Transkript
INFEKTIONEN
Reisedermatosen
ZOONOSEN UND ANDERE DERMATOLOGISCHE SOUVENIRS
von Peter Schmid-Grendelmeier
Feuchtwarmes Klima, leichte Bekleidung und
offenes Schuhwerk sind einige der Gründe,
warum Reisen in die Tropen häufig zu Derma-
tosen führen. Diese sind meist durch Infektio-
nen bedingt. Entsprechende mikrobiologische
Untersuchungen sind daher stets angezeigt.
Bei unklaren Läsionen kann eine Hautbiopsie
weitere nützliche Informationen liefern.
D ie wichtigsten Krankheitsbilder von Dermatosen nach Tropenaufenthalten sind Infektionen der Haut mit Bakterien und Pilzen, Epizoonosen, Infestation mit tropischen Erregern sowie Hauterscheinungen infolge Kontakt mit Gifttieren oder durch Sonnenlicht bedingte Dermatosen. Ein weiteres Reisesouvenir sind Infektionen, die durch ungeschützen Sexualverkehr übertragen werden. Diese Erkrankungen sollten daher bei Hautexanthemen nach Reisen differenzialdiagnostisch stets mitberücksichtigt werden.
durch Kratzen superinfiziert werden. Eine mögliche Folge davon sind schwerwiegendere Komplikationen wie ein Ekthyma (Abbildung 1). Durch bakterielle (Misch-)Infekte ausgelöste Ulzerationen nach Tropenaufenthalten erfordern zwingend bakteriologische Abstriche und eine frühzeitige antibiotische Abschirmung. Unentdeckt können solche Infekte zu ausgedehnten Ulzerationen und lokaler Gewebsdestruktion mit teils fulminantem Verlauf führen. Zudem entwickelt sich oft eine Impetiginisation von vorbestehenden Dermatosen. Eine konsequente desinfizierende Behandlung ist daher essenziell.
In vielen Fällen begünstigt das feuchtwarme Klima die Entstehung von Mykosen im intertriginösen Bereich. Während diese in unseren Breitengraden vor allem durch Dermatophyten verursacht werden, sind in den Tropen eher Hefe- und Schimmelpilze dafür verantwortlich. Um dann eine gezielte erregerspezifische antimykotische Therapie einzuleiten, sollte stets vorgängig eine mykologische Kultur angelegt werden. In den Tropen trifft man auch auf
Infektionen der Haut, insbesondere Pyodermien und Mykosen Bakterielle Infekte der Haut gehören wohl zu den verbreitetsten Reiseerkrankungen. Ein Beispiel sind primäre Insektenstiche, welche aufgrund der vorhandenen Mischflora
Abbildung 1: Ekthymata infolge superinfizierter Insektenstiche in den Tropen.
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begünstigt entstehen vor allem plantar serbiginöse, teils pustulöse Hautveränderungen. Eigentlich heilt die Larva migrans nach einigen Tagen bis Wochen meist selbst ab. Um die Abheilung zu beschleunigen, kann topisch Diobendazol-Creme eingesetzt werden oder bei Nichtansprechen Albendazol (Zentel® 500 mg über 3 Tage).
Sandflöhe können durch Eiablage unter der Haut warzenähnliche Hautveränderungen mit zentraler Öffnung verursachen. Solche Läsionen – als Tungiasis oder auch «Jiggers» bezeichnet – finden sich gehäuft subungual und können durch Superinfektion respektive sekundäre Ekzematisierung zu Komplikationen führen. Die Therapie erfolgt durch steriles Ausschälen der Eier respektive durch Exzision der Läsion.
Tropische Infekte
Als weitere dermatologische Reiseerkrankung ist die kuta-
ne Leishmaniose zu erwähnen. Sie zeigt sich teils als ein-
zelne, teils auch multiple Ulzeration oder papulöse Verän-
Abbildung 2: Skabies der Füsse: Skabiesbefall bei Kleinkind mit typisch papulo-pustulöser Erkrankung.
derung, besonders an Extremitäten oder im Gesicht. Gerade bei einem nicht abheilenden Ulkus nach Tropenaufenthalten sollte – neben der Möglichkeit einer bakteriell
bedingten Ursache – an eine Leishmaniose gedacht wer-
subkutane Mykosen wie Myzetom oder Chromoblastomy- den. Die Diagnosestellung erfolgt mittels Biopsie und neu-
kose. Dank den heute deutlich besseren hygienischen Ver- erdings auch durch PCR-Diagnostik. Kutane Leishmaniose-
hältnissen und aufgrund der kurzen Aufenthalte sind diese herde können in einem bedeutenden Prozentsatz zwar
Mykosen sehr selten. Bei unklaren, teils exophytischen selbst abheilen. Wegen der möglichen Narbenbildung ist
Hauttumoren muss an eine solche mykologische Ursache jedoch in vielen Fällen eine Behandlung sinnvoll. Eine sol-
gedacht werden, und die entsprechenden Kulturen müssen che sollte in Absprache mit einem tropenmedizinisch aus-
angelegt und Gewebsbiopsien durchgeführt werden.
gebildeten Arzt erfolgen, da die Verwendung der indizier-
ten Medikamente (Antimon-Präparate) aufgrund ihres
Epizoonosen
Nebenwirkungspotenzials und der vielfältigen Einsatz-
Da die Skabies (Krätzmilbe) in vielen Reiseländern insbe- möglichkeiten einige Erfahrung voraussetzt.
sondere bei der ländlichen Bevölkerung nahezu ende-
misch ist, kann diese auch bei Rückkehrern nach engem
körperlichem Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung
auftreten (Abbildung 2). Hinweise dafür sind papulöse,
stark juckende Veränderungen, insbesondere im Bereich
der Genitalien sowie in den Interdigitalräumen. Bei Klein-
kindern kommt es oft zur Bildung von palmoplantaren
Pusteln. Die Behandlung mit Hexachlorzyklohexan (Jacu-
tin®), Permethrin (Loxazol®) oder Crotamiton (Eurax®) ist
nicht nur beim Betroffenen angezeigt, sondern auch bei
Personen, die zu ihm engen körperlichen Kontakt haben.
Gelegentlich liegt zusätzlich eine Infestation mit Filzläusen
(Pediculosis pubis) vor, welche ebenfalls auf die gleiche
Behandlung anspricht. Weiter können Kinder auf Reisen
auch Pediculi capitis (Kopfläuse) akquirieren. Dank der heu-
tigen Behandlungsmethoden mit entsprechenden Sham-
poos (z.B. Prioderm®, Loxazol®) kann das früher notwendi-
ge vollständige Scheren der Haare in den meisten Fällen
vermieden werden.
Die Larva migrans entsteht durch Larven von Parasi-
ten, für die der Mensch als Fehlwirt fungieren kann (Abbil- Abbildung 3: 22 dung 3). Nach Badeferien und durch das Barfussgehen Larva migrans
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Bei Patienten, die längere Zeit in den Tropen verbracht haben, ist auch die Lepra (pauzibazilläre Form) in Betracht zu ziehen, welche hyperpigmentierte Areale mit Hypästhesien verursacht. Auch hier kann die Diagnose mittels Histologie (inklusive Ziehl-Nehlsen- oder FiteFaracoFärbung) und PCR-Verfahren gestellt werden. Die entsprechende Behandlung sollte wiederum in Absprache mit dem tropenmedizinischen Kollegen erfolgen.
Kontakte mit Gifttieren Gifttiere finden sich in den Tropen entweder im Wasser oder am Festland sehr viel häufiger als in unseren Breitengraden. Im Wasser führen vor allem Kontakte mit Quallen zu meist stark schmerzhaften Hautveränderungen. Dabei entstehen je nach Art der Qualle urtikarielle, blasige oder auch nekrotisch-toxische Hautläsionen. Zudem lösen einzelne Quallenarten, insbesondere etwa Würfelquallen (Chironex, vorkommend in Australien, Ozenanien) aufgrund von Toxinen auch lebensgefährliche Reaktionen aus. Schwanzstachelstiche von Rochen führen oft zu sehr schmerzhaften, sekundär häufig ulzerierenden Läsionen, die vielfach nur schlecht heilen und teilweise gar ein chirurgisches Debridement erfordern. Viele weitere Wasserlebewesen wie Fische, Seeigel, Giftfische, Anemonen, Würmer und Kegelschnecken können je nach Art und Gift meist toxische oder auch systemische Hautreaktionen verursachen.
Auf dem Festland stellen vorwiegend Stiche und Bisse von Skorpionen, Spinnen und den verschiedensten Insekten ein Problem dar. Stiche von Hymenopteren (Bienen, Wepsen) können allergische Reaktionen auslösen. Dabei treten hauptsächlich toxische Reaktionen auf. Bei Insektengiftallergikern darf deshalb ein Notfallset im Reisegepäck nicht fehlen. Das Set sollte Steroid-Tabletten und Antihistaminika, bei Personen mit schweren Reaktionen auch Adrenalin-Autoinjektoren wie den EpiPen, enthalten. Allenfalls ist auch eine allergologische Abklärung im Hinblick auf eine spezifische Immuntherapie zu erwägen.
Der blosse Hautkontakt mit Kleinlebewesen wie gewissen Käfern (zum Beispiel der Familie Meloidae und der Spezies Päderus) oder Raupen kann ebenfalls zu toxischen Reaktionen mit Rötung und Blasen führen. Die entsprechenden Gifte wie Cantharidin oder Paederin sind in den Haaren der Tiere enthalten oder werden durch deren Chitinpanzer direkt abgegeben. Deshalb sollte die Haut nach solchen Kontakten unverzüglich mit Wasser gewaschen werden.
Weiter zu erwähnen sind verschiedenste Schlangen, Molche und Salamander sowie selten auch Säugetiere (Vampire, Schnabeltier) als Auslöser von Hautschädigungen. Besonders bei den Giftschlangen können je nach Art zusätzlich auch systemische, teils lebensgefährliche Symptome auftreten.
Sonnenbedingte Dermatosen
Der Sonnenbrand (Dermatitis solaris) ist wohl die häufigste
Hauterscheinung während Tropenreisen. Insbesondere in
den ersten Urlaubstagen sollte eine direkte Sonnenexpositi-
on vor allem in den Mittagsstunden (12.00 bis 15.00 Uhr)
wenn immer möglich vermieden werden. Heutige Sonnen-
schutzmittel, speziell Sonnenblocker, bieten zwar einen
wesentlich besseren Schutz gegenüber der UV-Bestrahlung
als früher. Trotzdem können sie einen Sonnenbrand in vie-
len Fällen nicht völlig verhindern, sondern lediglich hinaus-
zögern. Einen sehr effizienten Schutz bieten Textilien mit ein-
gebautem UV-Schutz. Gerade bei Kleinkindern ist das
Vermeiden von direkter Sonnenbestrahlung einerseits und
das Anwenden von Sonnenschutzmassnahmen (Aufenthalt
im Schatten, Sonnenblocker, eventuell UV-dichte Textilien)
andererseits von enormer Bedeutung.
Eine weitere, häufig unangenehme Komplikation ist
die so genannte polymorphe Lichtdermatose. Diese ent-
steht meist bei erstmaliger plötzlicher Expositon gegenüber
hohen Dosen von UV-Strahlen. Sie manifestiert sich als
Effloreszenzen, die von Patient zu Patient sehr verschieden,
beim einzelnen Patienten jedoch relativ monomorph sind.
Leichte Formen der polymorphen Lichtdermatose können
mit topischen Steroiden und systemischen Antihistaminika
behandelt werden. Bei schweren Formen sind kurzfristig
systemische Kortikosteroide notwendig. Eine Prävention
der polymorphen Lichtdermatose ist unter Umständen
durch ein vorangehendes «Hardening» mittels UV-A-/UV-B-
Phototherapie möglich, welche von Dermatologen ange-
boten wird.
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Autor: PD Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier Leiter der Allergiestation Dermatologische Klinik UniversitätsSpital Zürich Gloriastrasse 31 8091 Zürich E-Mail: peter.schmid@usz.ch
Interessenkonflikte: keine
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