Transkript
BERICHT
Studie AtopicHealth 2011
Atopische Dermatitis – belastend und unterversorgt
Die Neurodermitis ist häufig, belastend und unterversorgt. Auf diese Kurzformel brachte Prof. Dr. Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie, Universitätsklinikum Hamburg, die Resultate einer aktuellen Studie zur Versorgungsqualität bei Neurodermitis.
Im Rahmen der ersten nationalen Neurodermitis-Versorgungsstudie wurden in Deutschland in 174 zufällig ausgewählten dermatologischen Praxen und Klinikambulanzen insgesamt 1678 erwachsene Patienten mit gesicherter Neurodermitis und zusätzlich ihre behandelnden Ärzte befragt. Die Studienresultate wurden in Berlin von Matthias Augustin an einer Pressekonferenz der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) vorgestellt. Was die Krankheitslast und die Lebensqualität betrifft, sind die Befragungsresultate sehr bedenklich. Obschon weitgehend leitliniengetreu behandelt wurde, gaben 93 Prozent der Patienten an, dass sie trotz Therapie unter quälendem Juckreiz leiden. Mehr als ein Viertel aller Befragten (26%) kämpfen als Folge des Juckreizes häufig oder sogar ständig mit Schlaflosigkeit. 36 Prozent kratzen sich häufig oder immer blutig. Bei mehr als der Hälfte der Patienten, die unter Behandlung stehen, ist die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt: bei
Parkinson Neurodermitis, schwer
Schlaganfall Neurodermitis, gesamt
Krebsleiden Asthma
Z.n. Myokardinfarkt Rheuma
Diabetes mellitus Hypertonus
Bevölkerung in D
0
(nach Prof. Dr. Matthias Augustin)
20 40 60 80 100
Lebensqualität bei Neurodermitis (n = 1678, rot) im Vergleich zu anderen Erkrankungen und zum Bevölkerungsdurchschnitt
Prof. Dr. Matthias Augustin
27 Prozent deutlich, bei 26 Prozent stark und bei 6 Prozent sehr stark. Die Lebensqualität ist bei schwerer Neurodermitis ähnlich stark eingeschränkt wie beim Parkinson-Syndrom oder nach einem Schlaganfall (Abbildung). Die Qualität der hautärztlichen Versorgung wird als meistens gut beurteilt. Allerdings sind noch Verbesserungen möglich. So würden topische Immunmodulatoren noch zu wenig eingesetzt, kritisierte Matthias Augustin. Bei weniger als 40 Prozent gehörte Tacrolimus (Protopic®) und bei weniger als 30 Prozent Pimecrolimus (Elidel®) in den vorausgehenden 5 Jahren zur Therapie. Obschon Patientenschulungsprogramme nachweislich wirksam sind, haben 85 Prozent der Betroffenen nicht an Neurodermitisschulungen teilgenommen. Hier liegt ein grosses, ungenutztes Potenzial, weil mit angeleiteten präventiven Massnahmen und guten Kenntnissen in der Selbstbehandlung günstigere Krankheitsverläufe erreichbar sind. «Zur Neurodermitis gehört immer ein Schulungsprogramm», betonte Matthias Augustin. Was die Entwicklung neuer Medikamente betrifft, ist die Neurodermitis gegenüber der Psoriasis stark ins Hintertreffen geraten. Als letzte Innovation stiessen vor 10 Jahren die topischen Immunmodulatoren zur Behandlung. Doch seither blieb die Quelle neuer Substanzen trocken. Es besteht aber ein dringender Bedarf an neuen Wirkstoffen für schwer betroffene Patienten. ●
Alfred Lienhard
22 [medicos] Nr. 2•2012