Transkript
WUNDMANAGEMENT
Wundinfektionen
INTERVIEW MIT DR. MED. JÜRG PFISTER, LEITENDER ARZT, CHIRURGIE, SPITAL SCHWYZ
1. Bei welchen Wunden sind Infektionen ein besonders
grosses Problem?
Ein grosses Problem stellen diabetische Fussulzera dar, bei
welchen Infektionen ein Risiko für eine Amputation sind.
Besonders bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten sind
beim Diabetiker die Wundheilung gestört und das Infekti-
Postoperative Wundinfekte sehen wir bei uns in
onsrisiko erhöht. Eine weitere mögliche Ursache für die Schwyz selten.
eingeschränkte Wundheilung ist die diabetische Angiopa-
thie, welche unter anderem zu einer peripheren arteriellen 2. Was sind die Prinzipien der Wundversorgung chroni-
Verschlusskrankheit (PAVK) führt. Zudem entstehen ein scher Wunden?
Grossteil der diabetischen Fussläsionen durch die Neuro- An erster Stelle der Wundversorgung bei chronischen
pathie, bei welcher die verminderte Schmerzwahrneh- Wunden steht das chirurgische Débridement von nekroti-
mung häufig zu Verletzungen führt und Infektionen begün- schem und unzureichend durchblutetem Gewebe, da die-
stigt. Am häufigsten treten Staphylokokken- und ses einen idealen Nährboden für Bakterien bildet.
Streptokokkeninfekte auf, aber auch Mischinfektionen mit Zugleich müssen die Ursachen einer chronischen Wunde
anderen Keimen sind üblich.
wie beispielsweise venöser, venös-arterieller, arterieller Art
Ein weiteres Problem sind antibiotikaresistente Keime oder ein diabetisches Fussulkus abgeklärt und entspre-
wie die Methicillin-resistenten Staphylokokken. Werden chende Massnahmen eingeleitet werden. Danach kommt
diese im Wundabstrich festgestellt, müssen sofort die not- unser Wundkonzept zum Einsatz. Je nach Zustand der
wendigen hygienischen Massnahmen getroffen werden. Wunde (Nekrose, Fibrinbelag, Granulation, Epithelisati-
Generell liegt dann eine Wundinfektion vor, wenn der on, Infektion usw.) wird eine adäquate Wundbehandlung
Richtwert von 105 Keimen pro Gramm exzidiertes Gewe- eingeleitet, mit dem Ziel, ein optimales Milieu zur Wund-
be überschritten wird.
heilung herbeizuführen (Tabelle). Veränderungen der
Als Weiteres zu erwähnen sind Wundinfektionen bei Wunde werden bei jedem Verbandswechsel in einem
Verbrennungspatienten, die bis zum septischen Schock Wundverlaufsprotokoll festgehalten. Neben einer guten
führen können. Drittgradige Verbrennungen von mehr als Zusammenarbeit aller an der Wundversorgung beteiligten
15 Prozent der Körperoberfläche oder Verbrennungen von Personen ist auch die Information des Patienten zwingend,
Säuglingen und Kleinkindern überweisen wir zur Behand- da die Behandlung sehr viel Geduld benötigt (Abgabe
lung an Verbrennungszentren. Dies ist einer der Gründe, eines Patienteninformationsblattes).
weshalb wir in Schwyz wenig Infekte sehen. Die meisten
Infekte bei uns erweisen sich als beherrschbar. Die Behand- 3. Weshalb nimmt die Bedeutung von Silber in der
lung erfolgt durch Abtragen von Blasen unter sterilen Bedin- Behandlung von Wundinfektionen zu?
14
gungen und Einsatz von silberhaltigen Wundauflagen.
Schon seit Jahrtausenden wird zur Prophylaxe von Infektio-
medicos 5/2004
Wundkonzept
nen Silber eingesetzt, wie zum Beispiel bei Trinkgefässen oder in Trinkwasserleitungen. Silberionen wirken gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen. In den letzten Jahrzehnten ist die antimikrobielle Wirkung von Silber in Vergessenheit geraten, und der Wirkstoff wurde nur noch bei Verbrennungen angewandt. Da die oft unkritische Gabe von Antibiotika zur Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterienstämme geführt hat, ist der Einsatz von Silber wieder ins Zentrum des Interesses gerückt. Bis jetzt konnte keine Resistenzentwicklung von Problemkeimen gegen Silberionen festgestellt werden. Aus diesem Grund sind verschiedene silberhaltige Wundauflagen entwickelt worden, welche den Vorteil einer sauberen und einfachen Anwendung bringen.
4. Wann werden Antibiotika zur Bekämpfung von Wundinfektionen eingesetzt? Wegen der Resistenzerzeugung und der hohen Sensibilisierungsrate sollten lokale Antibiotika heute nur in Ausnahmefällen verwendet werden. Systemische Antibiotika sollten ebenso sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach Schweregrad und Ausdehnung der Infektion sowie nach dem klinischen Verlauf. Insbesondere sollte sie bei Vorliegen von systemischen Infektionszeichen oder sehr ausgeprägten lokalen Entzündungszeichen sowie bei Risikopatienten (HIV-, immunsupprimierte Patienten, chronisches diabetisches Fussulkus) erfolgen. Bei einer drohenden Sepsis muss sehr schnell gehandelt werden.
5. Wenden Sie auch spezielle Wundbehandlungsmethoden wie die Vakuumtherapie oder die Biochirurgie an? Die Vakuumtherapie setzen wir häufig ein und erzielen damit auch sehr schöne Erfolge, die Biochirurgie mit Einsatz von Maden hingegen nicht. Bei der Vakuumversiegelung wird die Wunde mit einem Schaumstoff und einem luftdichten Folienverband abgedeckt. Nach Erzeugen des Vakuums mit dem VAC-Sytem verbessert der Sog auf der Wundfläche respektive der O2-Mangel die Wunddurch-
blutung durch Einsprossen von Kapillaren, und zudem wird das Exsudat abgesaugt. Dadurch entwickelt sich ein keimfreies und feuchtes Wundmilieu, in welchem die Bildung von Granulationsgewebe begünstigt wird. Mittels Vakuumtherapie können auch ideale Bedingungen für plastische Massnahmen geschaffen werden. Seit einem halben Jahr kombinieren wir die Vakuumversiegelungstechnik mit der Spalthaut-Transplantation (Thiersch/Mesh-Graft). Frisch transplantierte Spalthaut wächst damit besser ein.
6. Sehen Sie öfters Verbrennungspatienten, bei welchen völlig falsche Ersthilfe-Massnahmen angewandt wurden? Zum Glück tritt dies immer weniger auf. Die Bevölkerung ist viel aufgeklärter als früher. Die Aufklärungskampagnen haben Früchte getragen. Wir führen auch selber Fortbildungen für Institutionen wie Feuerwehr, Polizei, Seerettung durch und informieren darüber, wie wichtig richtiges Handeln bei Verbrennungen ist.
7. Chronische Wunden verursachen enorme Kosten. Wie können diese gesenkt werden? Einerseits müssen die Ursachen einer chronischen Wunde erkannt und angegangen werden, und andererseits sollten prophylaktische Massnahmen getroffen werden. Bei der Versorgung ist eine enge Zusammenarbeit und gute Schulung aller Behandelnden (Pflegefachkräfte, Ärzteteam usw.) grundlegend für den Erfolg oder Misserfolg einer Therapie. Auch die spitalexterne Betreuung der Patienten ist sehr wichtig. Wir stehen in engem Kontakt mit Spitexbetreuerinnen. Sie übermitteln mir per Internet beispielsweise Bilder von Wunden der Patienten. Danach können wir oftmals per Telefon entscheiden, ob ein Eintritt ins Spital notwendig ist oder nicht.
Die Redaktion dankt Herrn Dr. med. Jürg Pfister für das interessante Gespräch.
medicos 5/2004
17