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HAUT UND SONNE
Aktuelles zum Hautkrebs in der Schweiz
Interview mit Prof. Dr. med. Renato Panizzon, CHUV Lausanne
Prof. Dr. med. Renato Panizzon
Wie sind die Prognosen für die Hautkrebsentwicklung in der Schweiz für die nächsten Jahre?
Prof. Dr. med. Panizzon: Die Prognose für die Hautkrebsentwicklung in der Schweiz für die nächsten Jahre sieht wie folgt aus: Bei den bekanntesten Hautkrebsarten wie Basaliom, Spinaliom und Melanom ist mit einer Zunahme der Inzidenz, das heisst mit einer grösseren Häufigkeit zu rechnen.
Die Fachkommission Hautkrebs der Krebsliga Schweiz, deren Präsident Sie waren, besteht jetzt seit über zehn Jahren. Worauf hat sich die Fachkommission in den letzten Jahren besonders konzentriert? Wo sehen Sie die Aufgaben und Ziele in den nächsten Jahren?
Panizzon: Die Fachkommission Hautkrebs der Krebsliga Schweiz, deren Präsidium zurzeit Professor Dummer aus Zürich innehat, konzentrierte sich in den zehn Jahren ihres Bestehens auf die primäre und sekundäre Hautkrebsprävention, das heisst auf den Sonnenschutz und die Frühentdeckung von Hauttumoren. Wir hatten keine spezifischen Themen für jedes Jahr vorgesehen, sondern machten, wenn immer möglich, auf die drei Grundprinzipien der Hautkrebsprävention aufmerksam:
1. Die Sonne zwischen 11.00 und 15.00 Uhr meiden beziehungsweise Schatten aufsuchen
2. Kleider tragen wie Hut, Hemd und Hose («3H») 3. Sonnenschutzprodukte mit mindestens Sonnen-
schutzfaktor 15 an exponierten Körperstellen verwenden.
Eine weitere wichtige Massnahme besteht darin, Veränderungen von Pigmentmalen gemäss der A-B-C-DRegel genau zu beobachten (Tabelle). In den nächsten Jahren werden wir gemeinsam mit anderen europäischen Ländern bei der Aktion «Euromelanoma» mitmachen, wie dies bereits im Jahr 2008 geschehen ist: Am zweiten Montag im Monat Mai wird die Bevölkerung aufgefordert, ihre verdächtigen Läsionen dem Dermatologen zu zeigen. Personen, die zu einer Risikogruppe gehören, werden angehalten, sich für eine Kontrolluntersuchung zu melden. Das Endziel ist, die Mortalität insbesondere des Melanoms zu senken sowie das Fortschreiten der übrigen Hauttumoren zu vermeiden.
Das Endziel ist, die Mortalität insbesondere des Melanoms zu senken sowie das Fortschreiten der übrigen Hauttumoren zu vermeiden.
Ist die Schweiz an der «Euromelanoma»-Früherkennungskampagne beteiligt? Welches sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den einzelnen Ländern und auch dieser gegenüber der Schweiz?
Panizzon: Die Schweiz ist seit 2008 an der «Euromelanoma»-Früherkennungskampagne beteiligt. Gemeinsam mit den anderen Ländern sind
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medicos 1/2009
HAUT UND SONNE
Tabelle:
Es empfiehlt sich, alle drei bis vier Monate die Pigmentmale am ganzen Körper mit der A-B-C-D-Regel zu untersuchen.
A = Asymmetrie B = Begrenzung C = Color (Farbe) D = Dynamik
unregelmässige, nicht symmetrische Form unregelmässige, unscharfe Ränder verschieden farbig, fleckig verändert sich bezüglich Grösse, Farbe, Form oder Dicke
Bestrebungen im Gange, die Häufigkeit der ver- Welche Vor- und Nachteile bestehen bei den verschie-
schiedenen Hauttumoren zu registrieren und die denen operativen und nicht operativen Behandlungs-
Mortalität, besonders des Melanoms, zu senken. möglichkeiten beim hellen Hautkrebs?
Unterschiede ergeben sich dadurch, dass in südli-
Panizzon: Beim hellen Hautkrebs sind kleine
chen Ländern weniger häufig Melanome auftreten bis mittelgrosse Hauttumoren sehr leicht mit der
und deshalb gewisse Verhaltensregeln, die den Son- chirurgisch-operativen Methode anzugehen, ins-
nenschutz betreffen, verschieden gewichtet werden. besondere bei relativ jungen bis hin zu etwa 65-
Aber in allen Ländern werden die gemeinsamen jährigen Patienten. Bei älteren Personen und bei
Ziele doch recht übereinstimmend verfolgt.
gewissen Operationsrisiken ist in zweiter Linie an
die Radiotherapie zu denken, die schmerzlos ist.
Wird der Hautkrebstag weitergeführt? Was wird der Dazu kommt, dass einige oberflächliche Tumoren
Schwerpunkt sein? Welche Bevölkerungsgruppen heute auch mit topischen Behandlungen angegan-
müssen noch vermehrt angesprochen werden?
gen werden können, wie zum Beispiel mit topischen
Panizzon: Der Hautkrebstag, beziehungs- Chemotherapeutika (5-FU) oder immunomodula-
weise der «Euromelanoma»-Tag, wird weiter geführt, torischen Substanzen wie Imiquimod sowie mit der
wenn immer möglich ebenfalls am zweiten Montag photodynamischen Therapie. Für mittelgrosse bis
im Mai – ausser in den USA, die den ersten Montag grössere Tumoren, die ja auch relativ rasch in die
im Monat Mai gewählt haben. Der Schwerpunkt für Tiefe wachsen, ist nach wie vor die chirurgische The-
2009 ist meines Wissens noch nicht definiert, und rapie oder die Radiotherapie das Mittel der Wahl.
es ist auch nicht sicher, ob alle Länder den gleichen
Welche Palette an Therapien stehen beim malignen
Es sollten vermehrt Männer angesprochen werden.
Melanom zur Verfügung? Welche Fortschritte konnten verzeichnet werden und in welchen Bereichen sehen
Sie hoffnungsvolle, neue Behandlungsansätze?
Schwerpunkt im selben Jahr für «Euromelanoma»
Panizzon: Die primäre Therapie beim Mela-
berücksichtigen werden. Sicher ist, dass sich die Prä- nom ist nach wie vor die chirurgische Behandlung.
ventionskampagnen stärker auf die Bevölkerungs- Ergänzend dazu kann bei lokalen Metastasen eine
gruppe der älteren Männer konzentrieren sollten, Extremitätenperfusion angezeigt sein. Ebenfalls kann,
da vor allem in dieser Altersgruppe nach wie vor in ausgewählten Fällen, eine adjuvante Interferon-
dicke Melanome mit schlechter Prognose auftreten. therapie infrage kommen. Unter den Chemothera-
Überhaupt sollten vermehrt Männer angesprochen peutika hat sich neben Dacarbazin beziehungsweise
werden, da Frauen schneller und häufiger wegen ver- seinem Metaboliten Temozolomid keine andere,
dächtiger Hautveränderungen einen Arzt aufsuchen. neuere Substanz bewährt. Die Ansprechrate der
Therapie reicht kaum über 25 Prozent. Fortschritte
Gibt es neue Fortschritte bezüglich der Diagnose von wurden bisher bei den eher experimentellen Thera-
Hautkrebs?
pien mittels Vakzinen sowie Therapien mit Antikör-
Panizzon: In der Hautkrebsdiagnostik sind persubstanzen erzielt. Der Erfolg hierbei ist noch
gewisse Fortschritte erzielt worden. Zu erwähnen recht dürftig. Es bleiben uns also vorerst haupt-
sind die Untersuchungen mittels Dermatoskop, die sächlich nur die präventiven Massnahmen, um die
computergesteuerte Dermatoskopie mit Fotodoku- Mortalität des Melanoms zu senken.
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mentation sowie die Markierung von Hauttumoren
mittels Fluoreszenz, wie sie für die photodynami- Die Redaktion dankt Herrn Prof. Dr. med. Renato
4 sche Therapie gebraucht wird.
Panizzon für das interessante Gespräch.
medicos 1/2009