzzeitige Therapie von einer Woche mit einem oralen Glukokortikoid nötig, um eine rasche Besserung zu erreichen.
Handcreme oft mit Staphylokokken kontaminiert
Sorgfältiger mit Tuben und Töpfchen hantieren! Hautläsionen von Patienten mit Handekzem oder atopischer Dermatitis sind oft dicht mit Mikroorganismen kolonisiert, speziell mit Staphylococcus aureus. Wenn Handekzemläsionen von pathogenen Mikroorganismen kolonisiert werden, heilen sie weniger rasch ab. Dass auch in der Handcreme, die von Patienten mit Handekzem verwendet wird, häufig Mikroorganismen anzutreffen sind, zeigte die Untersuchung von 32 Produkten (26 Tuben und 6 Töpfchen), die von 20 Patienten benutzt wurden (2). Aus 20 der 32 untersuchten Produkte (63%) wurden Mikroorganismen isoliert. Von den kontaminierten 20 Produkten enthielten 6 (30%) Staphylococcus aureus. Meistens wurden die Mikroorganismen von den Tubenöffnungen oder den Töpfchenrändern isoliert (bei 19 der 20 kontaminierten Produkte). Das weist darauf hin, dass die Kontamination in der Regel von den Benutzern selbst stammt. Insgesamt 85 Mikroorganismen wurden von den Tubenöffnungen oder Behälterrändern isoliert: 52 grampositive Kokken, 10 grampositive und 6 gramnegative Stäbchen, 3 Fadenpilze und 14 Hefepilze. Auch aus der Creme selbst wurden in 11 der 20 kontaminierten Produkte (55%) Mikroorganismen isoliert, allerdings in geringer Anzahl.
Die Autoren geben praktische Empfehlungen für den sorgfältigen Umgang mit Tuben und Töpfchen (2): • Die Patienten sollten darauf achten, dass die Tuben-
öffnung oder der Behälterrand möglichst wenig mit der Haut in Kontakt kommt. • Besonders bei Töpfchen ist die Verwendung eines sauberen Spatels oder Löffels nützlich, um direkten Hautkontakt mit dem Inhalt beim Eintauchen des Fingers zu vermeiden. • Abzulehnen ist das Abwischen nicht benötigter Cremereste an den Rändern des Töpfchens.
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Diagnostik und Therapie des Handekzems
Handekzem: Wichtige Merksätze für die Praxis
• Ein akutes Handekzem sollte rasch, effizient und konsequent behandelt werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden.
• In den meisten Fällen von Handekzem handelt es sich um die Kombination einer irritativen Kontaktdermatitis mit endogenen Faktoren (z.B. Atopie). Eine Kontaktallergie sollte ausgeschlossen werden.
• In erster Linie besteht die Behandlung in der Vermeidung von Irritanzien und relevanten Allergenen sowie in der häufigen Anwendung lipidreicher Emollienzien (Salben) und in der Verwendung topischer Glukokortikoide.
• Wenn die Symptome nicht auf die Initialbehandlung ansprechen, kommt eine Fototherapie (PUVA oder UV-B) in Betracht.
• Orale Retinoide (z.B. Alitretinoin) eignen sich zur Behandlung des schweren chronischen Handekzems, besonders vom hyperkeratotischen Subtyp.
• Orale Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin) können bei therapieresistentem chronischem Handekzem nützlich sein.
• Orale Glukokortikoide sollten nur als Kurzbehandlung eingesetzt werden.
(nach Pieter-Jan Coenraads, Referenz [1])
Ätiologische und morphologische Klassifikation
Aufgrund von ätiologischen Faktoren können unterschieden werden: ● Irritative Kontaktdermatitis: Sie entsteht bei wiederhol-
ter Exposition gegenüber leicht toxischen Substanzen (Irritanzien) über längere Zeit. In der Haut wird eine Entzündungsreaktion ausgelöst, und die Hautbarrierefunktion wird beeinträchtigt. Meist berichten Betroffene über häufigen Kontakt mit Seifen und Lösungsmitteln, oder sie tragen während langer Perioden okklusive Handschuhe. Meist wird die Diagnose gestellt, wenn mittels Patchtestung keine Kontaktallergie fassbar ist. ● Atopische Handdermatitis: Sie kommt meist bei Patienten mit einer Anamnese von Asthma, Heuschnupfen oder «Kinderekzem» (atopische Dermatitis in der Kindheit) vor. Weil die Barrierefunktion der Haut beeinträchtigt ist, sind betroffene Patienten auch anfällig für eine irritative Kontaktdermatitis. ● Allergische Kontaktdermatitis: Sie wird diagnostiziert aufgrund der Expositionsanamnese und der positiven Reaktion gegenüber dem Kontaktallergen im Patchtest. Ein Subtyp von allergischer Kontaktdermatitis ist die Proteinkontaktdermatitis. ● Hybridhandekzem: Bei diesem Handekzemtyp kommen Merkmale der irritativen Kontaktdermatitis, der atopischen Handdermatitis und der allergischen Kontaktdermatitis kombiniert vor.
Wenn keine auf die Ätiologie ausgerichtete Diagnose gestellt werden kann, muss man sich mit der morphologischen Beschreibung und Klassifikation begnügen: ● Dyshidrotisches Handekzem (Pompholyx): Die Bezeich-
nung «dyshidrotisch» ist irreführend, weil keine pathogenetische Beziehung zu den Schweissdrüsen besteht. Durch unbekannte Ursache kommt es zu grossen Blasen an den Handflächen (Abbildung 1).
Abbildung 1: Akutes dyshidrosiformes Handekzem mit grossen Blasen (Cheiropompholyx). ● Hyperkeratotisches Handekzem: Scharf begrenzte Areale
mit Hyperkeratosen bilden sich an den Handflächen und oft auch an den Fusssohlen. Typisch sind zudem schmerzhafte Fissuren, während Blasen fehlen. Gelegentlich wird dieses Handekzem, dessen Ursache nicht bekannt ist, mit einer Psoriasis verwechselt (Abbildung 2), bei der aber Rötung, Schuppung und Nagelveränderungen typisch sind.
Abbildung 2: Kein Handekzem, sondern Plaquepsoriasis an beiden Handrücken. ● Chronische Fingerspitzendermatitis (Pulpitis): Trockene,
schuppende Dermatitis der Fingerspitzen mit Fissuren und gelegentlich mit Episoden von Bläschenbildung. Eine Kontaktallergie kann die Ursache sein, doch in der Regel bleibt die Ätiologie unbekannt. ● Nummuläres Handekzem: Runde, münzengrosse Ekzemherde bilden sich auf dem Handrücken. Es kann sich um eine irritative oder allergische Kontaktdermatitis
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oder um eine atopische Handdermatitis handeln, oft bleibt die Ursache aber unbekannt. ● Trockenes Handekzem mit Fissuren und ohne Bläschen: Diese Morphologie ist oft bei chronischen Handekzemen, unabhängig von der Ursache, zu finden.
Abbildung 3: Chronisches Handekzem mit einer Exkoriation im Zentrum der linken Handfläche und einer Rhagade am Daumen. Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Coenraads PJ. Hand Eczema. N Engl J Med 2012; 367: 1829–1837. 2. Lundov MD et al. Creams used by hand eczema patients are often contamina-
ted with Staphylococcus aureus. Acta Derm Venereol 2012; 92: 441–442. Fotos: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann, Schlieren (ZH)
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