Transkript
CHIRURGIE
Die mikrografisch kontrollierte Chirurgie
von Monika Hess Schmid und Werner Kempf
Die mikrografische Chirurgie stellt heute ein
wichtiges therapeutisches Verfahren in der
Behandlung von Hauttumoren dar. Mit dieser
gewebesparenden und kosteneffizienten Me-
thode können szirrhös wachsende und rezidi-
vierende Basalzellkarzinome oder schlecht
differenzierte Plattenepithelkarzinome behandelt werden. Eine gute interdisziplinäre
Abbildung 1: Randstreifenmethode (Tübinger Torte)
Zusammenarbeit zwischen Chirurg und Histo- Karzinom ein schlechter Differenzierungsgrad nachwei-
sen. In diesen Fällen stellt die mikrografisch kontrollierte
pathologe ist sehr wichtig.
Chirurgie die Therapie der Wahl dar.
In den Vierzigerjahren beschrieb Frederic Mohs zum
D ie Inzidenz epithelialer Tumoren ist aufgrund des geänderten Freizeitverhaltens mit höherer UVLichtbelastung und dem stetig zunehmenden
ersten Mal die Technik der In-vivo-Gewebefixierung. Durch Einführung der Frischgewebetechnik in den Fünfzigerjahren entwickelte er diese Methode weiter. Erst in den Siebzigerjahren gewann die mikrografische Chirurgie an Be-
Anteil älterer Menschen steil angestiegen. In der Behand- deutung. In Europa wurde die Methode von Günter Burg
lung dieser Tumoren stehen verschiedene konservative eingeführt.
Alternativen (Kryotherapie, fotodynamische Therapie, Ra-
Die Hauptindikationen sind das szirrhöse, das rezi-
diotherapie, topisches Imiquimod) sowie die chirurgische divierende Basalzellkarzinom sowie Basalzellkarzinome in
Sanierung zur Verfügung. Ungefähr 20 Prozent aller chirurgisch anspruchsvollen Lokalisationen wie zum Bei-
epithelialen Hauttumoren sind jedoch klinisch schlecht spiel der Augen-, Nasen- und Lippenregion. Beim spino-
abgrenzbar. Das heisst, histologisch lässt sich beim Basa- zellulären Karzinom sind vor allem das entdifferenzierte
liom (Basalzellkarzinom) ein szirrhöses Wachstum mit Aus- und das rezidivierende spinozelluläre Karzinom hervorzu-
18 läufern in einem fibrösen Stroma oder beim spinozellulären heben. Weitere Indikationen sind eine perineurale Infiltra-
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Abbildung 2: Einzeichnen des Tumors mit einem geringen Sicherheitsabstand (Tag 1)
Abbildung 3:
Abbildung 4:
Defekt nach vorgängiger Tumor- Eingenähter provisorischer
entfernung (Tag 1)
Verband (Tag 1)
Bei der so genannten Schnellfixation
wird das Resektat bei 60 °C innert
weniger Stunden in Formalin fixiert.
Diese zeitsparende Fixation mit der
Möglichkeit der Paraffineinbettung
ermöglicht eine bessere Gewebeer-
haltung als die Aufarbeitung mit
Abbildung 5: Exzidierter und markierter Tumor wird nach der mikrogra-
Abbildung 6: Basis und Tumorränder werden im Labor eingebettet (Tag 1)
Gefrierschnitten. Zudem wird damit die Diagnostik insbesondere beim szirrhös wachsenden Basaliom, bei
fisch kontrollierten Technik im Labor zugeschnitten (Tag 1)
perineuraler Invasion und bei Tumoren mit ausgeprägter peritumoraler
Entzündungsreaktion verbessert.
Intraoperative Wartezeiten werden
somit vermieden und die Kosten im
Vergleich zur Schnellschnittuntersu-
chung gesenkt.
In der Schweiz hat sich vor
allem die Randstreifenmethode
durchgesetzt, bei der in einer zwei-
Abbildung 7 und Abbildung 8: Defektdeckung nach histologisch gesicherter Tumorfreiheit der Schnittränder und der Basis mit einem Verschiebelappen (Tag 3)
zeitigen Operation vorgegangen wird. Dabei wird der exzidierte Tumor beziehungsweise das Resek-
tat kranial, in der Regel bei 12 Uhr,
markiert (Abbildung 1). Der Primär-
defekt wird mit einem Verband (z.B.
tion, das Dermatofibrosarcoma protuberans, dermale Sar- Epigard®) vorübergehend gedeckt (Abbildung 2 bis 4). Im
kome, das mikrozystische Adnexkarzinom sowie das Mer- histologischen Labor wird dann das Präparat zugeschnit-
kelzellkarzinom.
ten (Abbildung 5), wobei die unterste Schicht (Basis des
Obwohl zahlreiche Variationen der mikrografisch Resektates) und der Rand des gesamten Resektates ring-
kontrollierten Chirurgie beschrieben worden sind, liegen förmig abgetrennt und in mehrere etwa gleich grosse Frag-
die meisten klinischen Erfahrungen für folgende drei Ver- mente zerschnitten werden (Abbildung 6). Gegebenenfalls
fahren vor: die «Mohs-Methode», die «Randstreifen»- oder kann für eine histologische Untersuchung des zentralen
«Tübinger-Torte-Methode» und die «Münchner Methode». Tumors das Präparatzentrum quer geschnitten werden. Die
Alle drei Methoden haben die systematische Markierung Einbettung erfolgt so, dass die äussere Seite jedes Seg-
des Präparates gemeinsam. Diese drei Verfahren unter- mentes wie auch die Basis parallel zum Resektatrand
scheiden sich durch die Entnahmetechnik und die Art der geschnitten werden.
histologischen Aufarbeitung. Bei der «Mohs-» und der
Am zweiten postoperativen Tag liegen die histologi-
«Münchner Methode» handelt es sich um Untersuchungs- schen Resultate vor, sodass bei histologisch gesicherter
techniken an Gefriergewebe (fresh tissue technique), bei Tumorfreiheit der Defekt direkt oder mit einem Verschiebe-
der Randstreifenmethode um eine histologische Aufarbei- lappen (Abbildung 7 bis 8) beziehungsweise einem Trans-
tung am Formalin-fixierten und Paraffin-eingebetteten plantat gedeckt werden kann. Bei verbleibenden Tumorres-
Gewebe.
ten (Abbildung 9) werden eine Nachexzision und eine
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Merksätze
● Die mikrografisch kontrollierte Chirurgie (MGC) erlaubt eine lückenlose dreidimensionale Aufarbeitung von Tumorresektaten.
Abbildung 9: Resektat eines Basalzellkarzinoms mit perineuraler Invasion
erneute provisorische Defektdeckung vorgenommen. Die operativen und histologischen Befunde können in Form von Bildern und Skizzen mittels Fax oder E-Mail übermittelt werden, was die Kommunikation zwischen Operateur und Histopathologen vereinfacht.
Durch die dreidimensionale, lückenlose, histologische Aufarbeitung der Schnittränder in der mikrografischen Chirurgie lässt sich die Rezidivrate bei den szirrhösen Basalzellkarzinomen von zirka 20 auf 1 Prozent und bei den entdifferenzierten spinozellulären Karzinomen von zirka 30 auf 2 bis 4 Prozent senken. Somit resultiert diese Methode in einer erhöhten Heilungsrate sowie einer radikalen Tumorentfernung unter optimaler Schonung des gesunden umliegenden Gewebes. Weiterhin erlaubt die mikrografische Chirurgie die Darstellung des subklinischen Tumorwachstums in allen Richtungen, sodass starr definierte Sicherheitsabstände und damit verbundene grosse Hautdefekte vermieden werden können. Mit dieser Methode kann zudem bereits bei der klinischen Diagnose das unberechenbare Wachstumsverhalten miteinbezogen werden. Neuere Studien belegen dabei eine Kosteneffizienz der Mohs-Technik im Vergleich zur traditionellen chirurgischen Exzision. Voraussetzung für diese Methode ist jedoch eine eingespielte Teamarbeit zwischen dem durchführenden Operateur und dem beurteilenden Histopathologen. ●
● Die MGC ist im Vergleich zur traditionellen chirurgischen Exzision gewebesparend und kosteneffizient.
● Hauptindikation für die MGC sind szirrhös wachsende und rezidivierende Basalzellkarzinome, schlecht differenzierte Plattenepithelkarzinome, Hauttumoren mit perineuraler Invasion, seltene Karzinome und Sarkome der Haut.
● Die Markierung des Resektates mittels Faden ist von zentraler Bedeutung.
● Voraussetzung für die MGC ist eine eingespielte Teamarbeit zwischen Operateur und Histopathologen.
Korrespondenzadressen:
Dr. med. Monika Hess Schmid Dermatologie und Venerologie FMH Dermatochirurgie Dufourstr. 31 8008 Zürich E-Mail: monika.hess@dufour31.ch Internet: www.dufour31.ch
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PD Dr. med. Werner Kempf Dermatologie und Venerologie FMH kempf und pfaltz histologische diagnostik Schaffhauserplatz 3 8006 Zürich E-Mail: kempf@kempf-pfaltz.ch Internet: www.kempf-pfaltz.ch
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