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BERICHT
Im Trend
Nahrungsergänzungsmittel für Haut und Haar
Die im Trend liegenden Nutrikosmetika versprechen Schönheit von innen. Dass Nahrungsergänzungsmittel aber noch mehr zu bieten haben, legten zwei Experten in München im Rahmen der 23. Fortbildungswoche für Dermatologie und praktische Venerologie dar.
Der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln ist immer zusätzlich (additiv) – Nahrungsergänzungsmittel sind also nicht isolierte Prophylaxemassnahmen, sie sind nicht Ersatz für Medikamente, und sie sind keine Primärtherapien. Mit Nahrungsergänzungsmitteln ist es möglich, die Fotoprotektion zu optimieren, sagte PD Dr. Helger Stege, Klinikum Lippe-Detmold, an einem Seminar der Firma Innéov.
Ein Joghurtbakterium hilft der Haut
Fotoprotektion ist nicht nur wichtig zur Vorbeugung von Hautkrebs und Fotodermatosen, sondern in der kosmetischen Dermatologie auch zur Prophylaxe der Hautalterung. Vernünftige Exposition, textiler Lichtschutz und konsequente Anwendung von Lichtschutzprodukten sind für die Fotoprotektion unabdingbar. Überdies ist eine gesunde Ernährung wichtig, die Antioxidanzien zur Reduktion von oxidativem Stress in der Haut enthält. Zusätzlich sind Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung. Zur Vorbereitung der Haut auf die Sonne (ab 4 Wochen vor Sonnenaufenthalt) eignet sich ein Nahrungsergänzungspräparat, welches das Probiotikum Lactobacillus johnsonii (La1, Skin Probiotic™), Betacarotin und Lykopin enthält. Lactobazillen wirken im Darm lokal abwehrend gegen pathogene Mikroorganismen. Zudem sind sie lokal und systemisch immunmodulierend wirksam. UV-Bestrahlung führt zu lokaler und systemischer Immunsuppression, wobei es unter anderem zu direkter Schädigung der Langerhans-Zellen kommt (Apoptoseinduktion und Beeinträchtigung der Antigenpräsentation). In einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie wurde bei insgesamt 54 gesunden Männern im Alter von 20 bis 40 Jahren gezeigt, dass sich durch Einnahme des Probiotikums Lactobacillus johnsonii während 8 Wochen vor UV-Exposition im Vergleich zur Plazeboeinnahme (Maltodextrin) die Immunhomöostase, die durch die UV-Bestrahlung gestört wird,
Abbildung 1: Zusätzlich zu topischen Lichtschutzmitteln tragen Nahrungsergänzungsmittel zur Optimierung der Fotoprotektion bei.
rascher wieder erholt (1). Die UV-Bestrahlung erfolgte mit einem Sonnensimulator am Tag 56 der La1-Supplementation, 2-malig innerhalb von 10 Stunden, mit 1,5 MED (Minimale Erythem-Dosis) auf der rechten Gesässseite im Bereich einer Fläche von maximal 10 × 10 cm. Biopsien wurden vor Beginn der La1Einnahme sowie an den Tagen 1, 4 und 10 nach der UV-Bestrahlung entnommen, sowohl an der bestrahlten Gesässhaut (rechts) als auch an der nicht bestrahlten Gesässhaut (links). Sowohl in der Probiotikumgruppe als auch in der Plazebogruppe löste die UV-Bestrahlung einen «relativ satten Sonnenbrand» aus, wie sich der Referent ausdrückte. Im Rahmen der Entzündungsreaktion wanderten auch CD1a-positive Langerhans-Zellen in die Haut ein. Als Ausdruck der Immunsuppression waren bei Probanden der Plazebogruppe am Tag 4 nach UV-Bestrahlung deutlich weniger CD1a-positive Langerhans-Zellen in der Epidermis zu finden im Vergleich zur nicht bestrahlten Seite. In der Probiotikumgruppe war am Tag 4 kein solcher immunsuppressiver Effekt feststellbar (1). Die Einnahme des Probiotikums beugt offenbar dieser UV-induzierten Depletion vor und trägt dadurch dazu bei, dass die immunologische Homöostase trotz UV-
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schutzmittels benötigt werden, muss damit gerechnet werden, dass in der Alltagsrealität lediglich ein Viertel bis höchstens die Hälfte der geforderten Menge aufgetragen wird. Der tatsächlich erreichte Lichtschutzfaktor beträgt meist nur etwa 10, betonte der Referent. Wenn die Eigenschutzzeit von 20 Minuten mit dem realitätsnahen Lichtschutzfaktor von 10 multipliziert wird, resultieren 200 Minuten. Zusammen mit dem UV-Schutz des kombinierten Nahrungsergänzungsmittels ergibt sich eine Sonnenbrandschutzdauer von 240 Minuten (24 Minuten mal 10). Der bei kombinierter topisch-oraler Prophylaxe um 40 Minuten verlängerte Schutz stellt eine ganz beträchtliche, praktisch relevante Optimierung des Lichtschutzes dar.
Abbildung 2: Nutrikosmetika helfen mit, Haarausfall zu reduzieren und die Haarqualität zu verbessern.
Bestrahlung beibehalten werden kann. Von der Einnahme des Probiotikums sind gute prophylaktische Effekte bei Fotodermatosen zu erwarten, bei Langzeiteinnahme möglicherweise auch bezüglich der Tumorprävention.
Mit antioxidativ wirksamen Carotinoiden die Eigenschutzzeit verlängern
Die Pflanzenfarbstoffe Betacarotin und Lykopin entfalten starke antioxidative Wirkungen. Lykopin aus der Schale reifer Tomaten ist ein sehr starker Radikalfänger. Betacarotin hemmt auch die UV-induzierte Expression von Matrixmetalloproteinasen und beugt so vorzeitiger, sonnenbedingter Hautalterung vor. Beide Antioxidanzien zusammen erhöhten in Studien die MED um durchschnittlich 20 Prozent (2). Bei einer blonden Person mit blauen Augen und relativ heller Haut (Hauttyp II) beträgt die individuelle Eigenschutzzeit der Haut, ausgedrückt durch die MED, 20 Minuten. Nach 6-wöchiger Einnahme des kombinierten Nahrungsergänzungsmittels (Skin Probiotic™ + Lykopin + Betacarotin) beträgt die Eigenschutzzeit (MED) 24 Minuten. Sind diese zusätzlichen 4 Minuten ohne Sonnenbrand aber überhaupt von Bedeutung? Da Nahrungsergänzungsmittel keine isolierten Prophylaxemassnahmen darstellen, sondern in Kombination mit topischen Lichtschutzmitteln verwendet werden, verändert sich die Rechnung erheblich, wie Helger Stege darlegte. Üblicherweise empfiehlt er einen besonders hohen Lichtschutzfaktor (LSF 50). Während in Testsituationen pro Anwendung etwa 30 g des Licht-
Mit Nahrungsergänzungsmittel Haarausfall vermindern und die Haarqualität verbessern
Die Wirksamkeit von Nutrikosmetika zur Verbesserung von Haut und Haar wurde bereits in mehreren Studien nachgewiesen. Falsch wäre es, rasch einsetzende Kurzzeiteffekte zu erwarten. Die beiden Haarstudien, die von Prof. Dr. rer. nat. Ulrike Heinrich, Institut für Experimentelle Dermatologie, Universität Witten/Herdecke, vorgestellt wurden, dauerten 4 und 6 Monate. Nahrungsergänzungsmittel sollen dem Tagesbedarf angepasst sein und als Ergänzung zu einer gesunden Ernährung dienen. Einzelne Komponenten überdosiert zu verwenden, sei nicht sinnvoll, sagte die Referentin. Bei insgesamt 60 Frauen wurde eine Nahrungsergänzungsmittel-Studie zur Verminderung des Haarausfalls und zur Verbesserung der Haarqualität durchgeführt. Randomisiert erhielten die 30- bis 50-jährigen Probandinnen mit dünnem Haar (Haardichte am Vertex geringer als 250 Haare pro cm2) oder mit diffusem, kosmetisch störendem Haarausfall (nicht krankheitsbedingt) während 4 Monaten das kombinierte Nahrungsergänzungsmittel (n = 40), oder sie wurden der Kontrollgruppe zugewiesen (n = 20). Das Produkt enthielt mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega-3- und Omega-6Fettsäuren, die das Haar und die Kopfhaut schützen, 195 mg pro Tag), Taurin (wirkt der Kollagenverhärtung an der Haarwurzel entgegen, 75 mg), Vitamin C (15 mg), Vitamin E (2,5 mg), Lykopin (0,5 mg), pflanzliche Polyphenole (140 mg), Zink (fördert den Stoffwechsel der Haarwurzel, 7,5 mg), entsprechend dem empfohlenen Tagesbedarf. Vor dem Einsatz des Nahrungsergänzungsmittels sowie nach 2 und 4 Monaten erfolgten objektive Messungen mittels TrichoScan-Methode zur Bestimmung des Haarstatus und subjektive Bewertungen (klinische Untersuchung und Bewertung durch die Prüfexperten, Selbstbewertung des Haarzustandes durch die Probandinnen). Mit Hilfe einer Schablone und eines Mikrorasierers wurden die Haare in einem kleinen Testfeld von der Grösse eines 5-Cent-Stücks auf eine Länge von 1 mm gekürzt. Mit einer Digitalkamera wurde das beleuchtete Testfeld fotografiert und die Aufnahme nach 3 Tagen wiederholt. Diejenigen Haare, die in den 3 Tagen nicht gewachsen waren, befanden sich in der Telogenphase. Eine spezielle Software zählte die Haare,
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analysierte die Haarlänge und berechnete den Anteil der Anagenhaare (in der Wachstumsphase) und der Telogenhaare (vor dem Ausfallen). Im Verlauf der 4 Anwendungsmonate des Nahrungsergänzungsmittels nahm der Anteil der Anagenhaare von 80 auf 89 Prozent zu (statistisch signifikant), während die Telogenrate von 20 auf 11 Prozent abnahm. Auch die Anzahl der Haare (Haardichte) nahm signifikant zu. In der Kontrollgruppe ohne Nahrungsergänzungsmittel kam es dagegen nicht zu nennenswerten Veränderungen. Eine weitere Studie wurde doppelblind während 6 Monaten mit einer etwas veränderten Zusammensetzung des Nahrungsergänzungsmittels durchgeführt (Omega3- und Omega-6-Fettsäuren, Taurin, Katechine, Zink in Innéov Haarfülle). Auch in dieser grösseren Studie nahm die Anagenrate auf Kosten der Telogenrate zu, während in der Plazebogruppe praktisch keine Verän-
derungen vorkamen. Innéov Haarfülle verlängere also
die Wachstumsphase der Haare, sagte die Referentin.
Bei der Bewertung durch die Prüfexperten und im Ur-
teil der Probandinnen ergab sich nach 6 Monaten eine
signifikante Verbesserung der Haardichte und des Haar-
ausfalls. Eine dritte, konfirmatorische Studie, die mit
240 Probandinnen durchgeführt wurde, wird derzeit
ausgewertet.
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Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
Referenzen:
1. Peguet-Navarro J et al. Supplementation with oral probiotic bacteria protects human cutaneous immune homeostasis after UV exposure – double-blind, randomized, placebo-controlled clinical trial. Eur J Dermatol 2008; 18: 504–511.
2. Bouilly-Gauthier D et al. Clinical evidence of benefits of a dietary supplement containing probiotic and carotenoids on ultraviolet-induced skin damage. Br J Dermatol 2010; 163: 536–543.
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