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DERMOPHARMAZIE
Das Stratum corneum
Struktur und Morphologie einer hoch effizienten Barriere
Von Reinhard H.H. Neubert und Roger Wepf
Forschungsarbeiten der letzten Jahre zeigen, dass
die Integrität und Stabilität der Hauptbarriere der
Haut auf vier Ebenen realisiert wird: durch «haken-
ähnliche» Strukturen der Corneozyten, durch Cor-
neodesmosomen und Lipid-Bilayer des Stratum cor-
neum sowie durch Tight Junctions (Schlussleisten)
am Übergang von der lebenden zur toten Haut-
schicht. Der Fortschritt der elektronenmikroskopi-
schen Techniken führte zu völlig neuen Einblicken in
die Morphologie dieser Hautschicht. Mithilfe der
Neutronendiffraktion wurde der molekulare Aufbau
im Detail aufgeklärt. Diese Arbeiten bilden eine
exzellente Basis zur Konzeption neuer Penetrations-
modulatoren sowie neuer effektiver Vehikelsysteme.
Die menschliche Haut besteht aus drei Schichten, der Epidermis, Dermis und Subcutis, sowie den Hautanhangsgebilden wie Haarfollikel, Talg- und Schweissdrüsen. Die Aufgabe der Epidermis ist es, die äusserste Hautschicht als Hautbarriere ein Leben lang kontinuierlich zu erneuern. Diese Hautbarriere, auch Hornschicht genannt, ist die Grenzfläche des Organismus zu seiner Umwelt
und dient als Barriere sowohl für Fremdstoffe von aussen als auch für Wasser und kleine Moleküle von innen nach aussen. Somit muss die Hautbarriere den Körper einerseits vor äusseren invasiven und irritierenden Einflüssen schützen und andererseits gleichzeitig den Wasserhaushalt für die lebensnotwendige Homöostase aufrechterhalten. Diese in sich widersprüchlichen Funktionen übernimmt eine hoch komplex organisierte und äusserst anpassungsfähige, biologisch tote, jedoch dynamische, 10 bis 15 µm dünne Hautschicht. Diese Hornschicht (Stratum corneum, SC) besteht aus toten verhornten Keratinozyten, sogenannten Corneozyten, und bildet eine der effizientesten Barrieren in der Biologie. Bislang kann eine grosse Zahl von Arzneistoffen nicht dermal oder transdermal angewendet werden, da diese das Stratum corneum der menschlichen Haut nicht überwinden können. Lediglich Wirkstoffe mit einer ausreichenden Lipophilie sind in der Lage, in die Hornschicht zu penetrieren beziehungsweise durch diese zu permeieren. Aus diesem Grund unternahmen Forscher erhebliche Anstrengungen, um die Struktur des SC sowohl auf morphologischer als auch molekularer Ebene zu erforschen. In den letzten Jahren wurden dabei äusserst interessante Resultate erzielt, die neue Einblicke in die Struktur der Hautbarriere sowohl auf morphologischer als auch auf molekularer Ebene erlauben. Diese Erkenntnisse können als Basis für neue Konzepte zur Beeinflussung der Wirkstoffpenetration in und durch die menschliche Haut dienen.
Wohlgeordnete Schichten
Das menschliche SC besteht in Abhängigkeit vom Körperareal aus 15 bis 20 abgestorbenen Zellschichten. Diese sind aus Corneozyten und interzellulären
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Lipiden aufgebaut. Um die Struktur des SC besser
verstehen zu können, entwickelte Peter Elias, San
Francisco, das «Ziegelstein-Mörtel»-Modell (1). Dabei
stellen die toten Hornzellen, die mit dem Stützpro-
tein Keratin gefüllt sind, die «Ziegelsteine» und die
interzellulären Lipide den «Mörtel» dar (Abbildung 1).
Die interzellulären Lipide bestehen aus drei
Hauptfraktionen: Ceramide (etwa 30%), freie Fett-
säuren (etwa 30%) sowie Cholesterol und dessen
Derivate (auch etwa 30%). Dabei kommt die Sphin-
golipidfraktion der Ceramide, die nach ihrer Lipo-
philie in neun Untergruppen eingeteilt wird, in
dieser Menge und in dieser komplexen Zusammen-
setzung nur im SC vor. Bisher wurde angenommen,
dass die langkettigen Ceramidfraktionen für die Stabilität der SC-Lipiddoppelschichten besonders
Abbildung 2: In der Literatur beschriebene Penetrationswege durch das SC; 1: interzellulärer Weg, 2: transzellulärer Weg
wichtig sind, da hier eine ω-Hydroxy-Fettsäure im
Ceramidgrundkörper mit Linolsäure verestert ist.
Dadurch entsteht eine C36-Seitenkette, die bis in die Auch kann es weder etwas über die Kohäsion der
nächste Lipiddoppelschicht hineinragt. Daher spricht Schichten zueinander noch über die Dynamik und
man auch von der «Nagelfunktion» der Ceramide. den Stoffaustausch aussagen. Daher war es notwen-
Phospholipide, die die Hautbestandteile der Bio- dig, diese bedeutende Hautstruktur mit modernen
membranen im menschlichen Körper darstellen, mikroskopischen Verfahren naturnah zu untersu-
spielen im SC dagegen keine Rolle (2).
chen und den Kontext der einzelnen Komponenten
im natürlichen Zusammenhang zu erfassen. Diese
Studien wurden vor allem mit modernen Tief
temperatur-Elektronenmikroskopie-Verfahren und
anderen Strukturforschungsverfahren in verschie-
denen Laboren in den USA und Europa vorange
trieben. Jetzt muss das Ziegelstein-Mörtel-Modell
überdacht werden. Nach den neuen Resultaten
werden die Barrierefunktion und Stabilität des SC
auf vier Ebenen realisiert:
l durch hakenähnliche Strukturen der Corneo-
Abbildung 1: Etabliertes Ziegelstein-Mörtel-Modell des Stratum corneum (SC)
zyten l durch die Corneodesmosomen l die Bilayer des SC
l die Tight Junctions (Schlussleisten).
Wichtig für die Barrierefunktion des SC ist der hohe
Ordnungsgrad der interzellulären Lipide, die den «Mörtel» bilden. Die SC-Lipide bilden Doppel-
Was das SC zusammenhält
schichtstrukturen (Bilayer) aus, die zwischen 4 bis Der Fortschritt der elektronenmikroskopischen
5 nm dick sind (3). Eine zweite Bilayerstruktur mit Techniken (5) führte zu völlig neuen Einsichten in
einer Dicke von etwa 13 nm, die von den langket- die Morphologie der Hornschicht. Weiterführende
tigen Ceramiden, zum Beispiel Cer (EOS) und Arbeiten zeigen eindrucksvoll, dass «hakenähnliche»
Cer (EOP) (E = Ester der Linolsäure über eine Strukturen der Corneozyten erheblich zur mechani-
O = w-Hydroxy-Fettsäure verestert, mit einem schen Stabilität und damit zur Barrierefunktion bei-
S = Sphingosin- oder P = Phytosphingosingrund tragen (Abbildung 3).
körper), gebildet werden soll, wird derzeit in der Die zweite Voraussetzung für die mechanische Sta-
Literatur diskutiert (4). Über diese Bilayer können bilität ist die Existenz von punktförmigen molekula-
Wirkstoffe in und durch das SC diffundieren und ren Verbindungsstellen von Zelle zu Zelle. Diese
penetrieren (Abbildung 2).
Zell-Zell-Verbindungen werden noch in den leben-
Das Ziegelstein-Mörtel-Modell erklärt jedoch nicht, den Hautschichten gebildet und dienen der Auf-
warum das SC äusserst widerstandsfähig gegen rechterhaltung und Gestaltung des Zellgewebever22 mechanischen Stress und inneren Gewebedruck ist. bands. Beim Übergang von der lebenden (Stratum
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Abbildung 3 (links): Haken- und klammerähnliche Strukturen der Corneozyten im Stratum corneum 3 A: Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme der äusseren Schichten des SC mit Corneodesmosomen (Pfeile) 3 B: Rasterelektronenmikroskopische Draufsicht auf einen Corneozyten im mittleren SC mit klammerartigem Haken
Abbildung 4 (rechts): Querbruch durch das SC und das Stratum granulosum (SGr) 4 A: Übersicht 4 B: Desmosomenverteilung im oberen SC (D: Desmosomen) 4 C: Desmosomenverteilung im unteren SC (Pfeil: Draufsicht auf klammerartige Struktur) 4 D: Tight Junctions (Schlussleisten) im Übergangsbereich der lebendigen Epidermis zum SC
granulosum, Abbildungen 4 A und 5 A) zur toten Hautschicht (Stratum corneum, Abbildungen 4 B bis D und 5 F bis K) werden diese makromolekularen Verbindungsstellen nicht abgebaut, sondern mit weiteren Proteinen ergänzt und stabilisiert. Diese Corneodesmosomen bestehen aus einem dichten Rasen von Transmembranproteinen (Tabelle 1), die im Interzellulärraum ineinandergreifen und so die Corneozyten miteinander «vernieten» (Abbildungen 5 C bis E). Diese «Nieten» tragen wesentlich zur Kohäsion der Corneozyten bei, sind aber nicht das mechanisch stärkste Element. Im Durchschnitt findet man ein Corneodesmosom pro Quadratmikrometer, das heisst, es existieren etwa 400 bis 600 Corneodesmosomen pro Corneozyt und Seite. Abbildung 5 B zeigt Oberflächen von ganzen Corneozyten mit punktförmiger Textur. Die Corneozyten können dadurch ein komplexes und dichtes Netzwerk ausbilden. In diesem intercorneozytären Netzwerk sorgen auf der zellulären Ebene hakenähnliche Corneozytenstrukturen (zwischen benachbarten Corneozyten, Abbildung 3 und 5 C bis E) zusammen mit den Corneodesmosomen für die erforderliche mechanische Stabilität; erst
Abbildung 5: Querbrüche (A bis E) und Querschnitte (F bis K) durch die Hautbarriere und ihre Verbindungselemente 5 A: Querbruch vom SGr bis in die sechste Schicht des SC (SC1 bis SC6) 5 B: Aufsicht auf die Unterseite von Corneozyten der unteren SC-Schicht 5 C bis E: Effekte von überschüssigem Wasser, das sich interzellulär linsenförmig einlagert, was die Barrierestruktur auseinandersprengt 5 F bis K: TEM-Bilder von Querschnitten durch Desmosomen (F, G) und Corneodesmosomen (H bis K) zeigen deutlich, dass in allen Schichten des SC noch verbindende filamentöse Strukturen vorhanden sind.
dadurch schaffen sie ein stabiles Strukturgerüst und
somit den Raum für die Anordnung der hoch geord-
neten interzellulären Lipidschichten.
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Tabelle 1:
Proteine der Desmosomen und Tight Junctions
Strukturen im SC
assoziierte Filamente
Transmembranäre Glycoproteine
Desmosomen
intermediäre Filamente
(Keratinfilamente)
Corneodesmosomen
Desmogleine 1–3 Desmocoline 1–3 Corneodesmosin
Tight Junctions
Mikrofilamente (F-Aktin) Occludin
occludens 1–3
(Schlussleisten)
Claudine 1–15
Plaqueproteine
Plakoglobin Desmoplakin VII Plakophiline 1–3
Plaqueprotein Zonula
Symplekin Cingulin
Bei übermässiger Wasseraufnahme lagert sich das l kalorimetrische Methoden wie DSC (Differential
Wasser linsenförmig zwischen die Corneozyten
Scanning Calorimetry, RN),
(Abbildung 5 D und E) und sprengt zunächst die l spektroskopische Methoden wie FT-(fouriertrans
Ebenen der Corneozyten, die mit Corneodesmoso-
formierte, RN-)Raman- und FT-IR-(Infrarot, RN-)
men belegt sind, auseinander, bevor die hakenähnli-
Spektroskopie und
chen Verzahnungen reissen (Abbildung 5 C, Pfeile l Röntgenstreuung.
stabile Verzahnungen, Pfeilköpfe gerissene Verzah-
nung). Der Abbau der Corneodesmosomen spielt Die Technik der Neutronendiffraktion, kombiniert
bei der Desquamation eine ausserordentliche Rolle. mit innovativen Präparationsmethoden, stellt einen
Störungen im Auf- und Abbau der Corneodesmoso- neuen Ansatz zur intensiven Untersuchung der
men führen zu Krankheiten wie palmoplantarer molekularen Struktur der SC-Lipide dar. In enger
Keratodermie und hypohidrotischer ektodermaler Kooperation nutzten Physiker vom Kernforschungs-
Dysplasie (Tabelle 2).
institut in Dubna, Russland, und Pharmazeuten aus
Vor Kurzem wurde eine Barrierestruktur in huma- Halle diese Techniken. Die Arbeiten erfolgten an
ner adulter Haut entdeckt und beschrieben, die SC-Lipidgemischen, die zunächst aus Ceramid AP,
zuvor nur in embryonaler Haut bekannt war (6). Cholesterol, Cholesterolsulfat und Palmitinsäure
Diese wird aus Tight Junctions (Schlussleisten zwi- bestanden. Aus den Lipiden wurden Bilayer auf
schen den Zellen) am Übergang von der lebenden einer Quarzoberfläche präpariert und diese dann
zur toten Hautschicht gebildet (Abbildung 4 D). Der- mithilfe der Neutronendiffraktion hinsichtlich ihrer
zeit wird vermutet, dass diese zusätzliche Barriere molekularen Architektur charakterisiert (7).
sowohl als molekularer Filter für grosse Moleküle Erstmalig konnten so die molekularen Dimensionen
als auch als Strukturelement zur Polarisierung der sowohl der hydrophilen und der lipophilen Struktu-
Zellen dient. Diese entsteht durch unterschiedliche ren der SC-Bilayer als auch die Dicke der Wasser-
Zusammensetzung und somit durch Organisation schicht zwischen den Kopfgruppen der Bilayer
der Membranen der Stratum-granulosum-Zellen an bestimmt werden. Dabei zeigte sich, dass die Dicke
den Stellen der Oberfläche, an denen die Schluss- der unpolaren Region 2,8 nm und die der polaren
leisten zu finden sind, im Vergleich zum Rest der Region 1,92 nm beträgt (Abbildung 6). Demg egenüber
Zelle. Die Polarisierung begünstigt den Export der ist die Wasserschicht lediglich 0,16 nm dick. Dies
Hautlipide in den interzellulären Raum nach aussen bedeutet, dass sich im Interzellulärraum des SC sehr
hin zum Stratum corneum und verhindert, dass die wenig Wasser (weniger als eine Monolage) befindet
Hautlipide nach innen abgegeben werden.
und somit auch wenig Raum und Wasser für die Dif-
fusion hydrophiler Arzneistoffe zur Verfügung steht.
Molekulare Dimensionen
Diese Resultate legen das Fundament, um sowohl den Einfluss der einzelnen Lipidfraktionen als auch
Bisher untersuchte man die Struktur der SC-Lipide, von Substanzen zu untersuchen, die die Lipid
also des «Mörtels», mit verschiedenen Standard- packung und somit die Penetration gezielt beeinflus-
24 methoden. Eingesetzt wurden
sen (Penetrationsmodulatoren).
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Tabelle 2:
Hautkrankheiten mit Störungen der Hautbarriere und deren Penetration
Krankheit
Vererbungs- Gen modus
Genfunktion
Phänotyp
Bullös
AD Keratin 1 und 10
ichthyosiform
Intermediär Filament
Dicke Hautschuppen, Rötung, epidermolytische Hyperkeratose
Hypohidrotic
AD Plakophilin 1
Struktur-
Ectodermal
vernetzung
Dysplasia
Erythroderma, fragile Haut, gestörtes Schwitzen, Haar- und Nagelabnormitäten
Gaucher Typ 4
AR
Beta- Glucocerebrosidase
trockene, rauhe, schuppige Haut
Ichthyosis lamellar AR
Transglutaminase 1 Strukturvernetzung
verdicktes Stratum Corneum, trockene, rauhe Haut, Hautschuppen (gesamter Körper)
Ichthyosis X-linked XLR
Arylsulfatase C
Steroidsulfatase
verdicktes Stratum corneum, trockene rauhe Haut, Hautschuppen (Extremitäten)
Morbus Crohn
NOD2/CARD15
Glucose-6-phosphat
Barrierestörung
Barrieredysfunktion, TJ-Störungen
(Darm und Epithelien
allg.) Lipidmetabolismus
Naxos Disease
AD
Junctional Plakoglobin Zell-Zell-Kontakt
Desmoplakin
Intermediär
Keratin 9
Filament
wollige Haare Kardiomyopathie
Striate PPK 1
AD Desmoglein-1
Zell-Zell-Kontakt Palmoplantar Keratoderma
Striate PPK 2
AD Desmoplakin
Zell-Zell-Kontakt Palmoplantar Keratoderma
AD = autosomal dominant, AR = autosomal rezessiv, XLR = X-linked rezessiv
Laufende Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Einfluss der langkettigen lipophilen Ceramide (EOS) und (EOP) sowie des hydrophilsten Ceramides (Cer [AP]) auf die Struktur der SC-Lipiddoppelschichten. Zudem wird der Einfluss der Kettenlänge der freien Fettsäuren auf die Struktur der Bilayer untersucht, da neuere Arbeiten zeigen, dass die C24-Fettsäure (Lignocerinsäure) sowie die C22- und die C26-Fettsäuren die Hauptbestandteile dieser SC-Lipidfraktion darstellen. Es wurde ein neues Strukturmodell der SC-Doppelschichten entwickelt, das sogenannte Armature Reinforcement Model (Ankerverstärkungsmodell), das davon ausgeht, dass das hydrophilste Ceramid (Cer [AP]) für die Festigkeit der SC-Doppelschichten verantwortlich ist. Aufgrund seiner vier OH-Gruppen ist das Ceramid [AP] in der Lage, über Wasserstoffbrücken durch die Bildung der Hairpin-Struktur («Anker»Struktur) die SC-Doppelschichten zu stabilisieren.
Cer [AP] zwingt dadurch die anderen Lipide, auch die langkettigen Ceramide [EOS] und [EOP], in eine Doppelschicht mit einer Dicke von rund 4,5 nm (siehe Abbildung 8). Das langkettige Ceramid [EOS] ragt dabei mit der langen Lipidkette in die nächste Doppelschicht hinein (12). Offen bleibt weiterhin die in der Literatur aufgeworfene Frage, ob die 13-nm-Struktur der SC-Bilayer bei Anwesenheit des Ceramids [EOS] tatsächlich auftritt oder ob es sich nur um ein Artefakt handelt, das während der Präparation entsteht.
Wege durch die Hornschicht
Allgemein gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Wirkstoffe interzellulär in und durch das menschliche SC penetrieren (Abbildung 2). Nach den neuen Erkenntnissen kann man jedoch drei Penetrationswege postulieren (Abbildung 7). Dabei
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Abbildung 6: Molekularer Aufbau der SC-Bilayer
Abbildung 7: Neubewertung der Penetrationswege durch das SC; 1: interzellulärer Weg bevorzugt für lipophile Stoffe, 2: transzellulärer Weg sehr unwahrscheinlich, 3: Neu corneodesmosomaler Weg für hydrophile Stoffe
CER[EOS]
CER[AP] HairpinStruktur
CHOL
tionsweg über die corneodesmosomalen Strukturen, die einzelne Corneozyten molekular miteinander verbinden, denkbar (hydrophile Route). Ebenso ist es möglich, dass lipophile Wirkstoffe die Hautbarriere durch laterale Diffusion entlang der lipophilen Kohlenwasserstoffketten der SC-Lipide überwinden können (interzelluläre, unpolare/lipophile Route) (siehe auch Abbildung 6). Nur Wirkstoffmoleküle mit ausreichender Lipophilie, zum Beispiel Glukokortikoide, können erfolgreich für die dermale Therapie eingesetzt werden. Wirkstoffe wie die organischen Nitrate und Estradiol können ebenfalls effizient für die transdermale Therapie genutzt werden. Extrem lipophile Stoffe wie Betamethasonvalerat und Dithranol kumulieren in den lipophilen Bilayern des Stratum corneum und bilden hier ein Depot, was bei der Anwendung beachtet werden muss. Durch die Arbeiten zur molekularen Struktur der SC-Lipide konnte die polare/hydrophile Route nachgewiesen werden, deren Existenz in der Literatur bisher noch kontrovers diskutiert wird. Vermutlich sind jedoch nur kleine hydrophile Moleküle wie Harnstoff oder Propylenglykol in der Lage, über die polare Route zu diffundieren. Der sehr geringe Wassergehalt in der Lipidbarriere im mittleren Teil des SC könnte auch die dortige reduzierte Proteaseaktivität erklären. Erst in den obersten Schichten des SC können diese Enzyme aktiv werden, wenn der Wassergehalt über die Atmosphäre wieder zunimmt. Die Desquamation durch tryptische und chymotryptische Proteasen kann daher erst in den obersten Schichten stattfinden. In der Literatur gibt es Hinweise, dass den transglandulären Penetrationswegen über die Hautanhangsgebilde (Haarschäfte und Drüsenausführgänge) weit grössere Bedeutung zukommt als bisher angenommen (8). Dies eröffnet ein neues interessantes Forschungsfeld.
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Enhancer für die apolare Route
Da natürlicherweise lediglich Wirkstoffe mit ausrei-
chender Lipophilie durch das SC penetrieren kön-
nen, wird seit vielen Jahren nach Möglichkeiten
gesucht, die Arzneistoffaufnahme zu verbessern
Abbildung 8: Struktur des Ceramid [AP] und des Ceramid [EOS] in Stratum-corneum-Modelldoppelschichten
oder überhaupt erst zu ermöglichen. Dies gilt sowohl für die dermale als auch für die transdermale Therapie. Die meisten der in Tabelle 3 aufge-
führten Methoden befinden sich noch im Stadium
ist der transzelluläre Weg sehr unwahrscheinlich, da der Forschung und müssen kritisch bewertet wer-
die Substanzen abwechselnd durch lipophile und den, zum Beispiel der Einsatz von Mikronadeln als
hydrophile Schichten penetrieren oder diffundieren Array und der Radiowellen. Diese Methoden erzeu-
müssten. In Betracht der hohen Zahl an Corneo- gen «Löcher» im μm-Bereich, die erst nach 20 bis 26 desmosomen pro Corneozyt ist aber ein Penetra- 30 Stunden verheilen.
Tabelle 3:
Möglichkeiten zur Penetrationsverbesserung durch das Stratum corneum
Beeinflussung der Penetration Therapeutische Nutzung: dermal transdermal
Enhancer
✘ ✘
galenische Vehikelsysteme (Mikroemulsionen)
✘
mit Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Partikel
(«piece gun») (14)
✘
Iontophorese und andere elektrochemische Methoden
Radiowellen
Ultraschall
Mikronadeln als Array
In der Forschung
✘ ✘ ✘
✘ ✘ ✘ ✘
in der Regel durch eine Fluidisierung
Tabelle 4:
Penetrationsenhancer
der SC-Lipide (Tabelle 4). Hierzu gehört eine Reihe von pharmazeutischen Hilfsstoffen wie Ölsäure und die flüssi-
Enhancer Ölsäure Terpene
Penetrationsverbesserung via polare Route apolare Route
✘ ✘
gen synthetischen Wachse, die seit Langem in der Dermatopharmazie eingesetzt werden. Die Ölsäure fluidisiert die SC-Lipidbilayer und erhöht somit die Penetration von Wirkstoffen über
Glycolipide
✘
die unpolare Route. Andere Substan-
mittelkettige Triglyceride
synthetische Wachse (Isopropylmyristat)
verzweigtkettige Fettalkohole (Eutanol G)
Harnstoff
✘
✘
✘ ✘
✘
zen wie das Azon, das noch nicht in kommerziellen Zubereitungen verwendet wurde, können aufgrund ihrer chemischen Struktur sowohl die Penetration über die lipophile als auch die Diffusion über die hydrophile Route beeinflussen. Das trifft auch auf Dime-
Propylenglycol
✘
thylsulfoxid zu, das jedoch in höheren
Azon Dimethylsulfoxid Taurin
✘ ✘ ✘ ✘ ✘
Konzentrationen wegen seiner guten Lösungseigenschaften zur Aufhebung der Barrierefunktion durch Mazeration der SC-Lipide führt.
1,2 Pentylenglycol ✘ (✘)
Die grosse Herausforderung besteht in
der Entwicklung von Enhancermole-
külen für die polare Route, weil bisher
nur sehr wenige kleine Moleküle durch
Dagegen werden in der topischen Therapie seit vie- die polaren Strukturen des SC diffundieren können.
len Jahren erfolgreich Substanzen verwendet, die die Solche Penetrationsförderer könnten es ermögli-
Penetration von Wirkstoffen verbessern (10). Wie chen, auch Problemarzneistoffe wie pharmakolo-
effektiv diese Penetrationsenhancer sind, hängt ent- gisch effektive Peptide, die bisher nur parenteral
scheidend von ihren physikochemischen Eigen- verabreicht werden können, oder Nukleinsäuren
schaften ab. Diese bestimmen, über welchen Penet- (unter dem Aspekt der Gentherapie) im Sinne eines
rationsweg die Wirkstoffe durch das SC gelangen, Dermal oder Transdermal Drug Delivery thera-
über die polare oder die apolare Route.
peutisch einzusetzen. Eine Alternative könnten das
Die meisten der bisher eingesetzten Enhancermole- Taurin und das 1,2-Pentylenglycol darstellen. Taurin,
küle beeinflussen den lipophilen Penetrationsweg, ein wichtiger Osmoregulator des Körpers, kann
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Wassermoleküle binden und wird über einen effi- Ciclosporin A). Damit solche Systeme künftig breit
zienten Carrier in den Keratinozyten aufgenommen. in Dermopharmazie und Kosmetik eingesetzt wer-
Das 1,2-Pentylenglycol ist lipophiler als das 1,2-Pro- den können, muss es gelingen, den Tensidgehalt
pylenglycol, das seit Langem in der Dermatophar- zu minimieren (unter 20%) sowie milde, hautfreund-
mazie und Kosmetik eingesetzt wird. Es ist ein sehr liche Tensidsysteme für ME zu entwickeln.
l
gutes Kosolvens und verbessert die Penetration sehr
hydrophiler Wirkmoleküle.
Korrespondenzadresse:
Dr. Roger Wepf
Die Penetration verzögern
Elektronenmikroskopie-Zentrum ETH Zürich (EMEZ) Wolfgang-Pauli-Strasse 14
Erstaunlicherweise haben Penetrationsretarder oder CH-8093 Zürich
-reducer bisher sehr wenig Beachtung gefunden. E-Mail: roger.wepf@emez.ethz.ch
Darunter versteht man Substanzen, die die Penetra- Internet: www.emez.ethz.ch
tion von Stoffen durch die Haut herabsetzen oder
verhindern. Dies soll durch Verstärkung der Barrie- Professor Dr. Dr. Reinhard H. H. Neubert
refunktion des SC erreicht werden und wäre in der Martin-Luther-Universität
Kosmetik ausserordentlich wichtig, zum Beispiel Institut für Pharmazie
beim Einsatz von chemischen Lichtschutzfiltersub Wolfgang-Langenbeck-Strasse 4
stanzen, deren Eindringen in die Haut verhindert D-06120 Halle/Saale
oder reduziert werden könnte. Weiterhin wären E-Mail: reinhard.neubert@pharmazie.uni-halle.de
Penetrationsreducer auch für die Behandlung von
Krankheiten wie Psoriasis, bei denen die Barrierefunktion des SC beeinträchtigt ist, von unschätz barem Wert.
Literatur
1. Elias, P. M., Friends, D. S.: The permeability barriere in mammalian epidermis, J Cell Biol 1975; 20: 1–19.
Mit dem Ziel, die Barrierefunktion der Hornschicht zu verbessern, werden in der Kosmetik und Hautpflege natürliche und synthetische Ceramide ein-
2. Neubert, R. H. H., Wohlrab, W. A., Marsch, W. A., Dermatopharmazie Wiss Verlagsges GmbH, Stuttgart 2001.
3. Forslind, B.: A domain mosaic model of the skin barrier, Acta Derm Venerol (Stockholm) 1984; 74: 1–6.
gesetzt. Unklar ist jedoch, ob die topisch aufgetragenen Ceramide überhaupt in das SC penetrieren, da es sich um sehr rigide Lipide handelt. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass kolloidale Vehikelsysteme wie Mikroemulsionen (ME) exzellente galenische Carrier sind, um Wirkstoffe durch die Haut zu transportieren (11). Mikroemulsionen sind optisch isotrop, durch eine sehr geringe Grenzflächenspannung thermodynamisch stabil und hoch dynamisch. Sie bestehen aus einem Tensid, einem Cotensid, einer Öl- und einer Wasserphase. Die Radien der kolloidalen Phase liegen zwischen 10
4. Schwartzendruber, C., et al.: Osmium tetroxide and ruthenium tetroxide are complementary reagents for the preparation of epidermal samples for transmission electron microscopy, J Invest Dermatol 1995; 104: 417–420.
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und 50 nm. ME-Systeme sind von O/W bis W/O variierbar. Durch das Tensidsystem kann man bestimmen, ob eine wässrige (hydrophile) Phase (W/O-ME) oder eine ölige (lipophile) Phase (O/WME) kolloidal vorliegt. Es hat sich gezeigt, dass die O/W-ME bei dermaler Anwendung die Penetration eines eingearbeiteten Arzneistoffs enorm fördert (11). Dieser sollte sich in der öligen kolloidalen Phase befinden. Die W/O-Mikroemulsionen, in deren wässriger kolloidaler Phase Peptide und Nukleinsäuren inkorporiert werden können, befin-
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den sich noch im Stadium der Forschung.
Diese Vehikelsysteme werden bisher lediglich punk-
tuell eingesetzt, zum Beispiel in der Hautpflege (mit Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 17/2007 der «Pharma-
Zinkpyrion), in der Dermopharmazie (mit Clotrima- zeutischen Zeitschrift» und wurde aktualisiert. Die Übernahme erfolgt 28 zol) und in der Medizin (orale Anwendung von mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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