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HAUT UND SONNE
Aktuelles zum malignen Melanom
Interview mit Prof. Dr. med. Reinhard Dummer, Stv. Klinikdirektor, Leitender Arzt Dermatologische Klinik des UniversitätsSpitals Zürich
nung von Melanomen. Hier kann mit Sicherheit ge-
sagt werden, dass sich die durchschnittliche Tumor-
dicke pro Melanom verringert hat. Erschreckend
ist aber, dass trotzdem mehr Menschen am Mela-
nom sterben. Neue Untersuchungen aus Schottland
Prof. Dr. med. Reinhard Dummer
zeigen, dass vor allem die Sterblichkeit von älteren Männern zugenommen hat. Es sterben doppelt so
viele Melanompatienten in dieser Altersgruppe
wie vor zwanzig Jahren. Diese Bevölkerungsgruppe
Haben in der Schweiz die verstärkten Präventions- mit Präventionskampagnen zu erreichen, ist sehr
bemühungen der letzten Jahre bereits positive Aus- schwierig. Am Hautkrebstag 2007 zum Beispiel,
wirkungen? In welchen Bereichen besteht noch Hand- bei welchem 8000 Patienten kostenlos untersucht
lungsbedarf?
wurden, waren zwei Drittel Frauen und nur ein
Dummer: Zur Beurteilung der Auswirkungen Drittel Männer, dazu nur wenige im Alterssegment
von Präventionsmassnahmen muss zwischen denje- der 50- bis 64-Jährigen. Deshalb planen wir zu-
nigen der primären und der sekundären Prävention sammen mit der schweizerischen Krebsliga für
unterschieden werden. Bei der Primärprävention 2008 neu ein Internetportal zur Beurteilung von
steht die Begrenzung der Melanom-auslösenden Hautläsionen, das vor allem Männer erreichen soll.
Faktoren im Vordergrund, das
heisst, es geht um die Aufklärung der Bevölkerung über die schädlichen Auswirkungen von Sonnen-
Neue Untersuchungen aus Schottland zeigen, dass vor allem die Sterblichkeit von älteren Männern zugenommen hat.
licht auf die Haut. Da die Latenzzeit
zwischen übermässiger UV-Exposition der Haut, Die Idee besteht darin, dass Digitalfotos von Leber-
insbesondere Sonnenbrand in der Kindheit, und flecken, die mit einer guten Digitalkamera aufge-
dem Auftreten eines Melanoms 20 bis 30 Jahre nommen wurden, über eine Homepage an uns wei-
beträgt, kann in den nächsten 10 Jahren noch nicht tergeleitet werden können. Zusätzlich müssen
mit deutlich sinkenden Krebsraten gerechnet wer- einige Fragen beantwortet werden, zum Beispiel
den. Deswegen dürfen wir heute nicht enttäuscht zum maximalen Durchmesser der Läsion. So lernen
sein, wenn wir noch die gleiche Botschaft verbreiten die Betroffenen, Hautflecken besser zu beobachten.
müssen, dass die Zahl der Melanome immer noch Wir erhoffen uns von dieser Aktion einen Lernef-
anwächst.
fekt, der dieser Personengruppe auch später noch
Hingegen bestehen Fortschritte im Rahmen der zugute kommt, wenn die Präventionskampagne
8 Sekundärprävention, das heisst in der Früherken- vorbei ist.
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Eine mögliche, unverbindliche Antwort, die wir da auf dem Haarboden Melanome viel seltener
dem/der EinsenderIn zuschicken, könnte zum Bei- erkannt werden, besonders bei kräftigen und dun-
spiel wie folgt lauten: «Das Muttermal sieht harmlos klen Haaren. Maligne Melanome an der Kopfhaut
aus. Wenn es sich in den nächsten sechs Monaten sind meist schnell wachsend, werden sehr dick und
nicht verändert, insbesondere farblich oder bezüg- sind somit mit einer schlechten Prognose verbun-
lich Dicke und Grösse, kann man davon ausgehen, den. Es gibt also bezüglich Prävention noch sehr viel
dass es gutartig ist.» Damit versuchen wir, diejenigen zu tun.
Männer mittleren Alters anzusprechen, die mitten
im Berufsleben stehen und tagsüber bei Präven- Welche Rolle spielt der Hausarzt?
tionskampagnen nicht auf den öffentlichen Strassen
Dummer: Gerade um ältere Männer bei der
zu finden sind.
Früherkennung von malignen Melanomen zu er-
Leider gibt es aber immer noch zu viele dicke Mela- reichen, spielen Hausärzte eine wichtige Rolle.
nome. Wir wissen nicht genau, was die Ursache ist. Sie werden oft von dieser Bevölkerungsgruppe
Womöglich liegt es daran, dass Betroffene ihre Haut aufgesucht. Der Hausarzt sollte jede körperliche
einfach nicht gut genug anschauen oder es sich um Untersuchung wie Blutdruckmessung oder das
Abhören der Herztöne mit einer
Gerade um ältere Männer bei der Früherkennung von malignen Melanomen zu erreichen, spielen Hausärzte eine wichtige Rolle. Die Möglichkeit der Hautuntersuchung im Rahmen anderer Untersuchungen sollte viel mehr ausgeschöpft werden.
kurzen Inspektion der gesamten Haut verbinden und im Zweifelsfall einen Experten zurate ziehen. Diese Möglichkeit der Hautuntersuchung im Rahmen anderer Un-
tersuchungen sollte viel mehr aus-
schnell wachsende Tumore handelt. Oftmals sind geschöpft werden. Unsere Aufgabe ist es, mittels
solche Läsionen gar nicht gross, sondern wachsen Fortbildungen die diagnostische Treffsicherheit zu
gleich in die Tiefe. In diesem Fall haben Betroffene verbessern. Auf der einen Seite stellen wir fest, dass
gar nicht die Chance, die typischen Tumorzeichen es Hausärzte gibt, die sehr gut geschult sind und bei
wie die Grössenzunahme zu erkennen. Diese Pro- verdächtigen Läsionen schnell reagieren. Auf der
blematik zu vermitteln, ist nicht einfach. Wir müs- anderen Seite gibt es leider auch Ärzte, darunter
sen Patienten und Ärzte darauf aufmerksam Dermatologen, welche die Situation falsch einschät-
machen, dass die ABCD-Regel anzupassen ist. zen und so die Diagnose verzögern.
Früher bedeutete «A» Asymmetrie, «B» unregelmäs-
sige Begrenzung, «C» Farbe (Colour) und «D» Durch- Gibt es neue Erkenntnisse zur Pathogenese des mali-
messer über fünf Milimeter und «E» Erhabenheit gnen Melanoms?
beziehungsweise später dann Evolution. Heute wird
Dummer: Im Verständnis der Melanompatho-
nicht mehr der Durchmesser der Läsion betont, da genese sind in den letzten Jahren einige Fortschritte
dieser bei einigen Patienten zur falschen Sicherheit zu verzeichnen. Dank genetischer Untersuchungen
führt. «D» steht heute für Dynamik, und «E» wird können heute verschiedene Schädigungsmuster
nicht mehr verwendet. Eine sich verändernde der Erbsubstanz einzelnen Tumortypen zugeordnet
Läsion, auch wenn sie klein ist, sollte höchstens werden. Das maligne Melanom der Altershaut, das
während vier Wochen aufmerksam beobachtet wer- gemäss früherer klinischer Einteilung dem Lentigo-
den. Falls sie nicht verschwunden ist oder nicht sta- maligna-Melanom entspricht, zeigt charakteristische
bil bleibt, muss sehr schnell reagiert werden und Schädigungsmuster einer chronisch UV-exponier-
eine genaue Abklärung durch den Dermatologen ten Haut, vor allem im Kopf- und Halsbereich. Des
erfolgen. Auch kann man sich bei der Beurteilung Weiteren unterscheidet man ein malignes Melanom
nicht auf die Farbe verlassen, da es
sich bei etwa 5 Prozent der Tumore
Unsere Aufgabe ist es, mittels Fortbildungen
um kleine, amelanotische Mela-
die diagnostische Treffsicherheit der Ärzte zu verbessern.
nome handeln kann, die als röt-
liche Knötchen auftreten. Diese zu erkennen, der intermittierend UV-belasteten Haut, welches
stellt auch Ärzte vor Probleme. Diese Melanome meist am Körperstamm auftritt. Bei diesem sind
treten meist an Händen und Füssen auf und werden klare molekularbiologische Unterschiede zu den
häufig fälschlicherweise als Warzen behandelt, anderen Melanomarten festzustellen: Das häufigste
bei welchen keine Probebiopsie erfolgte. Darüber mutierte Onkogen ist hier das B-RAF-Gen. Weiter
möchten wir die Podologen vermehrt informieren. zu differenzieren sind maligne Melanome der Leis-
Als Weiteres sind Coiffeure besonders zu schulen, tenhaut (Handflächen und Fusssohlen) und der
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Des Weiteren zeigte eine grosse Studie der EORTC
(European Organisation for Research and Treat-
ment of Cancer) mit 1260 Patienten, dass lang-
fristige Interferontherapien, insbesondere mit pegy-
liertem Interferon, die Heilungsraten verbessern
und das Fernmetastasen-freie Überleben verlängern
können. Zumindest im frühen Stadium profitieren
Patienten mehr von einer langfristigen, niedrig
dosierten als von einer kurzfristigen hoch dosierten
Interferongabe. Zudem vertragen die betroffenen
Patienten die niedrig dosierte Gabe dank reduzierter
Abbildung: Amelanotisches Lentigo-maligna-Melanom
Nebenwirkungen besser. Wichtig ist es, im Patien-
tenkollektiv die Patienten richtig auszuwählen und
Melanomtyp der Schleimhäute (genital, Über- der adäquaten Therapie zuzuführen. So wirkt zum
gangsepithel am After oder der Nasennebenhöh- Beispiel die Interferontherapie besser bei Patienten
len), bei welchem UV-Licht überhaupt keine Rolle mit sogenannten ulzerierten Melanomen, die also
spielt. Die Hinweise verdichten sich, dass unter- geblutet haben und Krusten aufweisen, als bei nicht-
schiedliche genetische Schädigungen auch verschie- ulzerierten. An unserer Klinik stehen im adjuvanten
den behandelt werden müssen. Manches Medi- Bereich auch Impfstrategien mit Impfstoffen zur
kament, das wir abgeschrieben haben, gewinnt bei Verfügung, die das Immunsystem besonders anre-
einer Subgruppe von Melanomen wieder an Bedeu- gen. Das wird heute sehr effizient mit sogenannten
tung. Ein Beispiel hierzu ist Glivec, das bei chronisch virusähnlichen Teilchen (virus like particles VLP)
myeloischer Leukämie erfolgreich eingesetzt wird. erreicht, welche dem Körper vorgaukeln, dass eine
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass dieses Virusinfektion vorliege. Das Immunsystem wird
Präparat gerade bei den Schleimhautmelanomen durch die Impfung besser stimuliert als nur durch
Erfolg versprechend sein könnte. In den genetischen Melanomantigene alleine.
Veränderungsmustern dieser Melanome sind einige
Mutationen vorhanden, welche durch Glivec behan-
delt werden können.
Wir müssen Patienten und Ärzte darauf
aufmerksam machen, dass die ABCD-Regel
Gibt es neue Fortschritte bezüglich der Diagnose?
anzupassen ist. «D» steht heute für Dynamik
Dummer: Eine sehr interessante Entwicklung
und nicht mehr für Durchmesser.
ist die Kombination von auflichtmikroskopischer
und molekularbiologischer Diagnose. An unserer
Klinik arbeitet PD Dr. Ralph Braun an Projekten, Im Bereich des fortgeschrittenen Melanomstadiums
bei welchen für die Melanomdiagnose die compu- haben wir im Rahmen des Arbeitskreises für Krebs-
tergestützte Auflichtmikroskopie neu mit der Mole- krankheiten (SAKK) in diesen Tagen eine Phase-II-
kularbiologie kombiniert wird. Dabei werden mor- Studie begonnen, bei welcher eine milde Chemo-
phologische mit genetischen Mustern verglichen. therapie in Tablettenform (Temozolomid) mit
Für eine Untersuchung genügen bereits Hautschup- Bevacicumab (Avastin) kombiniert wird. Bei Letzte-
pen eines Melanoms.
rem handelt es sich um einen Antikörper, der die
Bildung von neuen Blutgefässen in der Umgebung
Welche Palette an Therapien steht heute in Ihrer Klinik von neuen Tumorzellen hemmt und bei vielen
zur Verfügung? Welche Fortschritte sind in den letzten anderen Tumoren, wie zum Beispiel beim Dick-
Jahren zu verzeichnen, und in welchen Bereichen darmkrebs, die Überlebensrate verbessert.
sehen Sie hoffnungsvolle, neue Behandlungsansätze?
Für die Immuntherapie stehen zwei Antikörper zur
Dummer: Bei uns an der Klinik steht die Verfügung, deren Wirksamkeit durch klinische Stu-
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gesamte Palette an Therapieoptionen, die heute dien belegt ist. Um das Immunsystem maximal zu
möglich sind, zur Verfügung.
stimulieren, können diese teilweise auch mit Impf-
Generell sind die chirurgischen Massnahmen stoffen kombiniert werden. Mehrere Firmen bieten
immer schonender geworden, was weniger Narben neue Kinaseinhibitoren an, welche sehr gezielt in
und reduzierte Sicherheitsabstände dank besserer die Signalübertragung von Krebszellen eingreifen
bildgebender und feinmikroskopischer Diagnostik können. Im Mai 2008 werden wir am grossen
bedeutet. Auch werden viel weniger grosse Opera- amerikanischen Krebskongress in Chicago unsere
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tionen im Lymphknotenbereich durchgeführt.
Zürcher Daten vorstellen.
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An welchen nationalen und internationalen Projekten ist die Dermatologische Klinik Zürich beteiligt?
Dummer: Unsere Klinik ist bei vielen Projekten internationaler Organisationen dabei. PD Ralph Braun ist an Netzwerken zur Frühdiagnose beteiligt. Von grosser Bedeutung ist die EORTC, in welcher, wie schon erwähnt, Daten zur Interferontherapie erarbeitet wurden. Zu dieser Studie hat unsere Klinik wesentlich beigetragen. Im deutschsprachigen Bereich arbeiten wir mit der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) und auf europäischer Ebene mit der European Association for Dermato-Oncology (EADO) zusammen. Wir sind sehr stolz, dass wir international hervorragende Arbeitsgruppen hier in Zürich für die Melanomforschung interessieren konnten. Dank der Universität und der ETH sind in Zürich sehr renommierte Grundlagenwissenschaftler tätig. Mit einigen besteht im experimentellen Bereich eine Zusammenarbeit in der Melanomforschung. Ein Projekt verfolgen wir zum Beispiel gemeinsam mit Prof.
Dr. Michael Detmar aus der Pharmacogenomics der
ETH. Mit Prof. Dr. Sabine Werner arbeiten wir im
Bereich der Wundheilung zusammen, denn «Krebs
ist eine Wunde, die nie heilt». Innerhalb der Univer-
sität besteht eine Zusammenarbeit mit PD Dr. Silvio
Hemmi im Bereich der Molekular- und Zellbiologie,
speziell in der Entwicklung onkolytischer Viren für
Melanome und kutane T-Lymphome. Interessant ist
auch ein Projekt mit Prof. Dr. Lukas Sommer, der
sich intensiv mit der Entwicklung der Neuralleiste
beschäftigt. Er ist ein Experte für Neuralleisten-
Stammzellen, von welchen die Melanome der Haut
stammen. Für dieses gemeinsame Projekt haben wir
eine finanzielle Unterstützung der Onkosuisse im
Umfang von 1,2 Millionen Franken erhalten und
hoffen, dass sich die Ergebnisse auch im therapeuti-
schen Bereich umsetzen lassen.
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Die Redaktion dankt Herrn Prof. Dr. Reinhard Dummer für das interessante Gespräch.
3. Nationaler Hautkrebstag: 5. Mai 2008
Am Montag, 5. Mai 2008, findet der dritte Nationale Hautkrebstag statt. Wie in den Vorjahren bieten Hautärzte und Hautärztinnen der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie an diesem Tag kostenlose Erstuntersuchungen von auffälligen Pigmentmalen an. Diese Dienstleistung wird von der Krebsliga Schweiz organisiert und vom Bundesamt für Gesundheit und von pharmaSuisse unterstützt.
Bereits ab Montag, 7. April 2008, kann in rund 500 geschulten Mitgliedapotheken von pharmaSuisse ein Fragebogen zur Ermittlung des Hautkrebsrisikos ausgefüllt werden. Apothekerinnen und Apotheker beraten interessierte Kunden persönlich, motivieren zur regelmässigen Selbstuntersuchung der Haut und empfehlen, verdächtige Pigmentmale im Rahmen des Hautkrebstages untersuchen zu lassen.
Am Montag, 5. Mai 2008, untersuchen Dermatologinnen und Dermatologen in Praxen und Spitälern der ganzen Schweiz kostenlos auffällige Pigmentmale. Pigmentmale, die schnell wachsen, Farbe, Form oder Grösse verändern oder gar bluten und jucken, können anonym einem Facharzt gezeigt werden.
Der Risikofragebogen und die Liste der beteiligten Hautärzte und Apotheken sind ab April im Internet (www.hautkrebstag.ch) abrufbar. Informationen erteilt auch das Krebstelefon unter 0800 11 88 11.
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