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KONGRESS-UPDATE
Psoriasis – Behandlung mit biologischen Wirkstoffen
von Gabriella Hänggi
Die Psoriasis ist eine chronische Erkrankung, Starke Beeinträchtigung der Lebensqualität
Nach den Ausführungen von Professor Alan Menter, Dal-
welche für die betroffenen Personen eine las (USA), ist die Psoriasis eine chronisch-entzündliche
Erkrankung, die weltweit ungefähr 1 bis 2 Prozent der
beträchtliche Einschränkung der Lebensqua- Bevölkerung betrifft. Die Psoriasis tritt zumeist zwischen
dem 15. und dem 35. Lebensjahr auf, wobei aber un-
lität bedeutet. Seit kurzem stehen zur Be- gefähr 10 bis 15 Prozent der Patienten bereits vor dem
10. Lebensjahr erkranken. Die Erkrankung ist mit einer
handlung der Psoriasis biologische Wirkstoffe erheblichen psychosozialen Morbidität und einer beträcht-
lichen Einbusse an Lebensqualität verbunden, weshalb die
zur Verfügung, die gezielt in die entzündliche Psoriasis als schwer wiegendes Gesundheitsproblem zu
betrachten ist und eine konsequente Therapie erfordert.
Kaskade der Autoimmunreaktion eingreifen
Gemäss dem bisher angewendeten traditionellen
Konzept erfolgt die Behandlung der Psoriasis nach einem
und auf diese Weise eine wirksame und ver- stufenweisen Ansatz, bei dem zunächst topische Medika-
mente verabreicht werden und bei ungenügender Wirk-
trägliche Kontrolle der mittelschweren bis samkeit auf die Phototherapie und schliesslich auf die syste-
mische Therapie übergegangen wird. Für die systemische
schweren Psoriasis erlauben.
Therapie der mittelschweren bis schweren Psoriasis wer-
den Retinoide, Kortikosteroide, Methotrexat und Cyclo-
sporin eingesetzt, die jedoch oftmals eine nur beschränkte
Wirksamkeit besitzen. So zeigte eine bei Patienten mit
A m 5. Juni 2004 fand in Luzern das Symposium «Current Aspects of Psoriasis» statt, an dem verschiedene Experten über die neusten Erkennt-
schwerer Psoriasis durchgeführte Telefonumfrage, dass die systemische Therapie in 78 Prozent der Fälle als frustrierend und in 32 Prozent der Fälle als zu wenig aggressiv empfunden wurde. Neben der ungenügenden Wirksam-
nisse zur Pathogenese und Behandlung der Psoriasis keit wird die traditionelle systemische Langzeittherapie
berichteten. Als zentrales Thema dieser Veranstaltung wur- wegen der mangelnden Spezifität der verwendeten Präpa-
de auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit von immunmo- rate vielfach durch eine erhebliche Toxizität beschränkt,
dulierenden Präparaten, so genannte Biologika, einge- weshalb die Behandlung in der Regel nach Abklingen der
gangen, die gemäss Professor Jean-Hilaire Saurat, Genf, Symptome abgebrochen wird. Da aber die meisten Pa-
zu einer entscheidenden Verbesserung der Behandlung tienten bereits nach kurzer Zeit ein Rezidiv erleiden, wer-
24 der Psoriasis beitragen dürften.
den dringend neue Ansätze zur Langzeitkontrolle der Pso-
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Tabelle: Wirksamkeit von Efalizumab bei der mittelschweren bis schweren Psoriasis
Anteil der Patienten mit einem Rückgang des PASI-Wertes um mindestens 75 Prozent
Anteil der Patienten mit einem Rückgang des PASI-Wertes um mindestens 50 Prozent
Efalizumab
Plazebo
Efalizumab
Plazebo
Alle Patienten (n = 793)
31,4%
4,2%
53,7%
14,4%
Kandidaten für die systemische Therapie (n = 267)
34,8%
7,5%
56,7%
20,0%
Ungenügende Wirksamkeit von zwei vorgängigen systemischen Therapien oder eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber diesen Behandlungen (n = 526)
29,5%
2,7%
52,0%
12,0%
riasis benötigt. Seit einiger Zeit stehen nun biologische Wirkstoffe zur Verfügung, die einen entscheidenden Fortschritt bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis erwarten lassen. Mit dieser Erweiterung des therapeutischen Arsenals sollte nun anstelle des bisherigen stufenweisen Behandlungsansatzes eine individualisierte Therapie durchgeführt werden, die unter Berücksichtigung des Schweregrads und der Ausdehnung der Erkrankung sowie der subjektiven Bedürfnisse auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden kann.
Immunpathophysiologie der Psoriasis PD Doktor Nikhil Yawalkar, Bern, erläuterte, dass die Psoriasis eine multifaktorielle Erkrankung ist, bei deren Entstehung eine genetische Prädisposition eine Rolle spielt. Bei prädisponierten Personen kann die Erkrankung durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, welche bakterielle Infektionen, die Einnahme gewisser Medikamente, übermässigen Alkoholkonsum oder psychischen Stress umfassen. Nach dem heutigen Verständnis der Pathogenese der Psoriasis liegt der Erkrankung eine Autoimmunreaktion zugrunde, die durch fehlgeleitete T-Lymphozyten vermittelt wird. Im Rahmen dieser Autoimmunreaktion wird ein bisher nicht näher identifiziertes Antigen von bestimmten Zellen in der Epidermis aufgenommen, welche das Antigen an ihrer Oberfläche über den Major Histocompatibility Complex (MHC) präsentieren. Anschliessend wandern diese antigenpräsentierenden Zellen über die Lymphbahnen der Haut in die Lymphknoten, wo das präsentierte Antigen von den T-Lymphozyten über den T-Cell Receptor (TCR) erkannt wird. Als Folge der Antigenpräsentation kommt es durch die Wechselwirkung von spezifischen Oberflächenmolekülen der beteiligten Zellen zu einer Aktivierung und Proliferation von T-Lymphozyten, die über den Blutkreislauf wieder in die Dermis und Epidermis gelangen. In der Haut findet eine antigenspezifische Reaktivierung dieser Gedächtnis-Effektor-TLymphozyten statt, was zur Ausschüttung von Interferon γ
und Tumornekrosefaktor-α führt. Diese freigesetzten Zytokine rufen eine Entzündungsreaktion sowie eine abnorme Proliferation und Differenzierung der Keratinozyten hervor, wodurch die charakteristischen psoriatischen Plaques entstehen. Das bessere Verständnis der Pathophysiologie der Psoriasis hat zur Entwicklung von Biologika geführt, welche die Aktivierung der T-Lymphozyten hemmen, die aktivierten T-Lymphozyten selektiv zerstören oder aber die beteiligten Zytokine gezielt blockieren.
Neue Behandlungsansätze Nach Professor Christopher Griffiths, Manchester (England), sind mittlerweile die Resultate von mehreren klinischen Studien veröffentlicht worden, in welchen der therapeutische Nutzen von vier verschiedenen Biologika bei der Behandlung der Psoriasis untersucht wurde. Dabei führte die Therapie mit dem rekombinanten Fusionsprotein Alefacept, das die Gedächtnis-Effektor-T-Lymphozyten eliminiert, in einer doppelblinden, plazebokontrollierten Multizenterstudie nach zwölf Wochen bei ungefähr einem Viertel der 507 teilnehmenden Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis zu einer nahezu vollständigen Rückbildung der Symptomatik. Als weiteres Biologikum zur Behandlung der Psoriasis wurde der humanisierte monoklonale Antikörper Efalizumab in klinischen Untersuchungen geprüft, welcher die Aktivierung, Migration und Reaktivierung der T-Lymphozyten hemmt. Gemäss den Resultaten von vier nordamerikanischen Studien erreichte unter der Therapie mit Efalizumab im Vergleich zu Plazebo jeweils ein signifikant grösserer Anteil der Patienten eine mindestens 75-prozentige Reduktion des zur Beurteilung von Schweregrad und Ausdehnung der Psoriasis herangezogenen Psoriasis Area and Severity Index (PASI-Wert). Darüber hinaus wurde bei den mit Efalizumab behandelten Patienten auch eine signifikant stärkere Verbesserung der zur Beurteilung der Lebensqualität, des Schweregrads und der Häufigkeit der Psoriasis-Manifestationen sowie
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des Juckreizes herangezogenen Werte verzeichnet als bei Behandlungsphase noch weiter anstiegen. In einer weite-
den Patienten der Plazebogruppe.
ren Studie mit 339 Patienten wurde bei den 290 Studien-
Zusätzlich zu den beiden auf die T-Lymphozyten wir- teilnehmern, die unter der zwölfwöchigen Therapie mit
kenden Präparaten wurden zwei weitere Biologika in klini- Efalizumab eine deutliche Besserung der Symptome erfah-
schen Studien untersucht, deren Wirksamkeit auf der ren hatten, während der nachfolgenden 21 Monate eine
Blockierung des Tumornekrosefaktors-α beruht. Dabei führte Erhaltungstherapie mit Efalizumab durchgeführt. Gemäss
das rekombinante Fusionsprotein Etanercept, das zur den Resultaten dieser offenen Langzeitbeobachtung stieg
Behandlung der chronischen Polyarthritis, des Morbus Bech- der Anteil der Patienten, die eine mindestens 75-prozenti-
terew und der psoriatischen Arthritis eingesetzt wird, in einer ge Verbesserung des PASI-Wertes erreichten, von ungefähr
plazebokontrollierten Doppelblindstudie nach zwölf Wo- 40 Prozent nach drei Monaten auf rund 50 Prozent nach
chen bei einem beträchtlichen Anteil der Patienten mit einer sechs Monaten an und blieb im Verlauf der anschliessen-
Psoriasis zu einer Verringerung des PASI-Wertes um minde- den Erhaltungstherapie im Wesentlichen konstant. Die
stens 75 Prozent. Der chimäre monoklonale Antikörper Infli- Behandlung mit Efalizumab erwies sich als gut verträglich,
ximab, welcher zur Behandlung des Morbus Crohn und der und bei den Patienten der Efalizumab-Gruppe wurde im
chronischen Polyarthritis zugelassen ist, bewirkte in einer kli- Vergleich zu denjenigen der Plazebogruppe keine erhöhte
nischen Studie nach einer Behandlungsdauer von zehn Inzidenz von Infektionen oder Malignitäten festgestellt.
Wochen im Vergleich zu Plazebo bei einem wesentlich
In der kürzlich beendeten, grossen randomisierten
grösseren Anteil der Patienten eine mindestens 75-prozenti- Multizenterstudie Clinical Experience Acquired with
ge Reduktion des PASI-Wertes.
Raptiva (CLEAR) wurde in der Gruppe der 267 Patienten
Aufgrund der Resultate der bislang durchgeführten kli- mit einer mittelschweren bis schweren Psoriasis, welche
nischen Studien scheinen die Biologika eine wirksame Kon- Kandidaten für eine systemische Therapie waren, unter der
trolle der Psoriasis zu erlauben, sodass diese Präparate ins- zwölfwöchigen Behandlung mit einmal wöchentlich
besondere bei schweren Krankheitsformen eine wertvolle 1 mg/kg subkutan verabreichtem Efalizumab im Vergleich
Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten bieten. Da zu Plazebo bei einem grösseren Anteil der Patienten eine
es sich bei der Psoriasis um eine chronische Erkrankung mit 75-prozentige Reduktion des PASI-Wertes erreicht. Da-
einem schubförmigen Verlauf handelt, liegt das Ziel der rüber hinaus führte die Therapie mit Efalizumab sogar in
Behandlung nicht nur im Erreichen einer Remission, sondern der Gruppe der 526 Patienten, bei denen mindestens
insbesondere auch in deren Langzeiterhaltung. Im Hinblick zwei vorgängige systemische Behandlungen eine nur
auf eine dauerhafte Symptomkontrolle der Psoriasis wird ungenügende Wirksamkeit gezeigt hatten oder bei denen
sich zukünftig die Frage stellen, wie die Biologika in die bis- eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber
herige systemische Behandlung mit den konventionellen diesen Behandlungen bestand, bei einem signifikant grös-
Präparaten integriert werden sollen.
seren Anteil der Patienten zu einer mindestens 75-prozen-
tigen Reduktion des PASI-Wertes als in der Plazebogruppe
Langzeiterfahrung mit Efalizumab
(Tabelle). Die Behandlung mit Efalizumab wurde von den
Doktor Kim Papp, Ontario (Kanada), wies darauf hin, dass Patienten beider Gruppen gut vertragen, wobei die Inzi-
mittlerweile über 2700 Psoriasispatienten im Rahmen von denz der infusionsbedingten Nebenwirkungen mit zuneh-
klinischen Studien während bis zu zwei Jahren mit Efalizu- mender Anzahl erfolgter Verabreichungen abnahm.
mab behandelt worden sind. In einer randomisierten Dop-
Mit der Entwicklung der Biologika konnte bei der
pelblindstudie mit 556 Patienten mit mittelschwerer bis Behandlung der Psoriasis ein entscheidender Fortschritt
schwerer Psoriasis führte die zwölfwöchige Therapie mit erzielt werden, da diese Präparate selbst bei Patienten mit
einmal wöchentlich 1 mg/kg subkutan verabreichtem schweren Krankheitsformen vielfach zu einem deutlichen
Efalizumab bei einem signifikant grösseren Anteil der Pati- Rückgang der Symptome führen. Ausserdem weisen die
enten zu einer mindestens 75-prozentigen Reduktion des Resultate von ersten Langzeitstudien darauf hin, dass die
PASI-Wertes als in der Plazebogruppe. Die mittlere pro- Biologika neben der schnellen Induktion der Remission
zentuale Verbesserung des PASI-Wertes nahm unter der auch eine dauerhafte Symptomkontrolle erlauben. ●
Behandlung mit Efalizumab kontinuierlich zu, wobei der
Unterschied zwischen Efalizumab und Plazebo bereits
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nach vier Wochen statistische Signifikanz erreichte. Nach Korrespondenzadresse:
Abschluss der doppelblinden Studienphase erhielten die Dr. Gabriella Hänggi
Patienten die Möglichkeit, im Rahmen einer offenen Studi- Heuelstrasse 24
enphase während zwölf Wochen mit Efalizumab weiter- 8800 Thalwil
behandelt zu werden. Dabei zeigte sich, dass sowohl die
mittlere prozentuale Verbesserung des PASI-Wertes als
auch der Anteil der Patienten, deren PASI-Wert um mindes-
Interessenskonflikte: Der Bericht entstand mit finanzieller Unterstützung der Serono Pharma Schweiz. Die Firma hat auf die Berichterstattung
26 tens 75 Prozent verringert wurde, im Verlauf der offenen keinen Einfluss genommen.