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HAUT UND SONNE
Aktinische Keratose
Aktinische Keratosen entstehen durch chronische
Lichtschädigung und bilden sich bevorzugt in son-
nenexponierten Hautarealen. Bei etwa 10 Prozent
aller Patienten entwickelt sich daraus ein invasives
Plattenepithelkarzinom. Dies macht die Notwendig-
keit einer adäquaten Behandlung der aktinischen
Keratosen deutlich und verlangt nach einem wirk-
samen UV-Schutz als primäre Prophylaxe.
Bei einer aktinischen Keratose handelt es sich um ein In-situ-Plattenepithelkarzinom der Epidermis mit charakteristischen chromosomalen Aberrationen. Davon betroffen sind hauptsächlich ältere Patienten, wobei die Hauttypen I und II ein deutlich erhöhtes Risiko haben. Die Inzidenz liegt bei 250/ 100 000 pro Jahr. Männer sind berufsbedingt, aber auch aufgrund ihres Verhaltens bei der Sonnenexposition sehr viel mehr betroffen als Frauen. Ein deutlich höheres Risiko haben immunsupprimierte Patienten.
Ätiologie
Aktinische Keratosen entstehen durch kumulative UV-Exposition bevorzugt an sonnenexponierten Hautarealen («Sonnenterrassen») wie Gesicht, Nacken, Hals, Unterarme und Handrücken sowie am Lippenrot. Sie können auch multipel auf grösseren Hautarealen wie Glatze oder Décolleté in verschiedenen
Entwicklungsstadien auftreten (Feldkanzerisierung). Sie werden vorwiegend durch UV-B-Strahlung (auch UV-A-Licht in Solarien, PUVA-Therapie) verursacht. Durch UV-Strahlung werden in der DNS und RNS Thymidin- und Pyrimidindimere induziert, welche zu Mutationen in den Keratinozyten (v.a. im P-53Signalweg) führen können. In letzter Konsequenz wird dadurch die Apoptosefähigkeit der Zelle negativ beeinflusst, und es kommt zu einer unkontrollierten Zellproliferation. Bei Immunsupprimierten spielen zusätzlich humane Papillomviren eine kokarzinogene Rolle. Man schätzt das Risiko, ein invasives Plattenepithelkarzinom zu bilden, bei Patienten mit einzelnen Läsionen auf etwa 10 Prozent und bei Patienten mit multiplen Läsionen auf zirka 10 bis 20 Prozent, bei Immunsuppression sogar auf zirka 30 Prozent.
Klinik
Die aktinische Keratose manifestiert sich einzeln oder gehäuft als erythematöse, hautfarbene oder manchmal gelblich bis bräunlich gefärbte, schuppende Makula, Papel oder Plaque, die einen Durchmesser von einem Millimeter bis zu zwei Zentimeter erreichen kann. Es finden sich atrophische sowie hyperkeratotische, verruköse oder pigmentierte Formen bis hin zur Ausbildung eines Hauthorns (Cornu cutaneum). Meist zeigt auch die umliegende Haut weitere Merkmale der aktinischen Schädigung (Atrophie, Hypooder Hyperpigmentierung, Teleangiektasien, aktinische Elastose). Histologisch können aktinische Keratosen hypertroph, atroph, bowenoid, akantholytisch, pigmentiert oder lichenoid sein. Typisch sind eine basale Hyperzellularität, eine gestörte Keratinozytenreifung
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■ Chirurgische Exzision: Da es sich um ein Insitu-Karzinom handelt und auch im Hinblick auf Feldkanzerisierungen ist die einfache chirurgische Exzision selten die Therapie erster Wahl. Bei Verdacht auf ein Plattenepithelkarzinom (besonders bei Immunsupprimierten) ist eine Totalexzision hingegen die Therapie erster Wahl.
■ Kryotherapie: Damit können ohne Lokalanästhesie eine Vielzahl aktinischer Keratosen gleichzeitig behandelt werden. Selten kommt es zu Pigmentverschiebungen. Bei diagnostischen Unsicherheiten muss zuvor biopsiert werden.
■ CO2- und Erbium-YAG-Laser: Es sind gross-
flächige Behandlungen unter Lokalanästhesie mög-
Abbildung: Klinisches Bild aktinischer Keratosen im Glatzenbereich
lich. Im Gesicht treten selten Pigmentverschiebungen und ein persistierendes faziales Erythem
auf. Die Rezidivrate beträgt 10 bis 15 Prozent
und atypische Keratinozytenformen. Besonders bei
innerhalb von drei bis sechs Monaten. Diese
hyperkeratotischen Formen wechseln sich vertikal
Methode ist die Therapie der Wahl zur Behand-
Parakeratose und Orthokeratose ab.
lung der Cheilitis actinica.
In der Regel liegen multiple aktinische Keratosen
vor. Ihre Gesamtheit dient als Gradmesser des ■ Chemisches Peeling/Pharmakotherapie: Durch
UV-Schadens und damit auch des Risikos für die
Bestreichen mit zytotoxischen Substanzen wie Tri-
Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms. Etwa
chloressigsäure und 5-Fluorouracil wird die Epider-
80 Prozent dieser Hautkrebsform entsteht aus akti-
mis nekrotisch und reepithelisiert innert Tagen.
nischen Keratosen. Bei vereinzelten stark pigmen-
Diclofenac-Natrium (2 × täglich während 70 bis
tierten Varianten kann die Abgrenzung zu melano-
90 Tagen) weist eine Ansprechrate von 79 Prozent
zytären Läsionen sehr schwierig sein.
und eine Abheilrate von 40 bis 50 Prozent auf,
Differenzialdiagnostisch sind folgende maligne
mit gutem kosmetischem Ergebnis. Nebenwir-
Tumoren (nach Häufigkeit) klinisch zu unterschei-
kungen sind lokale Irritationen.
den: Plattenepithelkarzinom, Morbus Bowen, super-
Imiquimod (3 × wöchentlich über Nacht topisch
fizielles Basalzellkarzinom und Lentigo maligna,
appliziert) wirkt als Immunmodulator und führt
Keratoakanthom, extramammärer M. Paget. Auch
nach 16 Wochen bei 57 Prozent zu einer vollstän-
häufige benigne Läsionen sind in die Differenzial-
digen Abheilung. Nebenwirkungen sind Rötung,
diagnose einzubeziehen: (un)pigmentierte sebor-
Juckreiz, Schmerzen, Brennen, Erosion und Krus-
rhoische Keratosen, Lentigo solaris, aktinische Poro-
tenbildung. In einer randomisierten Vergleichs-
keratose, Verruca vulgaris, Tinea, Psoriasis vulgaris
und Lupus erythematodes.
Tabelle 1:
Therapie
Behandlungsmöglichkeiten in Abhängigkeit vom Ausdehnungsgrad (1)
Die Wahl der Methode ist jeweils abhängig vom klinischen Bild der aktinischen Keratosen, von der Lokalisation und Grösse der betroffenen Areale, vom Hautzustand sowie von der Compliance des Patienten beziehungsweise dessen Erfahrung und schliesslich von der technischen Ausstattung des
Exzision Kürettage Kryotherapie Diclofenac-Natrium
einzelne Läsionen ( < 10)
+ + + +
multiple Läsionen ( > 20)
(+) (+)
-
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Behandelnden. Nachfolgend sind die wichtigsten
Podophyllin
+-
Therapieverfahren erwähnt:
5-Fluorouracil
++
■ Kürettage: Die Abtragung erfolgt mittels scharfem Löffel oder Ringkürette. Das unfragmentierte Material ermöglicht eine histologische Diagnose-
Imiquimod Laser (CO2/Er-YAG) Photodynamische Therapie
+ + (+)
(+) + +
18 sicherung.
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Tabelle 2: Bewertung häufig eingesetzter Therapieverfahren (1)
Methode
Schmerzhaftigkeit
Exzision Kürettage Kryotherapie Diclofenac-Natrium 5-Fluorouracil Imiquimod Laser (CO2/Er-YAG) Photodynamische Therapie
gering gering gering gering stark stark gering stark
Zeitlicher Aufwand in der Praxis
30 min 15 min
5 min – – –
15 min 4h
Kosten
++ + + + + ++ ++ +++
Evidenzebenen der Studien (6)
3a 3a, 3b 3a, 3b, 2b
2b 3a, 3b, 2c
2b 3b 2b
Evidenzebene 2b: individuelle Kohortenstudien, einschliesslich randomisierte, kontrollierte Studien mit kurzen Nachbeobachtungszeiten, grossen Konfidenzintervallen Evidenzebene 2c: Studien mit statistisch signifikanten Unterschieden bezüglich der zu vergleichenden Therapien Evidenzebene 3a: systematische Übersichten von Fallkontrollstudien mit hoher Homogenität Evidenzebene 3b: nur eine individuelle Fallkontrollstudie (siehe 6)
studie zeigte Imiquimod das beste kosmetische Resultat sowie die tiefste Rezidivrate ein Jahr nach
Prävention
der Behandlung: 73 Prozent der mit Imiquimod Als primäre Prophylaxe sollte die lebenszeitliche
behandelten Läsionen zeigten kein Rezidiv, ge- Gesamt-UV-Dosis im Allgemeinen klein gehalten
genüber 54 Prozent der mit 5-Fluorouracil und werden. In diese Betrachtung einzuschliessen sind
28 Prozent der mit Kryochirurgie therapierten auch künstliche UV-Lichtquellen wie Solarien.
Läsionen.
Begleitend zur Therapie muss eine UV-Expositions-
prophylaxe instruiert. Ein möglichst vollständiger
■ Oberflächliche Röntgentherapie: Diese ist nur Sonnenschutz ist die einzige Möglichkeit, eine Pro-
in Ausnahmefällen bei grossen Läsionen und gression der Erkrankung zu verhindern. Unter kon-
alten Patienten indiziert. Unter Verwendung eines sequentem UV-Schutz können sich die aktinischen
Oberflächenapplikators ist die Methode für gross- Keratosen zurückbilden. Als Schutzmassnahmen
flächige Areale geeignet.
dienen Textilien (Hut, Langarmhemden), die mit
Sonnenschutzpräparaten mit hohen Lichtschutzfak-
■ Photodynamische Therapie: Der aufgetragene toren kombiniert werden können. Ideal ist ein Sun-
Photosensibilisator (z.B. methylierte 5-Aminolä- blocker. (Siehe dazu auch den Beitrag Fotoprotektion
vulinsäure) häuft sich selektiv in Tumorzellen an in dieser Ausgabe).
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und wird mittels sichtbaren Lichts zum Zellgift umgewandelt. Mit dieser gezielten Zerstörung
Regula Patscheider und Gisela Stauber
der Tumorzellen lassen sich relativ grosse Flächen im Gesicht behandeln. Lokalanästhesie ist je nach Schmerzempfindung des Patienten notwendig. Nach der Behandlung können kurzzeitig Gewebeschwellungen und Rötungen auftreten. Die gleiche Stelle kann beliebig oft bestrahlt werden, da sichtbares Licht verwendet wird. Kumulative Dosis-
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Abeck D., Plötz S.G.: Aktinische Keratose – Cremen und Rotlicht helfen bei
Hautkrebs, Pharmazeutische Zeitung, 2007; 27. 2. Krawtchenko N., Roewert-Huber J. et al.: A randomised study of topical 5% imiqui-
mod vs. topical 5-fluorouracil vs. cryosurgery in immunocompetent patients with actinic keratoses: a comparison of clinical and histological outcomes including 1year follow-up. Br J Dermatol 2007; 157 Suppl 2: 34-40.
effekte wie bei der Röntgentherapie entfallen. Nach
3. Le Boit P.E., Burg G., Weedon D., Sarasin A. (Eds.): World Health Organization
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einer ersten Behandlung heilen über 70 Prozent,
Classification of Tumors. Pathology and Genetics of Skin Tumors. IARC Press, Lyon 2006–01–12.
nach einer zweiten bis zu 90 Prozent der Läsionen
4. Salasche S.J.: Epidemiology of actinic keratoses and squamous cell carcinoma.
ab. Das kosmetische Ergebnis ist gut.
J Am Acad Dermatol 2000; 42 (1 Pt 2): 4–7. PMID: 10607349.
Tabelle 1 stellt sinnvolle Behandlungsoptionen in
5. Schärer L.: Aktinische Keratose, medicos 2006; 1: 7–11.
Abhängigkeit vom Ausdehnungsgrad dar. Tabelle 2
6. Stockfleth E., Schmook T. et al.: Aktinische Keratose, AWMF Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), AWMF-Reg.-Nr.: 013–041,
zeigt vergleichend für die einzelnen Therapieverfahren die Faktoren Schmerzhaftigkeit, Zeit- und
Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), Gesellschaft für Dermopharmazie (GD), Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP), Sept. 2004.
20 Kostenintensität sowie Evidenz.
7. Weedon D.: Skin Pathology, Second Edition. Chrurchill Livingstone 2002.