Transkript
BERICHT
Akne-Update
Aktuelles zur Hautpflege und Therapie
Die Akne betrifft insgesamt fast 90 Prozent der
Bevölkerung im Lauf des Lebens, meistens in der
Pubertät. Trotz intensiver Forschung ist die Pa-
thogenese der Akne noch keineswegs in allen
Einzelheiten geklärt. Über die aktuellen deut-
schen Leitlinien zur Aknetherapie und über
Möglichkeiten der dermokosmetischen Akne-
behandlung sprachen zwei Expertinnen in Mün-
chen im Rahmen der 23. Fortbildungswoche für
Dermatologie und praktische Venerologie.
Genetische Faktoren, Hormone, Seborrhö, follikuläre Verhornungsstörungen und Propionibakterien spielen bei der Akne pathogenetisch eine Rolle. Durch Verstopfung des Eingangs der Talgdrüsenfollikel entstehen zunächst Mikro-, dann Makrokomedonen und durch zusätzliche Entzündung auch Papeln und Pusteln. Wie die Akne leitliniengerecht behandelt werden kann, erläuterte PD Dr. Claudia Borelli, Leiterin der Einheit für Ästhetische Dermatologie und Laser der Universitätshautklinik Tübingen, an einem Aknetherapieseminar der Firma Pierre Fabre. Claudia Borelli gehört zu den 12 Experten, welche die aktuelle Akne-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft erarbeitet haben (evidenzbasierte S2k-Leitlinie aufgrund einer Konsensuskonferenz, aber ohne systematische Literaturaufarbeitung) (1).
Topische Aknetherapien
Zur topischen Aknetherapie stehen antibakteriell wirksame Substanzen (Antibiotika, Benzoylperoxid = BPO) und Retinoide (Adapalen, Isotretinoin, Tretinoin) zur Verfügung. Für die Anwendung von Phenol und Resorcin gibt es in der Aknebehandlung keinerlei Berechtigung mehr (1). Chlorhexidin, Hexachlorophen, Povidon-Jod, Schwefel, Triclosan sowie Zinkacetat werden in der Leitlinie nicht empfohlen. Auch topische Glukokortikoide werden nicht empfohlen. Wiederholte Anwendung von Glukokortikoiden kann eine Steroidakne oder eine periorale Dermatitis induzieren. BPO wird als Basistherapeutikum bei leichter Acne papulopustulosa empfohlen. Oft reicht eine 8-wöchige Behandlung aus. BPO kann zur Erhaltungstherapie
auch langfristig verwendet werden. Häufig bewirkt BPO Hautreizungen, verstärkt bei kalter Witterung. Patienten sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass BPO als Bleichmittel farbige oder dunkle Kleider sowie dunkle Haare und Bettwäsche weiss verfärben kann. BPO reduziert den Vitamin-E-Gehalt der Epidermis und bewirkt, dass sich in der Haut durch oxidative Abbauvorgänge freie Radikale entwickeln, welche die Anzahl der Propionibakterien verringern. Dieser Mechanismus vermeidet Resistenzinduktionen bei länger dauernder Antibiotikatherapie.
Topische Retinoide werden empfohlen: ● Bei Acne comedonica ● Bei leichter Acne papulopustulosa als Basistherapeu-
tika (d.h. von Anfang an einsetzbar) ● Bei mittelschweren und schweren Akneformen im
Rahmen von Kombinationsbehandlungen (mit topischen Therapien wie BPO, Antibiotika, Azelainsäure oder mit systemischen Antibiotika oder bei Frauen mit systemischen hormonellen Antiandrogenen)
Abbildung 1: Acne comedonica
Die topischen Retinoide Adapalen, Isotretinoin und Tretinoin sind ähnlich gut wirksam. Sie wirken komedolytisch, antikomedogen und antiinflammatorisch. Sie beeinflussen die Talgdrüsenaktivität nicht.
Systemische Antibiotikatherapie bei Akne
Zur systemischen Behandlung mit Antibiotika eignen sich in erster Linie Tetrazykline (Doxycyclin, Lymecyclin,
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Abbildung 2: Acne papulopustulosa
Minocyclin, Tetracyclin). Systemische Antibiotika vermindern die Kolonisation der Talgdrüsenfollikel mit P. acnes und drosseln verschiedene proinflammatorische Mechanismen. Systemische Antibiotika werden nicht als Monotherapie empfohlen, sondern in Kombination mit topischen Behandlungen (Retinoide, BPO, Azelainsäure) oder mit oralen hormonellen Antiandrogenen bei Frauen. Die systemische Antibiotikatherapie wird empfohlen: ● Bei entzündlicher Akne, die nicht ausreichend auf die
topische Therapie anspricht ● Bei entzündlicher Akne, die grössere Flächen oder
mehrere Areale (z.B. auch Rücken) erfasst ● Bei mittelschwerer bis schwerer entzündlicher Akne
als Basistherapie.
Gemäss Leitlinie ist es nicht sinnvoll, kürzer als 1 Monat mit Antibiotika zu behandeln. Anderseits sollte die antibiotische Behandlung nicht länger als 3 Monate dauern, weil sonst das Risiko der Resistenzentwicklung ansteigt. Doxycyclin wird in einer Dosierung von 100 mg pro Tag empfohlen. Wenn nur die antientzündliche Wirkung therapeutisch genutzt werden soll, kann Doxycyclin in subantimikrobieller Dosierung (40 mg pro Tag) eingesetzt werden. In den US-amerikanischen, den britischen und den deutschen Leitlinien gilt Minocyclin bei der Aknetherapie nicht mehr als Antibiotikum der ersten Wahl, sondern Doxycyclin wird bevorzugt. Minocyclin kann bei Langzeittherapie einen systemischen Lupus erythematodes induzieren. Selten kommen mit Minocyclin in den ersten Behandlungswochen schwerwiegende Nebenwirkungen wie Hypersensitivitätsreaktionen (DRESS-Syndrom) vor. Bei Doxycyclin ist die Fototoxizität ausgeprägter als bei Minocyclin. Um Hyperpigmentierungen zu vermeiden, ist UV-Schutz notwendig. Weil das Risiko von Resistenzentwicklungen beim Einsatz von Makroliden (z.B. Erythromycin) erhöht ist, werden diese Antibiotika nicht generell empfohlen. Zum kurzfristigen Einsatz bei sehr stark ausgeprägter Akne (Acne fulminans) kommen Makrolide in Betracht, aber nicht zur langfristigen Therapie, so die Referentin.
Systemische Isotretinointherapie
Isotretinoin ist das einzige Medikament, das bei systemischer Gabe alle bekannten pathogenetischen Faktoren der Akne – direkt oder indirekt – beeinflusst (1). Isotretinoin reduziert die Komedogenese, die Grösse der Talgdrüsen (um bis 90 Prozent durch Hemmung der Proliferation der basalen Sebozyten), die Sebumproduktion, die Entzündungsreaktion und die Bakterienzahl (durch Veränderung des follikulären Mikromilieus). Isotretinoin kann als Basistherapeutikum bei schwerer Acne papulopustulosa, nodosa oder conglobata eingesetzt werden. Claudia Borelli betonte, dass die deutsche Leitlinie in weiteren Situationen die frühzeitige Indikation zur systemischen Behandlung mit Isotretinoin ermöglicht: ● Bei Jugendlichen mit starker Seborrhö und familiär
starker Akneausprägung ● Bei starker, bereits frühzeitig erkennbarer Vernarbung ● Bei schneller Verschlechterung einer leichten Akne ● Bei Dysmorphophobie und anderen aknebedingten
psychischen Auffälligkeiten.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist eine sichere Kontrazeption zwingend notwendig, weil das dosisunabhängige Missbildungsrisiko hoch ist (20% Spontanabort, 18–28% Embryopathie, 30% mentale Retardierung, 60% neuropsychologische Auffälligkeiten). Claudia Borelli schickt die Patientinnen zum Gynäkologen und lässt sich schriftlich bestätigen, dass die Pille verschrieben oder eine Spirale eingesetzt wurde, bevor sie 1 Monat nach Beginn der Kontrazeption das Isotretinoinrezept aushändigt. Isotretinoin kann gut mit einem oralen Kontrazeptivum kombiniert werden. Während der Therapie muss alle 4 Wochen ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden, und die Leberenzyme müssen alle 3 Monate kontrolliert werden. Auch Männer unter den Patienten sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ihr Medikament keinesfalls an ihre Partnerin weitergeben dürfen. Beim teratogenen Risiko gibt es keinen Grenzwert – schon 1 Tablette kann zu viel sein! Die Isotretinointherapie sollte mindestens 6 Monate dauern (1). Bei den 12 Experten der deutschen Leitlinie fand die Niedrigdosis-Therapie keine Mehrheit, sodass sie sich nicht als Empfehlung durchsetzen konnte. Die Referentin stellte aber klar, dass es nicht nötig ist, eine kumulative Dosis von mindestens 120 mg pro kg Körpergewicht zu erreichen. Sie selbst ist Anhängerin der Niedrigdosierung und verschreibt etwa 20 mg täglich, wobei sie darauf hinweist, dass das Medikament mit der fettreichen Hauptmahlzeit einzunehmen ist. Weniger Nebenwirkungen und entsprechend bessere Compliance sind die Vorteile der Niedrigdosis-Therapie. Die Patienten leiden weniger unter trockenen Lippen, trockener Haut und trockenen Augen. Die Rezidivrate beträgt bei Niedrigdosis-Therapie 4 bis 6 Prozent. Eine Wiederholungsbehandlung ist bedenkenlos möglich. Wenn Patienten mehrere Rezidive erleiden, sind manchmal höhere Dosen nötig. Insgesamt sei
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damit zu rechnen, dass viele Patienten überbehandelt und unnötigerweise stärkeren Nebenwirkungen ausgesetzt würden, wenn schon initial die Hochdosis-Therapie gewählt wird, so die Referentin. Die Gefahr von vorzeitigem Epiphysenschluss bei Jugendlichen, die bei sehr hoch dosierter Langzeitbehandlung (über 1 Jahr) droht, besteht bei niedrig dosierter Isotretinoin-Therapie nicht. Für einen Zusammenhang zwischen Isotretinoin und Depressionen gibt es keine Beweise. Eine wichtige, wenig beachtete Nebenwirkung ist die Nachtblindheit (Nyktalopie). Bei Piloten und Busfahrern soll deshalb Isotretinoin nicht eingesetzt werden. Claudia Borelli wies auch darauf hin, dass Isotretinoin nicht zusammen mit Tetrazyklinen (Gefahr der kraniellen Hypertension) und nicht bei entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt werden darf.
Hautpflege bei Akne
Der komplexe Entzündungsprozess bei Akne ist noch nicht vollständig erforscht. Bekannt ist, dass Zytokine, antimikrobielle Peptide und Toll-like-Rezeptoren (TLR) wichtige Rollen spielen. Propionibacterium acnes aktiviert das angeborene Immunsystem und greift entzündungsfördernd ein, denn das Bakterium induziert TLR-2, nicht nur in Monozyten, sondern auch in Keratinozyten. Es stimuliert zudem die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1alpha, IL-8) und die Produktion der Kollagenase MMP-9 (Matrixmetalloproteinase-9), einem gewebezersetzenden Enzym, das zur Narbenbildung beiträgt. Die manchmal im Rahmen der Aknetherapie eingesetzten Zinksalze (z.B. Zinkglukonat) vermindern dagegen die Expression von TLR-2 in Keratinozyten, berichtete Dr. rer. nat. Ulrike Sattler, Laboratoires Dermatologiques Avène, Lavaur, Frankreich. Ausgehend von der bekannten Tatsache, dass Monosaccharide immunoeffektive Moleküle sind, wurde die Rhamnose – ein seltener, in Pflanzen und in einigen Bakterien natürlich vorkommender Zucker – weitererforscht. Rhamnose hemmt spezifische Membranrezeptoren von Keratinozyten und die Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen. Weil Zuckermoleküle hydrophil sind, wurde die entzündungshemmende Rhamnose zur Anwendung im Dermokosmetikprodukt Triacnéal durch eine Acetylkette ergänzt, um eine bessere Bioverfügbarkeit zu erreichen. Beim Wirkstoff, der als Efectiose® oder APRC11 bezeichnet wird, handelt es sich um ein Undecylrhamnosid. APRC11 wirkt antioxidativ und schützt Zellmembranen vor Peroxidationsreaktionen. An Kulturen normaler menschlicher Keratinozyten konnte gezeigt werden, dass APRC11 (Efectiose®) die Überexpression von MMP-9 und die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine wie IL-1alpha und IL-8 hemmen kann (2). Zudem wurde der IL-1RA (Interleukin-1-Rezeptorantagonist) hochreguliert. APRC11 bewirkt also, dass die von P. acnes ausgelösten, entzündungsfördernden Prozesse gehemmt werden (2). Im Vergleich mit Zinkglukonat, das als antiinflammato-
rische Referenzsubstanz verwendet wurde, hemmte APRC11 die Akne-Entzündungsmarker vergleichbar stark und unterdrückte die Expression der Kollagenase MMP-9 sogar noch stärker (2). Das Akne-Intensivpflegeprodukt Triacnéal enthält neben der antioxidativ und entzündungshemmend wirksamen Efectiose® das antibakteriell und komedolytisch wirksame Retinaldehyd und zudem Glykolsäure, um den Peelingeffekt zu erzielen. Triacnéal kann auch zur unterstützenden Zusatztherapie bei medikamentöser Aknebehandlung mit Antibiotika verwendet werden. Das Hautpflegeprodukt eignet sich sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche, sagte Ulrike Sattler. ●
Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
Referenzen: 1. Nast A et al. S2k-Leitlinie zur Therapie der Akne. Gültig bis Ende 2014.
Im Internet: www.akne-leitlinie.de 2. Isard O et al. Anti-inflammatory properties of a new undecyl-rhamnoside
(APRC11) against P. acnes. Arch Dermatol Res 2011; 303: 707–713.
Fotos: Dr. Marguerite Krasovec, Schlieren (ZH)
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