Transkript
Editorial
Narben – Zeugnis von Heldentum oder sozialer Diskriminierung
Regula Patscheider
Narben sind das Ergebnis von natürlichen Reparaturprozessen unserer Haut. Sie haben im soziokulturellen Kontext jedoch immer auch Zeichencharakter gehabt. Zum Beispiel als Zeugnis der Stammeszugehörigkeit bei Naturvölkern oder der Tapferkeit bei den keltischen und germanischen Kriegern. Im Galaterbrief verweist der Apostel Paulus auf die «Zeichen Jesu» auf seinem Körper. Vor Gericht erwähnten die Römer ihre Narben als Beweis ihrer Opfer an die Res publica, bei der Bewerbung um hohe politische Ämter als Legitimation ihres Herrschaftsanspruchs. Narbenbildende Hautverletzungen waren vom Mittelalter bis in die Neuzeit die mildeste Form von Körperstrafen bei Gesetzesbrechern. In unserer Gesellschaft ist der Umgang mit Narben ambivalent. Einerseits streben wir nach dem Ideal der makellosen Haut, wie sie in den Hochglanzzeitschriften präsentiert wird, andererseits machen wir unsere Haut mit Tattoos und Piercings zur Projektionsfläche unserer Vorstellungen. Das provokative Zurschautragen eines unansehnlichen Studenten-«Schmisses» am Basler Dies Academicus hatte Anfang Jahr eine Interpellation im Parlament zur Folge.
Auf die Idee der Narbe als Ausdruck des Bösen verweist im «Lion King» der Name des königsmordenden «Scar», wie Prof. Dr. med. Peter Itin, Referent an der Fortbildung «Narben verhindern – Narben behandeln» des Univer sitätsspitals Zürich am 29. Mai in seinem Beitrag anmerkte. Narben als Folge von Hautverletzungen oder entzündlichen Dermatosen können den Betroffenen in der Tat physisch und psychisch übel zusetzen. Wie entstellende und funktionell einschränkende Narben durch rechtzeitige adäquate Behandlung möglichst verhindert oder durch angepasstes chirurgisches Vorgehen verbessert werden können, legten sieben Fachspezialisten an
der erwähnten, von Dr. med. Severin Läuchli organisierten Veranstaltung dar. [medicos] lässt die Referate in einem zweiteiligen Bericht Revue passieren. Besonders bei der Akne, der zahlenmässig wichtigsten Erkrankung mit narbenbildendem Potenzial, ist es entscheidend, schwere Formen frühzeitig mit oralem Isotretinoin zu behandeln. Zur Beantwortung der Frage, ob die Akne durch diätetische Massnahmen verbessert werden kann, liegen trotz neuerer Studien noch immer ungenügend evidenzbasierte Daten vor. Zu diesem Schluss kommt unser Artikel «Akne und Ernährung – besteht Evidenz für Zusammenhänge?».
Durch ihre Hauterscheinungen stigmatisiert fühlen sich auch viele Psoriatiker. Die Psoriasis ist häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert. Diese müssen in der Therapie mitberücksichtigt werden. Der in dieser Ausgabe zusammengefasste Vortrag «Psoriasis-Komorbiditäten: Relevanz und Empfehlung für die Praxis» von Dr. med. Peter Weisenseel zeigte, dass eine optimal abgestimmte
Therapie, Gewichtsreduktion und genügend Bewegung zum Beispiel das kardiovaskuläre Risiko reduzieren. Zur Basistherapie bei Psoriasis gehört eine konsequente Hautpflege. Dasselbe gilt für die Neurodermitis. Wie die Hautpflege bei Letzterer ge mäss den aktuellen AWMF-Empfeh lungen vorzunehmen ist, bes chreibt der Beitrag «Ohne Pflege geht es nicht» von Dr. med. Peter Schupp.
Ähnlich wie Narben werden heute auch die auf der Haut besonders gut sichtbaren Alterungsprozesse von vielen als Makel betrachtet. Massnahmen zur Gesundund Jungerhaltung der Haut sind deshalb besonders gefragt. Unser Beitrag «Hautalterung und Smart Aging» zeigt die Unterschiede zwischen intrinsischer und extrinsischer Hautalterung und das Spektrum von Präventionsmethoden und Massnahmen gegen vorzeitige Faltenbildung.
Eine gute Lektüre und einen Herbst ohne Grund zu Sorgenfalten wünscht Ihnen
Regula Patscheider
1
medicos 5/2008