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KONGRESSBERICHT EADV Lissabon
Neu entdecktes onkogenes Virus
Durch «Supertransformation» zum Merkel-Zell-Karzinom
Bei 80 Prozent der Merkel-Zell-Karzinome ist DNA eines neu entdeckten Virus nachweisbar. Das Merkel-Zell-Polyomavirus wird ins Genom der Tumorzellen integriert, berichtete Prof. Dr. Axel zur Hausen, Chair of the Department of Pathology, University Medical Centre, Maastricht, Holland, am 20th Congress of the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV).
Vor vier Jahren wurde bei 8 von 10 Merkel-Zell-Karzinomen DNA eines bislang unbekannten Virus entdeckt. Das Merkel-Zell-Karzinom entsteht aus Mechanorezeptorzellen in der Basalschicht der Epidermis (Merkel-Zellen), die zu den neuroendokrinen Zellen gerechnet werden. An sonnenexponierten Hautpartien (Kopf, Hals, Arme und Hände) bildet sich ein rasch wachsender roter oder blauer Knoten. Dieser seltene NichtMelanom-Hautkrebs ist sehr aggressiv und betrifft ältere, über 50-jährige oder immunsupprimierte Personen (z.B. Nierentransplantierte, an Chronisch Lymphatischer Leukämie [CLL] Erkrankte oder HIV-Positive). Merkel-Zell-Karzinome neigen stark zur Bildung von Lokalrezidiven, Lymphknotenmetastasen und hämatogenen Fernmetastasen. Die Mortalitätsrate ist hoch. Das 5-Jahres-Überleben liegt insgesamt bei 54 Prozent. Es beträgt 64 Prozent, wenn der Tumor bei Diagnosestellung noch lokal begrenzt ist, 39 Prozent bei Lymphknotenmetastasen und nur 18 Prozent bei Fernmetastasen.
Onkogenes Virus mit Supertransformations-Eigenschaften
Das neu entdeckte Merkel-Zell-Polyomavirus (MCPyV) wird klonal in die DNA der Merkel-Zell-Karzinomzelle integriert. Zudem wurden Mutationen entdeckt, die das grosse T-Antigen des MCPyV betreffen. Diese Mutationen beeinträchtigen die Virusreplikation, verstärken aber zugleich das Transformationspotenzial des Virus. Die Assoziation zwischen MCPyV und Merkel-ZellKarzinom sei in vielen Studien bestätigt worden, so der Referent. Patienten mit CLL haben ein erhöhtes Risiko, dass sich bei ihnen ein MCPyV-positives Merkel-Zell-Karzinom entwickelt. Möglicherweise begünstigt die Immunsup-
Abbildung: Kapside des Merkel-Zell-Polyomavirus. Durchmesser 55 bis 60 nm. (Quelle: Iocusceruleus, Wikimedia Commons)
pression bei CLL die Infektion mit MCPyV und die
Krebsentwicklung. Umgekehrt besteht aber auch bei Pa-
tienten mit Merkel-Zell-Karzinom ein erhöhtes Risiko,
zusätzlich noch an CLL zu erkranken.
In Abstrichen von der Stirnhaut wurde mittels PCR bei
210 HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern an-
gaben, signifikant häufiger MCPyV-DNA gefunden als
bei 239 HIV-negativen männlichen Kontrollen, berich-
tete A. Kreuter, Ruhr-Universität, Bochum, Deutsch-
land, in einer freien Mitteilung. Die erhöhte kutane
MCPyV-Prävalenz könnte dazu beitragen, dass HIV-Posi-
tive einem erhöhten Merkel-Zell-Karzinomrisiko ausge-
setzt sind.
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Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring
[medicos ] Nr. 1•2012
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