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AKNE
Psychologische Aspekte und Lebensqualität bei Patienten mit Akne
Nach einem Vortrag von Dr. med. Severin Läuchli, Universitätsspital Zürich, Symposium Akne-Management, 91. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV), 4. September 2009, Basel
Die Einschränkung der Lebensqualität bei Aknepati-
enten ist gross, unabhängig vom Schweregrad der
Erkrankung. Die Akne korreliert mit psychischen
Variablen wie Angststörung und Depression. Mit der
Behandlung der Akne bessern sich sowohl die
Lebensqualität als auch die psychischen Faktoren.
Der behandelnde Arzt sollte deshalb die einschrän-
kenden Faktoren beachten sowie Risikopatienten
für primäre Psychopathologien erkennen. Eine gute
Arzt-Patienten-Beziehung ist dabei grundlegend.
Psychologische Aspekte und Lebensqualität sind bei der Akne zentrale Themen. Aus Befragungen mit dem Dermatology Life Quality Index, aknespezifischen Auswertungen oder dem General Health Questionnaire geht hervor, dass Aknepatienten sich in ihrer Lebensqualität ebenso stark eingeschränkt fühlen wie Patienten mit Asthma, Epilepsie, Diabetes, chronischen Rückenschmerzen oder Arthritis –
Erkrankungen, die gemeinhin als ernsthafter betrachtet werden als Akne. Sozial und emotional fühlen sich die Aknebetroffenen im Vergleich sogar noch stärker beeinträchtigt. Dies betrifft besonders den sozialen Kontakt mit Freunden und Bekannten. Die Akne wirkt sich aber auch negativ auf die schulische Leistung aus und benachteiligt bei der Stellensuche. Die Arbeitslosigkeit ist bei den Betroffenen signifikant erhöht. Eine Studie drückt den Verlust an Lebensqualität durch immaterielle Kosten aus, indem Patienten angeben, wie viel sie bereit wären zu bezahlen, wenn sie von der Krankheit vollständig geheilt würden. Die Studie zeigt, dass Akne hohe direkte medizinische sowie hohe indirekte ökonomische Kosten verursacht, aber noch deutlich höhere immaterielle Kosten.
Eingeschränkte Lebensqualität unabhängig vom Schweregrad der Akne
Besonders betroffen sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich in einer verletzlichen Entwicklungsphase befinden, während der sich ihre Selbstwahrnehmung verändert und die Sozialkompetenz noch in Entwicklung begriffen ist. Sie können mit zusätzlichem Stress am schlechtesten umgehen. Die Hautveränderungen betreffen zudem das Gesicht, wo jeder sie unmittelbar sieht. Von den jungen Betroffenen wird das dann oft als Strafe für irgend-
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ein Versagen ausgelegt. Deshalb erstaunt es nicht, Auch bei leichter bis moderater Akne können psych-
dass die psychosozialen Konsequenzen der Akne sig- iatrische Komorbiditäten wie Depression oder Sui-
nifikanter sind als die medizinischen.
zidgedanken eine Rolle spielen. Wichtig ist es, Risi-
Interessanterweise finden sich keine Relationen zwi- kopatienten zu erkennen. In der dermatologischen
schen dem klinischen Schweregrad der Akne und Konsultation ist es hilfreich, auf gewisse Parameter
der Einschränkung der Lebensqualität. Es gibt meh- zu achten wie zum Beispiel: Bestehen Schwierigkei-
rere Studien, die zeigen, dass die Lebensqualität auch ten, einen Rapport mit dem Patienten herstellen zu
bei milder Akne eingeschränkt ist. Häufig verlangen können? Berichtet der Patient über eingeschränkte
Patienten mit geringen klinischen Symptomen eine zwischenmenschliche Kontakte? Gibt es Hinweise
Behandlung.
auf Symptome einer Depression? Diese können bei
Allein aufgrund des klinischen Bildes ist es für den Aknepatienten sehr diskret sein und sich auch nur
Arzt oft nicht ersichtlich, dass ein grosser Leidens- als leichte Anhedonie oder leichten sozialen Rück-
druck bestehen soll. Erwiesenermassen bessern sich zug manifestieren. Suizidgedanken werden beim
aber mit der Behandlung der Akne die Einschrän- Dermatologen wahrscheinlich selten verbalisiert.
kungen der Lebensqualität bereits nach 12 Wochen Bei Jugendlichen empfiehlt es sich, die Untersu-
signifikant, sowohl nach systemischer Behandlung chung und das Gespräch möglichst ohne die Eltern
mit Isotretinoin als auch nach topischer Behand- durchzuführen und Bezugspersonen zum Beispiel
lung. Es ist somit wichtig, die einschränkenden Fak- erst in der Therapiebesprechung mit einzubeziehen.
toren in der dermatologischen Konsultation zu be- Allenfalls können die psychologischen Aspekte auch
achten und die Aknepatienten auch bei leichten For- bei einer Nachkontrolle zur Sprache kommen, wenn
men konsequent zu behandeln, wenn dadurch eine der junge Patient allein kommt.
Verbesserung der Lebensqualität ermöglicht wird.
Wenn der Arzt einen Risikopatienten identifiziert
hat, ist seine Aufmerksamkeit bezüglich psychopa-
Assoziation zwischen Akne und psychischen Variablen
thologischer Aspekte gefragt. In den meisten Fällen wird es sich jedoch um reaktive psychische Auffälligkeiten handeln, die sich mit der Behandlung
Die Akne korreliert mit psychischen Variablen wie bessern, da sich die psychischen Faktoren mit der
Angststörung und Depression. In einer Studie mit Ju- Behandlung der Akne verbessern. Falls eine psych-
gendlichen wurden bei mehr als einem Drittel im Zu- iatrische beziehungsweise eine psychopharmako-
sammenhang mit Akne psychiatrische Auffälligkei- logische Behandlung, eine Psychotherapie oder Bio-
ten wie Angst und depressive Verstimmungen, aber feedback als hilfreich in Erwägung gezogen wird, ist
auch Wut, Hilflosigkeit und Frustration festgehalten. der Patient weiterzuweisen. Dies wird aber in den
Obwohl bei jungen Männern moderate bis schwere wenigsten Fällen nötig sein. Manchmal reicht bereits
Akne weiter verbreitet ist als bei jungen Frauen, sind ein empathisches Gespräch, denn nicht selten sind
Letztere häufiger von Angststörungen und Depres- Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen in der
sionen im Zusammenhang mit Akne betroffen. Auch Konsultation am hilfreichsten.
bei Erwachsenen und Patienten mit geringer Ausprä-
gung der Akne wurden diese Korrelationen hergestellt. Allerdings ist die Kausalität nicht eindeutig belegt. Es fehlen prospektive und Kohortenstudien.
Problem der Compliance und Mythen über die Akne
Es gibt auch genügend Literatur, die nahelegt, dass Wie generell bei dermatologischen und chronischen
emotionale und psychische Faktoren einen Einfluss Erkrankungen ist die Compliance auch bei der Akne
auf die Verschlimmerung der Akne haben. Dies zeig- ein grosses Problem. Oft werden Behandlungen
ten zum Beispiel Studien mit Studenten, die unter abgebrochen. Medikamente, die verschrieben und
Prüfungsstress standen, wodurch es infolge der ver- nicht eingenommen werden, verursachen hohe Kos-
mehrten Ausschüttung von Glukokortikoiden zu ten. Andere Aknepatienten verwenden die Medika-
Akneexazerbationen kam. Es gibt auch Hinweise auf mente in subtherapeutischen Dosen oder erhöhen
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psychische Faktoren für die Entstehung oder die umgekehrt die Dosis gefährlich. Es besteht das Ri-
Aufrechterhaltung von Akne. Deshalb ist es insbe- siko von Antibiotikaresistenzen. Eine grosse Studie
sondere auch bei der Acne excoriée wichtig, abzu- über die Compliance bei Akne mit über 600 Pro-
klären, ob eine primäre Psychopathologie dahinter- banden hat mehrere Faktoren ermittelt, die mit
steht. Fälle, die mit gewissen Persönlichkeitsele- schlechterer Compliance assoziiert sind und auf die
menten wie Körperwahrnehmungs-, Zwangs- oder der behandelnde Arzt ein besonderes Augenmerk zu
Wahnvorstellungen assoziiert sind, wurden vor al- richten hat (siehe auch Tabelle). Die Auswertung
22 lem bei Frauen dokumentiert.
zeigt, dass bei topischen Therapien sowie bei wie-
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Tabelle:
Faktoren, die mit einer schlechteren Compliance assoziiert sind (nach Zaghloul 2005)
Die Compliance der Aknepatienten ist schlechter:
● bei Männern als bei Frauen ● bei starker Akne ● bei Arbeitslosen als bei Angestellten und
bei diesen wiederum schlechter als bei Studenten ● bei Rauchern und Alkoholkonsumenten ● bei Patienten mit topischer Therapie ● bei Patienten mit wiederholter systemischer Therapie
derholter systemischer Therapie die Compliance schlechter ist und Männer allgemein eine schlechtere Compliance haben. Das beste Instrument, die Faktoren schlechter Compliance zu erkennen und die Situation zu verbessern, ist das therapeutische Gespräch, das umso wichtiger ist, je eingeschränkter sich die Patienten fühlen und je jünger sie sind. Eine gute mündliche und schriftliche Information ist grundlegend und erfordert den entsprechenden Aufwand. Die Aknepatienten brauchen unter Umständen über Jahre regelmässige Kontrollen. Eine gut funktionierende Beziehung zwischen Arzt und Patient ist daher wesentlich. Zum Aufbau einer guten Beziehung gehört auch, dass der Arzt bewusst auf die subjektive Wahrnehmung des Patienten sowie dessen Vorstellungen und Mythen über die Krankheit eingeht und diese gezielt anspricht. Was die Patienten über die Entstehung der Akne denken, wurde verschiedentlich untersucht, unter anderem auch in einer Umfrage mit 546 Luzerner Mittelschülern im Alter von 15 bis 17 Jahren. Gut die Hälfte davon war von Akne betroffen, nur 20 Prozent dieser Jugendlichen hatten einen Arzt aufgesucht, von diesen wiederum die Hälfte den Hausarzt, die anderen einen Dermatologen. Gut ein Drittel fühlte sich durch die Akne psychisch belastet, wobei die jungen Frauen dies häufiger bejahten. Sehr viele dachten, die Akne sei psychisch bedingt. Als Auslösefaktoren nannte eine grosse Mehrheit
die Hygiene – was der Arzt in einem Patientengespräch berichtigen müsste – und bestimmte Nahrungsmittel – was der Ergänzung bedürfte, dass die Ernährung wahrscheinlich einen Einfluss hat, jedoch nicht ein einzelnes Nahrungsmittel dafür verantwortlich gemacht werden kann. Im Gegensatz zu den jungen Männern wussten die meisten jungen Frauen, dass die Akne vom Menstruationszyklus abhängig ist.
Schlussfolgerungen
Die Einschränkung der Lebensqualität bei Akne-
patienten ist gross. Für den Patienten sind die psy-
chischen Konsequenzen oft wichtiger als die medi-
zinischen Faktoren. Auch eine leichte Akne kann
sehr belastend sein. Alle diese Variablen bessern
sich jedoch mit der Behandlung der Akne. Im Rah-
men der ärztlichen Instruktion und Begleitung des
Patienten ist es wichtig, dessen Vorstellungen über
die Erkrankung zu erfragen und wo nötig Fakten zu
ergänzen.
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Regula Patscheider
Interessenkonflikte: keine
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