Transkript
WUNDMANAGEMENT
Okklusive und nichtokklusive Wundauflagen
DAS MODERNE WUNDMANAGEMENT
Doris von Siebenthal
Neue Wundauflagen ermöglichen eine geziel-
te Wundversorgung. Die Vielfalt der zur Aus-
wahl stehenden Wundauflagen fördert aber
auch Unsicherheiten in ihrer Indikationsstel-
lung. Zudem wird oft vergessen, dass es mit
dem Verbinden einer Wunde allein nicht
getan ist. Deshalb braucht es Anhaltspunkte
für eine indikations- und phasengerechte
Wundversorgung.
E ine Wunde wird als eine Durchtrennung oder eine umschriebene Schädigung der Haut oder Schleimhaut, verbunden mit entsprechender Funktionseinschränkung, definiert. Eine chronische Wunde kann entweder über die Dauer ihres Bestehens definiert werden – meist wird ab einem Alter von mehr als acht Wochen von einer chronischen Wunde gesprochen – oder über die Pathogenese (z.B. chronisch-venöse Insuffizienz, Dekubitus). Die Pathogenese bedingt eine gründliche Abklärung.
Die Vielfalt der zur Auswahl stehenden Wundauflagen lässt häufig vergessen, dass es mit dem Abdecken einer Wunde nicht getan ist.
Nach Abklärungsschluss sollte die behandelnde Ärz-
Nekrose (exkl. Mumifikation) Nein
trockener Wundgrund Nein
tiefe Wundhöhle
Nein
Infektion
Nein
Fistel
Nein
Knorpel/Knochen
Sehnen sichtbar
Nein
Wundumgebung ekzematös
Nein
Ätiologie:
exulzerierend Tumor: Nein
Vaskulitis:
Nein
Druck/Polyneuropat: Nein
Diabetes:
Nein
arteriell:
Nein
venös:
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja Ja Ja Ja
Ja Ja Ja Ja Ja
Debridement Hydrogel Tamponade mit Alginat
Okklusiver Wundverband
erwünscht
bedingt möglich nicht möglich
Entscheid je nach Klinik
und vorstehender Komponente
okklusiv
nichtokklusiv
Exsudatmenge: – Alginat- oder Hydrofaser + Hydrokolloid oder Schaumstoff
– Alginat- oder Hydrofaser – Schaumstoff oder Gittergaze + Absorber
– Schaumstoff – Hydrokolloid – Alginat- oder Hydrofaser + Hydrokolloid dünn
– Schaumstoff – Alginat- oder Hydrofaser – Wundkissen zur Nasstherapie
– Hydrokolloid oder Hydrokolloid dünn
– Hydrogel + Alginat oder + Hydrofaser – Gittergaze + Gazekompresse – Wundkissen zur Nasstherapie
X
– Hydrogel + Hydrokolloid od. + Hydrokolloid dünn od. + Folie
– Hydrogel + Alginat oder + Hydrofaser – Wundkissen zur Nasstherapie
Fixation des Verbandes:- ev. zusätzlich mit Folie – Gaze/Kompresse/Pflaster Keine Folie! Epithelisation Hydrocolloid oder Folie oder offen belassen + Fettsalbe je nach Lokalisation und Stadium VAC Therapie bei allen Exsudatmengen mgl. Kombination mit Silikongaze/Hydrogel-Indikation beachten
Abbildung 1: Auswahlhilfe für Wundauflagen bei chronischen Wunden
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tin oder der behandelnde Arzt über folgende Punkte Aussagen machen können: ● Wie ist die arterielle Durchblutung? ● Wie der venöse Abfluss? ● Wie ist die Druckbelastung wegen Polyneuropathie? ● Wie ist die Druckbelastung wegen Immobilität? ● Ist eine Infektionsgefahr oder Infektion vorhanden?
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Abbildung 2: Übersicht der Stoffklassen synthetischer Wundauflagen (nicht vollständig)
Kontraindikation für okklusive Wundauflagen: Klinische Infektionen, Tumore
Relative Kontraindikationen für okklusive Wundauflagen: Diabetes mellitus, PAVK, Fisteln, Vaskulitis, Sehnen, freiliegende Knochen
Hydrokolloide (HCV)
Okklusive Wundbehandlung Oberfl. Wunden, leichte bis mittlere Exsudation Bei stark exsudierenden und/oder tieferen Wunden in Kombination mit Alginat/Hydrofaser Bei trockenen Wunden mit Hydrogel
Produktebeispiele Askina Hydro Comfeel plus HCV Tegasorb normal, Varihesive E
Schaumstoffe
Mittlere bis starke Exsudation Wundfüller ohne Foliendeckschicht Mit Foliendeckschicht Mit Kleberand (Okklusion) Nichtverhaftend mit Wundgrund Verhaftend (Wundkonditionierung)
Produktebeispiele Allevyn, Biatain, Versiva Epigard
Mepilex,
Tielle,
Aktivkohle mit/ohne Silber
Kohle neutralisiert Geruch (Trockenzustand) Silber wirkt bakteriostatisch (angefeuchtet) Exsudataufnahme und Sekundärverband je nach Zusammensetzung Nicht okkludieren Zuschneiden je nach Produkt nicht möglich
Produktebeispiele Actisorb Silver Carbonet, Carboflex
Hydrokolloide (HCV), dünn Okklusive Wundbehandlung Oberfl. Wunden, leichte Exsudation Bei mittlerer Exsudation und/oder tieferen Wunden Kombination mit Alginat od. Hydrofaser Bei trockenen Wunden mit Hydrogel Flexibler und geschmeidiger als HCV normal
Askina biofilm, Tegasorb Thin, Comfeel Plus Transparent Varihesive extradünn
Alginate Mittlere bis starke Exsudation Bei trockenen Wunden anfeuchten Benötigt Sekundärverband Hämostatische Eigenschaft Tamponaden und Auflagen
Algisite M, Algosteril, Kaltostat, Seasorb soft, Melgisorb, Sorbsan, Sorbalgon, Tegagen
Wirkstofffreie Gitternetzauflagen Vermeiden von Verkleben mit konventionellen Sekundärverbänden Vaselinebasis Silikon-Safe-Tac-Technologie
Adaptic, Atrauman, Jelonet, Mepithel
Folien
Okklusive Wundbehandlung Oberfl. Wunden, keine bis leichte Exsudation Bei mittlerer Exsudation und/oder tieferen Wunden Komb. mit Alginat od. Hydrofaser Mit und ohne Pad erhältlich Hautschutz Fixation primärer Wundauflagen Grosse Unterschiede in der Wasserdampfdurchlässigkeit
Bioclusive, Opsite, Tegaderm, Mefilm, Niko Derm
Hydrofaser
Mittlere bis starke Exsudation Bei trockenen Wunden anfeuchten Benötigt Sekundärverband Wundrandschutz, da keine horizontale Ausbreitung der Flüssigkeit im Zellstoff
Aquacel-Auflage und -Tamponade
Hydrogel
Trockene bis feuchte Wunden, direkt auf den Wundgrund oder in Kombination mit Alginat/Hydrofaser/ Schaumstoff/HCV Fördert Autolyse Benötigt Sekundärverband
Intrasite Gel/Conformabel, Nu Gel, Purilon Gel, Varihesive Hydrogel, Hydrosorb-Gel-Auflage
Wund-Vakuumversiegelung
Okklusion mit kontinuierlichem Sog Starke Exsudation, auch bei Wundinfekt möglich Gesteigerte Angiogenese, Granulation Kontraindikation: trockene Nekrose, Malignom, Blutungsgefahr Vorsicht bei Ischämie, freiliegender Mukosa
Spezielle Auflagen/Therapien
Silberhaltige Wundauflagen (Acticoat, Contreet-H, Aquacell silber) Hydroaktive Auflagen (Askina Transsorbent, Cutinova hydro) Kollagene (Promogran) HIAFF (Hyalofill, Hyalogran) Biochirurgie (Lucilia sericata)
Nasstherapie
Wundreinigung, -befeuchtung Benötigt Sekundärverband Nicht zuschneiden Nach Kissengrösse mit Ringer befeuchten
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PU/PVA-Schaumstoff 10
Tenderwet 24
Falls damit die Entstehung der Wunde nicht zufrieden stel- ● Absorption von Sekret
lend begründet werden kann, sollten weitere Abklärungen ● Kein Verkleben mit dem Wundgrund, Schmerzlosigkeit
erfolgen.
des Verbandwechsels
● Möglichkeit der Gasperfusion
Die Wundheilung
● Leichte Anwendbarkeit
Wunden heilen grundsätzlich immer nach denselben phy- ● Keine allergischen Reaktionen.
siologischen Prinzipien ab. Wundheilung kann in folgende Ein in letzter Zeit vermehrt diskutierter Faktor ist die ökono-
Phasen eingeteilt werden:
mische Seite der Wundbehandlung. Hier müssen die
● Exsudationsphase (Inflammation)
Kosten für das Material, der Personalaufwand, die Kosten
● Proliferationsphase (Granulation)
durch einen Krankenhausaufenthalt (und ein eventueller
● Epithelisierungsphase
Ausfall am Arbeitsplatz) und die Wundheilungsdauer mit
● Reifungsphase der Narbe.
einbezogen werden.
Diese Phasen bedingen sich gegenseitig und laufen zum
Teil parallel ab. Pathologisch verzögern oder verhindern Wann wird okklusiv behandelt?
verschiedenste Faktoren die Wundheilung. Wundhei- Ist die Wunde für eine feuchte Wundbehandlung geeig-
lungsstörungen können systemisch bedingt sein. Zu den net, kann eine entsprechende Wundauflage ausgewählt
bekanntesten Pathologien gehören ein schlecht eingestell- werden. Die aktuell gängigen Auswahlschemata für
ter Diabetes mellitus, die Herzinsuffizienz (Ödembildung), Wundauflagen gehen von den Wundheilungsstadien
Anämie, Autoimmunkrankheiten (z.B. rheumatoide Arthritis) (Farbkodierung: Schwarz – Gelb – Rot entsprechend
und eine immunosuppressive Therapie. Oder sie können Nekrose – Fibrinbelag – Granulation) und vom Exsudati-
lokal bedingt sein, durch eine örtliche Hypoxie in Nar- onsgrad aus, die Ätiologie der Wunde wird nicht mit ein-
benfeldern, durch Fremdkörper (z.B. Fäden), eine Vaskuli- bezogen. Die Grundlage für den Entscheid zur okklusiven
tis, Lymphostase oder durch ein versteiftes oberes Sprung- Wundbehandlung ist jedoch die Kenntnis der Pathogene-
gelenk. Wundlokalisationen über der Achillessehne oder se der Wunde. Bei vielen Patienten, die aufgrund ihrer
der Tibiakante sind zudem bekannt für eine erschwerte chronischen Wunde hospitalisiert werden müssen, beste-
Wundheilung.
hen so viele kompromittierende Faktoren, dass die Wunde
nicht okklusiv behandelt werden kann. Viele der neu ent-
Die Wundbehandlung
wickelten Wundauflagen wirken jedoch okklusiv. Am Kan-
Grundlage jeder erfolgreichen Wundbehandlung ist es, tonsspital Baden wurde deshalb ein Abklärungsalgorith-
eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik durchzuführen, mus entwickelt, um allen in die Behandlung involvierten
dann die Wunde zu therapieren und durch eine geeigne- MitarbeiterInnen eine einfache Auswahlhilfe für Wundauf-
te Wundauflage ein förderliches Milieu für einen physiolo- lagen bieten zu können (Abbildung 1).
gischen Ablauf der Wundheilung zu schaffen.
Bei multifaktoriell entstandenen Wunden wird der Ent-
1962 publizierte Winter seine Beobachtungen, dass scheid der Okklusion davon abhängen, wie stark ausge-
durch den Verschluss einer Wunde mit einer Folie eine prägt die verschiedenen pathogenetischen Faktoren sind.
schnellere Re-Epithelialisierung erreicht wird. Diese Unter- Eventuell kann unter Kontrolle eine Okklusion versucht wer-
suchung wurde zum Grundstein der modernen feuchten den, um nach zwei bis drei Tagen je nach Resultat die defi-
Wundbehandlung bei der sekundär heilenden Wunde. nitive Behandlungsstrategie festzulegen.
Die Gewährleistung der Feuchtigkeit fördert die Autolyse in
Abbildung 2 bietet eine Übersicht über Materialien,
der Wunde. Mittels Okklusion wird zudem der lokale Sau- die auf dem Markt erhältlich sind. Sie hat keinen Anspruch
erstoffdruck gesenkt und damit die Angiogenese gefördert. auf Vollständigkeit, alle Indikationen oder Feinheiten. Die
Sie isoliert die Wärme und schützt vor Kontamination.
Reihenfolge der aufgeführten Produkte stellt keine Qua-
Erste schriftliche Erwähnungen von Verbandsmateria- litätsangabe des einzelnen Produkts dar. Grundsätzlich
lien werden im Papyrus Ebers der Ägypter um 1550 v. Chr. kann zwischen Wundfüllern (Alginate, Hydrofasern, zum
erwähnt: Scharpie aus Leinen, Flachs oder Baumwolle, Teil auch Schaumstoffe) und Wunddeckern (Hydrokolloi-
die bis ins 19. Jahrhundert die gebräuchlichsten Wund- de, Schaumstoffe, Folien) unterschieden werden. Um ein
auflagen darstellten. Eine der wenigen Ausnahmen bildet feuchtes Wundmilieu zu erreichen, muss je nach Exsuda-
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die Anweisung Gersdorffs 1517 in seinem chirurgischen tionsgrad der Wunde Hydrogel auf den Wundgrund
«Feldtbuch der Wundartzney», über den Amputations- gegeben werden. Fettgazen können zum Vermeiden des
stumpf zum Abschluss der Operation eine angefeuchtete Verklebens angewandt werden, zudem werden sie einge-
Rindsblase zu stülpen. Heutige moderne Wundauflagen setzt, falls eine feuchte Wundbehandlung nicht geeignet
haben ihren Ursprung in den von Turner 1979 definierten ist, zum Beispiel bei nekrotischen Endgliedern. Wirkstoff-
Kriterien, die folgende Funktionen fordern:
freien Fettgazen ist der Vorzug zu geben. Aktivkohleauf-
● Schutz vor Austrocknung, Superinfektion, Verschmut- lagen haben verschiedene Indikationen. Bei fötiden Wun-
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zung, mechanischen Einflüssen und Wärmeverlust
den wird ihre geruchshemmende Wirkung geschätzt.
Diese bleibt aber nur so lange bestehen, wie die Aktivkohleschicht trocken bleibt. Ist die Aktivkohleauflage mit Silberionen durchsetzt, wird sie mit Erfolg bei klinisch und subklinisch infizierten Wunden eingesetzt. Die bakteriostatische Wirkung entwickelt sich bei direktem Wundkontakt und sobald die Auflage feucht ist. Um eine Mazeration des Wundrandes und damit eine Vergrösserung der Wunde zu vermeiden, ist auf einen guten Wundrandschutz zu achten. Hydrokolloide haften nicht über Pasta zinci mollis. Hier kann mit einem im Handel erhältlichen getränkten Pad (Cavilon LollyTM) ein Schutzfilm aufgetragen werden.
Am Kantonsspital Baden machen wir die Erfahrung, dass durch eine aktive interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Schaffung einer Stelle für Wundberatung, die eng mit
den verschiedenen Fachbereichen zusammenarbeitet, und
ein definiertes und über eine Wundkommission kontrollier-
tes Produktesortiment eine effizientere Wundbehandlung
möglich ist.
●
Kontaktadresse: Doris von Siebenthal Pflegeexpertin Departement Pflege Kantonsspital Baden E-Mail: doris.vonsiebenthal@ksb.ch
Literaturangaben auf Anfrage bei der Autorin.
Weniger Schmerzen beim Verbandwechsel
Verbände mit
NEU
Silikonbeschichteter Schaumverband
Selbsthaftender, silikonbeschichteter
Schaumverband
Dünner, silikonbeschichteter
Schaumverband
Drainagefähiger, silikonbeschichteter
Schaumverband
Silikonwundauflage
Selbsthaftender Silikonverband zur Narbenbehandlung
Informationen zu weiteren Tendra Wundversorgungsprodukten können Sie anfordern bei: Mölnlycke Health Care AG · Heimstrasse 15 · 8953 Dietikon
Tel.: 0800 563 195 · Fax: 0800 563 197 · info.ch@molnlycke.net · www.tendra.com
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