Transkript
Editorial
Genforschung in der Allergologie und Dermatologie
Gisela Stauber
Neue Technologien polarisieren oft. Anhänger mit vorbehaltloser Begeisterung über den erreichten Fortschritt und Gegner mit übertriebener Angst vor unerwünschten Auswirkungen und Missbrauch schenken sich nichts in ihren Diskussionen, die nicht selten zu Glaubenskriegen werden. Ein Thema, das die Geister scheidet wie kaum ein anderes, ist die Untersuchung und Beeinflussung des Erbguts, mit dem sich die modernen Biowissenschaften in vielfältiger Weise befassen. Auch – oder gerade – die Medizin wird durch die Erkenntnisse im Bereich des Geschehens auf molekularer Ebene revolutioniert. Dank der grossen Fortschritte beispielsweise in der Diagnostik steht uns eine breite Palette möglicher Gentestanwendungen zur Verfügung, welche von der Diagnose von Krankheitserregern, genetischen Fingerabdrücken bis zur Pränataldiagnostik reichen. Laufend verbessert sich auch unser Wissen über genetische Merkmale, welche für die Entstehung und den Verlauf vieler Erkrankungen verantwortlich sind und massgeschneiderte Medikamente sollen erbliche Faktoren berücksichtigen, damit sie gezielter mit weniger Nebenwirkungen eingesetzt werden können. Wie die Diskussionen um gentechnisch veränderte Nahrungsmittel oder ethische Aspekte von prä- oder postnatalen Gentests sowie der Stammzellenforschung zeigen, ist die Angst vor Missbrauch und falschen Entwicklungen steter Begleiter erzielter Fortschritte. Hier sind Behörden und Bundesämter gefordert, ständig die notwendigen Gesetze und Richtlinien den neuen Entwicklungen anzupassen und die Öffentlichkeit zu informieren.
Die Ihnen vorliegende Ausgabe enthält eine Reihe von Artikeln, welche hoffentlich nicht zum Gegenstand solcher Polarisierungen werden. Wir berichten über Arbeiten und Erkenntnisse, die auf dem Verständnis des Zusammenspiels erblicher und nicht erblicher Faktoren bei Krankheiten basieren. Dieses bessere Verständnis ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer massgeschneiderten Therapie.
Die Wechselwirkung zwischen Umweltfaktoren und Genetik rückt auch in der Allergie- und Asthmaforschung ins Zentrum des Interesses. Für die Ausprägung des allergischen Phänotyps ist neben Umweltfaktoren die Genetik verantwortlich. In diesem Umfeld steht der Beitrag von Dr. med. Hans-Joachim Mansfeld, «Vom Asthmagen zum chronisch-obstruktiven Atemwegsleiden», der Optionen und Illusionen der Asthmaprävention beim atopischen Kind aufzeigt. Auch der zweiteilige Artikel von Prof. Dr. med. Brunello Wüthrich, «Atopisches Ekzem: Genetische Ursache oder umweltbedingt?» befasste sich im ersten Teil, in der Ausgabe 1/2008 von [medicos], mit dem Einfluss der Genetik. In der vorliegenden Ausgabe stehen die Umweltaspekte beim atopischen Ekzem im Vordergrund. Das Schwerpunktthema Allergie wird ergänzt durch ein Interview mit Frau Dr. med. Christiane Pichler zum Thema «Hausstaubmilbenallergie».
Das Geschehen auf zellmolekularer Ebene wurde auch im Vortrag «Pathogenese epithelialer Hauttumoren» von PD Dr. med. Werner Kempf beleuchtet. Die Inhalte werden hier in Form eines Artikels präsentiert. Dank der Fortschritte in Immunologie und Molekulargenetik haben wir heute ein besseres Verständnis von den Ursachen und der Entstehung von Hauttumoren. Auch stehen immer mehr «massgeschneiderte» Medikamente zur Verfügung, die gestützt auf die neuen Erkenntnisse aus der Pathogeneseforschung entwickelt wurden. Durch die kombinierte Auswertung der histopathologischen Untersuchungen und des genetischen Profils der Tumoren werden nicht nur Aussagen zur Diagnose, sondern auch zur Prognose und zu den therapeutischen Vorgehensweisen möglich.
Mit den Ausführungen «Sonnenschutz: Neue einheitliche Regelungen für die EU und die Schweiz» von Dr. Hans-Jürg Furrer wechseln wir in den regulativen Bereich und berichten über die Bemühungen um mehr Sicherheit und Transparenz bei Lichtschutzpräparaten.
Ich wünsche Ihnen eine spannende und lehrreiche Lektüre!
Gisela Stauber
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medicos 2/2008