Transkript
ÄSTHETIK
Moderne Cellulitebehandlung
Interview mit Dr. med. Martin Kägi
Was ist Cellulite und wie entsteht sie?
Dr. med. Martin Kägi
Dr. med. Martin Kägi: Von Cellulite sind nur
Frauen betroffen. Die Cellulite tritt an Gesäss, Hüf-
ten und Oberschenkeln auf und ist gekennzeichnet
durch Ausstülpungen von Fettgewebe in die Dermis. sind die Lymphgefässe in den Cellulitearealen für
Es werden unregelmässige Verdickungen oder diese Aufgabe zu klein und nicht gut genug ausge-
Höckerchen und Dellen sichtbar, weshalb die Cellu- bildet. Mit der Zeit können sich Entzündungen und
lite auch als Matratzen- oder Orangenhaut bezeich- Ödeme bilden, und es kommt zur Verhärtung der
net wird. Frauen sind dazu prädisponiert, weil sie im kollagenen Fasern.
Vergleich zu Männern strukturelle Unterschiede im
subdermalen kollagenen Bindegewebe aufweisen. Welches Verfahren verwenden Sie zur Behandlung der
Bei Männern verlaufen die Bindegewebesepten in Cellulite?
den oberen Subkutisschichen kreuzartig. Dadurch
Kägi: Eine mögliche Form der Cellulitebehand-
werden die Fettzellen klammerartig umschlossen lung basiert auf drei verschiedenen Elementen, näm-
und können nicht in die Dermis durchdrücken. Bei lich einer Saugvakuummassage, die mit Radiofre-
Frauen sind die Bindegewebesepten des Unterhaut- quenz und Infrarotlicht kombiniert wird. Mithilfe
fettgewebes hingegen parallel angeordnet und ver- der Radiofrequenz wird das Gewebe auf zirka 45 °C
laufen senkrecht zur Hautoberfläche. Diese weitma- erwärmt. Dies hat eine Kontraktion der Kollagenfa-
schigen Kollagenfasern können sich bei Bedarf sern und somit Straffung der Haut zur Folge. Zusätz-
(Schwangerschaft) besser dehnen. Zwischen diesen lich wird die Erwärmung des Gewebes durch eine
Septen lagern sich die Fettgewebeläppchen ab. Es Infrarotlampe unterstützt, was die Durchblutung
werden Vorwölbungen sichtbar. Damit Frauen für und damit die intrazelluläre Sauerstoffdiffusion för-
die Schwangerschaft Energiereserven anlegen kön- dert. Zudem wird das Gewebe mechanisch durch
nen, haben sie generell viel mehr Fettzellen als Män- eine Vakuummassage mit speziell geformten Rollen
ner. Bei hormonellen Schwankungen in der Puber- massiert und stimuliert. Diese Massnahmen aktivie-
tät, Schwangerschaft oder vor der Menopause kann ren den Prozess der Entschlackung und des Wasser-
es zu einer Störung des Gleichgewichts zwischen abtransports via Lymphgefässe (lymphogene Drai-
Fettaufbau (Verstärkung der Lipogenese) und Fett- nage) und erhöhen den Fettstoffwechsel (Lypolyse).
abbau (Verminderung der Lipolyse) in Richtung Die Grösse der vorhandenen Fettkammern reduziert
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Fetteinlagerung kommen. Dabei können sich die sich, was letztlich nicht nur zu einem glatteren
Fettzellen von Stecknadelgrösse bis zur 100-fachen Erscheinungsbild der Haut, sondern auch zu einer
Grösse verändern. Die vergösserten Adipozyten Verminderung des Umfangs im behandelten Be-
drücken nicht nur durch das weitmaschige weiche reich führt.
Bindegewebe bis zur Dellenbildung, sondern ver-
mindern die lokale Mikrozirkulation, sodass Welchen Einfluss hat die Kombination von Saug-
Schlackenstoffe und Wasser durch das Lymph- vakuummassage mit Radiofrequenz und Infrarotlicht
24 system weniger gut abtransportiert werden. Oftmals auf die Nachhaltigkeit des Behandlungsresultates?
ÄSTHETIK
Kägi: Früher beschränkte sich die Behandlung auf eine reine Vakkuummassage mit Endermologiegeräten, wobei die Wirkung höchstens 2 bis 3 Wochen anhielt. Um dauerhafte Resultate zu erzielen, wurden deshalb bessere Verfahren entwickelt. Indem heute das Gewebe erwärmt und zusätzlich gestrafft wird, können nachhaltigere Ergebnisse erreicht werden. Zu empfehlen sind zweimal im Jahr 10 bis 20 Sitzungen. In der Regel hält das Resultat der Behandlung bis zu 6 Monaten an. Bei einzelnen Patientinnen ist es jedoch sinnvoller, eine Erhaltungstherapie während des ganzen Jahres mit 2 bis 4 Sitzungen pro Monat durchzuführen.
Gibt es Kontraindikationen? Kägi: Zu den Kontraindikationen zählen alle
systemischen Erkrankungen aus dem internistischen und rheumatologischen Formenkreis, Lipödeme, schwere Varikosis, Thrombosen und Tumore. Bei vielen oberflächlichen Krampfadern ist Vorsicht geboten. Besenreiser müssen vor Beginn der Cellulite-Therapie behandelt werden. Da hauptsächlich Bauch-, Gesäss- und Hüftbereich bis Mitte Oberschenkel therapiert wird, sind nur wenige lokale Kontraindikationen zu beachten.
Sind für eine erfolgreiche Therapie auch adjuvante Massnahmen notwendig?
Kägi: Es sind immer zusätzliche Massnahmen notwendig. Die Behandlung kann unterstützt werden durch Gewichtsreduktion, Ernährungsberatung und gezieltes Training (z.B. Power Plate).
Gibt es für die beschriebene Behandlungskombination Saugvakuummassage mit Radiofrequenz und Infrarotlicht noch weitere Anwendungsmöglichkeiten?
Kägi: Dieses Kombinationsverfahren wird vor allem bei Cellulite angewendet. Wenn nach einer Liposuktion Unregelmässigkeiten im Gewebe zurückbleiben, kann mit dieser Behandlung die Oberfläche der Haut ausgeglichen werden. Dies ist ein
sehr wichtiges Einsatzgebiet. Hier werden neben Frauen auch Männer behandelt, bei welchen nach mehreren Fettabsaugungen noch Dellen sichtbar sind.
Neben der Cellulite sind auch gewisse Formen des Lipödems für die Behandlung geeignet. Hierfür muss aber zuerst nach dessen Ursachen gesucht werden. Eine Behandlung darf erst erfolgen, wenn das Vorhandensein medizinisch relevanter Erkrankungen abgeklärt wurde.
Ganz neu zur Cellulite-Behandlung ist die akustische Wellentherapie. Wie beurteilen Sie diese Methode?
Kägi: Die akustische Stosswellentherapie ist eine neue Methode, die für die Cellulite-Behandlung noch in Entwicklung ist. Akustische Pulse werden ausserhalb des Körpers erzeugt und breiten sich als Wellen im Gewebe aus, die zur Stimulierung des Gewebes und Straffung der Haut genutzt werden können. Im Moment fehlen noch breit abgestützte klinische Vergleichsstudien. Im Vergleich dazu ist die Kombination von Saugvakuummassage mit Radiofrequenz und Infrarotlicht von der FDA zugelassen, und alleine in den USA werden inzwischen über 2000 solcher Geräte betrieben. Die akustische Stosswellentherapie stellt eine neue Option dar, die möglicherweise das therapeutische Spektrum für die Behandlung der Cellulite erweitern wird.
Die Redaktion dankt Herrn Dr. med. Martin Kägi für das interessante Gespräch.
Korrespondenzadresse: HautZentrum Zürich Dr. med. Martin K. Kägi Leitender Arzt Schaffhauserstrasse 355, Sternen Oerlikon 8050 Zürich Tel. 044-318 88 99, Fax 044-318 88 98 E-Mail: martin.kaegi@hin.ch
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