Transkript
NEU UND WICHTIG
Generalisierte pustulöse Psoriasis
Das Lösungswort des Pathogeneserätsels heisst DITRA
Zu den Highlights der dermatologischen Litera-
tur der letzten 12 Monate gehört eine Publi-
kation, die Licht in die rätselhafte Pathogenese
der generalisierten pustulösen Psoriasis brachte.
Auf diese aktuelle, wichtige Arbeit wies Prof.
Dr. Lars E. French, Dermatologische Klinik,
Universitätsspital Zürich, an den 2. Zürcher
Dermatologischen Fortbildungstagen hin.
Die generalisierte pustulöse Psoriasis ist eine lebensbedrohliche, multisystemische Entzündungskrankheit mit rezidivierenden, plötzlich auftretenden Krankheitsschüben. Zu den Charakteristika gehören ein generalisierter pustulöser Hautausschlag, Fieberschübe, Leukozytose, erhöhtes CRP und extrakutane Organbeteiligung. Oft besteht auch eine Plaquepsoriasis (bei etwa 30 Prozent). Was die Pathogenese betrifft, gibt es wesentliche Unterschiede zwischen der generalisierten pustulösen Psoriasis und der Plaquepsoriasis. Eine starke, komplexe genetische Komponente ist an der Psoriasis vulgaris beteiligt. Bei der Entstehung der generalisierten pustulösen Psoriasis spielt ein bestimmter Gendefekt eine zentrale Rolle – wahrscheinlich handle es sich um eine monogenetische Krankheit, so Prof. French. Bei Patienten mit generalisierter pustulöser Psoriasis wurde eine Mutation des Gens IL36RN entdeckt. Dieses Gen kodiert für den Interleukin-36-Rezeptorantagonisten (Interleukin-36Ra), der als antiinflammatorisches Zytokin im extrazellulären Raum an den Interleukin-36Rezeptor andockt, selbst keine biologische Aktivität entfaltet und den Agonisten IL-36 daran hindert, sich an den Rezeptor zu binden. Der Agonist IL-36, der zur Interleukin-1-Familie gehört, wird von Monozyten und Lymphozyten produziert und ist ein starkes proinflammatorisches Zytokin. Nachdem er sich extrazellulär an den IL-36-Rezeptor gebunden hat, aktiviert er in der Zelle proinflammatorische Signalpfade (NF-kappaB, MAP Kinasen), welche die Transkription von Genen auslösen. Dadurch werde die Produktion proinflammatorischer Moleküle angekurbelt, insbesondere von IL-8, das wichtig ist für neutrophile Entzündungen, erklärte Prof. French.
Die Bremse fehlt bei generalisierter
pustulöser Psoriasis
Der Körper verfügt normalerweise über einen Selbst-
regulationsmechanismus, denn der Interleukin-36-
Rezeptorantagonist wirkt wie eine Bremse, die verhin-
dert, dass IL-36 Entzündungen auslöst. Der Gendefekt,
der bei Patienten mit generalisierter pustulöser Psoria-
sis besteht, beseitigt diese Bremse, weil die Aktivität des
Interleukin-36Ra reduziert ist. Deshalb kann das Signal
unbegrenzt aktiv bleiben, es wird proinflammatorisches
IL-8 produziert, und in der Haut kommt es zur neutro-
philen Entzündung. Aufgrund dieser wichtigen Ent-
deckung könnten nun neue, spezifisch wirksame Be-
handlungen entwickelt werden, sagte Prof. French.
DITRA heisst des Rätsels Lösung: Deficiency of Interleu-
kin-Thirty-six-Receptor-Antagonist. Keratinozyten von
Patienten mit DITRA weisen eine Überproduktion von
IL-8 auf. Die generalisierte pustulöse Psoriasis ist also
eine autoinflammatorische Krankheit, die durch Ent-
hemmung intrazellulärer inflammatorischer Signal-
pfade entsteht, wobei es zur Überproduktion von IL-8
und heftigen neutrophilen Entzündungsreaktionen in
der Haut kommt.
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Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
Referenz:
1. Marrakchi S et al. Interleukin-36-receptor antagonist deficiency and generalized pustular psoriasis. N Engl J Med 2011; 365: 620–628.
22 [medicos] Nr. 3•2012