Transkript
FORTBILDUNG
Diagnostik der Proteinkontaktdermatitis
Berufsdermatose bei in der Nahrungsmittelverarbeitung Beschäftigten
Die Allergene der klassischen allergischen Kontaktdermatitis sind kleinmolekulare Haptene. Die Auslöser der Proteinkontaktdermatitis, die 1976 erstmals beschrieben wurde, sind dagegen grossmolekulare Proteine. Über diese relativ seltene Berufsdermatose sprach Prof. Dr. Vera Mahler, Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen, an der Tagung DDG KOMPAKT 2012 in Berlin.
Bei der Proteinkontaktdermatitis handelt es sich um eine chronisch rezidivierende Dermatitis, die bei Hautkontakt zu einer Proteinquelle entsteht. Kurz nach dem Kontakt können sich Quaddeln oder Bläschen bilden. Eine Quaddel- oder Bläschenbildung kann aber auch fehlen. Eine atopische Hautdiathese kann bei Betroffenen bestehen, sie muss aber nicht zwingend vorhanden sein. Betroffen sind vorwiegend im Sektor der Nahrungsmittelverarbeitung Beschäftigte. Am häufigsten entsteht die Proteinkontaktdermatitis an den Händen. Weltweit gibt es bis jetzt noch keine einzige epidemiologische Studie zu dieser Berufsdermatose. Die Kenntnisse über das Krankheitsbild stammen aus vielen Kasuistiken und kleinen Fallserien mit hunderten von unterschiedlichen Proteinquellen. Es können vier Hauptgruppen von Allergenquellen unterschieden werden: Pflanzenproteine, tierische Proteine, Körner und Getreide sowie bei der Nahrungsmittelverarbeitung und in der Waschmittelindustrie eingesetzte Enzyme (Tabelle).
Noch keine standardisierte Diagnostik verfügbar
Im Gesamtkollektiv der im Rahmen des Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK) getesteten
Ekzempatienten wurde nur bei 0,2 Prozent die Diagnose einer Proteinkontaktdermatitis gestellt. Bei Berufsleuten des Nahrungsmittelverarbeitungssektors liegt die Prävalenz aber deutlich höher (über 1 Prozent): ● Hersteller von Back- und Konditoreiwaren: 4 Prozent ● Fleisch- und Fischverarbeiter: 2 Prozent ● Köche: 1,5 Prozent. Hände, Handgelenke, Unterarme und Gesicht stellen die charakteristischen Lokalisationen der Proteinkontaktdermatitis dar (Kasten mit Fallbeispiel). Prädisponierend sind atopische Hautdiathese und irritative Vorschädigungen der Haut, weil die grossmolekularen Allergene durch die gestörte Hautbarriere leichter eindringen können. Pathogenetisch handelt es sich wahrscheinlich um eine IgE-vermittelte Bindung von Proteinallergenen an Langerhans-Zellen, die prozessierte Peptide präsentieren und eine T-Lymphozyten-Reaktion auslösen. Die zelluläre Immunreaktion weist Ähnlichkeiten zur klassischen Typ-IV-Reaktion (SpättypAllergie) auf.
Fallbeispiel: Proteinkontaktdermatitis
• 33-jährige Bäckerin mit Ekzemen an den Händen, an den Unterarmen und im Gesicht
• Keine atopische Hautdiathese • Spezifisches IgE positiv für Weizen- und Roggenmehl • Pricktest positiv für Weizen- und Roggenmehl sowie für
α-Amylase • Epikutantest negativ • Karenz führt zum Rückgang der Hautsymptome • Nach Reexposition kehren die Hautsymptome zurück • Diagnose: Proteinkontaktdermatitis
Auslösende Allergenquellen
Gruppe 1 Pflanzenproteine Früchte, Gemüse, Gewürze, Pflanzen, Hölzer
(nach Prof. Dr. Vera Mahler)
Gruppe 2 tierische Proteine
Epithelien, Fleisch, Innereien, Körperflüssigkeiten, Meeresfrüchte, Fisch etc.
Gruppe 3 Körner
Mehle
Gruppe 4 Enzyme
α-Amylase, Glucoamylase Cellulase, Xylanase, Protease, Papain
Tabelle: Die Proteine, die eine Proteinkontaktdermatitis auslösen können, lassen sich in vier Gruppen einteilen.
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Diagnostik der Proteinkontaktdermatitis
Bis heute existiert kein standardisiertes Nachweisverfahren der Proteinkontaktdermatitis. In der Regel stützt sich die Diagnose auf eine positive Sofortreaktion im Pricktest (Ablesung nach 15 bis 30 Minuten), einen positiven spezifischen IgE-Test (RAST) und eine passende Expositions- und Reexpositionsanamnese. Meistens ist der Epikutantest negativ. Anders als am Testort (intakte Haut am Rücken) ist der Manifestationsort (meist die Hände) in der Regel atopisch oder irritativ vorgeschädigt, was die Penetration erleichtert. Differenzialdiagnostisch sollten in Betracht gezogen werden: ● Irritatives Kontaktekzem. Im Nahrungsmittelverarbei-
tungssektor ist Feuchtarbeit mit häufigem Händewaschen und mit Okklusionseffekten durch Schutzhandschuhe oft anzutreffen ● Allergisches Kontaktekzem, z.B. bedingt durch Gummiakzeleratoren, Desinfektionsmittel, Aromen, Gewürze, Stabilisatoren ● Atopisches Handekzem.
Derzeit führt die Deutsche Kontaktallergie-Gruppe
(DKG) zur Verbesserung der Diagnostik bei Protein-
kontaktdermatitis eine multizentrische Studie durch.
Dabei werden sechs verschiedene Testverfahren vali-
diert und standardisiert. Von den häufig vorkommen-
den Proteinquellen werden eingesetzt: Weizenmehl,
Roggenmehl, Sojamilch, Kuhmilch, Kabeljau, Rind-
fleisch, Tomate, Karotte.
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Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
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