Transkript
AKNE & CO.
Modernes Aknemanagement
von Martin Kägi, Gisela Heyer und Gisela Stauber
Ein erfolgreiches Therapiemanagement der 1. Allgemeine Grundsätze zum Management
der Akne
Akne basiert auf einem pathophysiologisch Vor Therapiebeginn lohnt es sich, eine sorgfältige familiäre
Anamnese und Aufklärung des Patienten durchzuführen
orientierten Behandlungskonzept, welches (Tabelle 1). Immer noch gibt es rund um die Akne viele
Mythen: Es gibt Patienten, die glauben, dass Akne durch
sich nach dem Schweregrad der Erkrankung mangelnde Hygiene oder gewisse Nahrungsmittel verur-
sacht wird. Um vorzeitige Therapieabbrüche zu vermeiden,
und den individuellen Bedürfnissen des Pati- muss der Patient darüber informiert werden, dass eine
erfolgreiche Aknetherapie sehr viel Geduld erfordert. Denn
enten richtet. Im Folgenden wird ein Algorith- ein Behandlungserfolg der Lokaltherapie wird erst nach
frühestens vier bis sechs Wochen sichtbar. Zudem kann bei
mus für die Therapie der Akne vorgeschlagen. Behandlungsbeginn eine Verschlechterung der Akne eintre-
ten. Neben Anweisungen zur richtigen Anwendung topi-
scher Präparate sollten Informationen zur korrekten Haut-
I n einer Zeit, in der sich Wissen über Diagnose, Therapie und Management von Erkrankungen rasch vermehrt, sind Guidelines wertvolle Hilfsmittel. Sie unter-
pflege gegeben werden. Es erscheint auch sinnvoll, mit dem Patienten über seine Erfahrungen mit bereits durchgeführten Aknetherapien und/oder über mögliche exogene Noxen zu sprechen. Nicht zu unterschätzen ist der psy-
stützen die Ärztin und den Arzt bei medizinischen
Entscheidungsprozessen und erleichtern die Qualitätssicherung. Solche Richtlinien sollten fortlaufend auf den neuesten Stand der Erkenntnisse gebracht werden. Zudem sollten sie möglichst auf evidenzbasierten Veröffentlichun-
Tabelle 1: Allgemeine Ansätze zur Behandlungsstrategie der Akne
gen sowie auf einem globalen Konsens von anerkannten ● Sorgfältige Anamnese
Experten beruhen. Aus diesem Grund haben sich Fachleu- ● Anleitung des Patienten zur korrekten Hautpflege
te aus aller Welt in einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, welche sich zum Ziel gesetzt hat, zu schwierigen und kontroversen Themen Stellung zu nehmen und auch zum Aknemanagement einen Konsens zu ent-
● Anweisungen zur richtigen Anwendung topischer Präparate
● Patient zu einer realistischen Erwartung gegenüber der Therapie führen
● Topische Therapien benötigen viel Geduld: erste
wickeln. Ihr Bericht wurde im «Journal of the American Aca-
Erfolge frühestens nach vier bis sechs Wochen
demy of Dermatology» veröffentlicht (siehe Literatur) und ● Einfühlungsvermögen in die Notlage von Akne-
2 wird im Folgenden zusammengefasst.
patienten
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Abbildung 1: Pathogenese der Akne
Patienten führen. Eine rationelle Therapie sollte auf den
Kenntnissen der Pathogenese der Akne basieren und so
Androgene
ausgerichtet sein, dass möglichst viele der pathogenetischen Faktoren reduziert oder eliminiert werden (Abbil-
Sebozyten
Keratinozyten
dung 1). Generell bedürfen mildere Akneformen topischer und
schwere Formen systemischer Therapien.
Seborrhö
follikuläre Hyperkeratose
Ein Algorithmus für die pharmakologische Behandlung ist in Tabelle 3 aufgeführt.
Hauptpfeiler jeder Behandlung von milden bis mittel-
Veränderung des follikulären Milieus
schweren Akneformen bilden topische Retinoide. Diese
richten sich gegen die follikuläre Keratinisationsstörung
Besiedelung mit P. acnes
und die Entzündung. Bei entzündlichen Läsionen sollten lokale Retinoide mit einer antimikrobiellen Therapie (Anti-
biotika, Benzoylperoxid oder Azelainsäure) kombiniert
Entzündung
werden. Empfehlungen bezüglich der Kombination von
Antibiotika mit topischen Retinoiden sind in Tabelle 3
zusammengestellt. Systemische Antibiotika sollten stets in
Tabelle 2: Lebensqualität von Aknepatienten
Kombination mit topischen Retinoiden und eventuell zusätzlich Benzoylperoxid verabreicht werden, um eine Resis-
● Die Lebensqualität eines Aknepatienten ist ähnlich reduziert wie diejenige eines Asthma- oder Epilepsiepatienten.
● Akne ist oft begleitet von Angstzuständen, Depressionen oder Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche.
● Die emotionale Belastung des Patienten kann die Behandlung erschweren.
● Eine wirkungsarme Aknetherapie kann die Lebensqualität von Aknepatienten enorm erhöhen.
tenzbildung gegen Propionibacterium acnes zu verhindern. Ebenso sollten sie nicht über längere Zeit angewendet werden.
Bei mittelschwerer und schwerer Akne ist eine systemische Therapie notwendig. Mit oralem Isotretinoin steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der alle pathogenetischen Faktoren zugleich beeinflusst. Er erfordert aber eine gute Patientenüberwachung (Kontrolle der Leberfunktion und Lipide, psychische Probleme) sowie eine konsequente
Empfängnisverhütung bei Frauen im gebärfähigen Alter
chosoziale Aspekt der Akne. Die Lebensqualität eines (Teratogenität). Ebenso ist eine Kombination von Tetracy-
Aknepatienten ist vergleichbar mit derjenigen von Asthma- clinen mit systemischem Isotretinoin zu vermeiden (benig-
oder Epilepsiepatienten. Eine mittelschwere bis schwere ner intrasakranialer Überdruck).
Akne kann mit Angst, Depression oder beruflichen Schwie-
Folgende Indikationen erfordern den Einsatz von
rigkeiten verbunden sein. Eine wirksame Aknetherapie kann systemischem Isotretinoin:
die Lebensqualität deutlich verbessern (Tabelle 2).
● schwere Akneformen
Da sich die Therapie nach dem Schweregrad der ● mittelschwere Akneformen bei:
Akne richtet, ist deren Bewertung sehr wesentlich. Diese
– drohender Narbenbildung
umfasst folgende Kriterien:
– hoher psychosozialer Belastung
1. Schweregrad (Klassifizierung nach den internationalen
– positiver Familienanamnese.
Akne-Guidelines)
Ein weiterer Aspekt des Aknemanagements bei weib-
2. Art der Hautveränderungen (Komedonen, Papeln, lichen Patienten ist die Hormontherapie. Um die androge-
Pusteln, Knoten, Zysten)
ne Stimulierung der Talgdrüsen zu unterbinden, sind in der
3. Neigung zur Narbenbildung
hormonalen Kontrazeption antiandrogenhaltige Präparate
4. psychosoziale Belastung.
von Bedeutung.
Ist die Akne unter Kontrolle gebracht, spielt die Erhal-
2. Therapiemanagement
tungstherapie eine wichtige Rolle. Dafür eignen sich topi-
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Es gibt eine Vielzahl sehr effektiver Akne-Behandlungsme- sche Retinoide, da sie die Bildung von Mikrokomedonen
thoden, welche sich nicht nur nach dem Schweregrad der als Precursor von Akneläsionen verhindern können. Eben-
Akne, sondern auch nach den individuellen Bedürfnissen so ist eine Kombination von Benzoylperoxid (morgens) mit
der Patienten und dem Resultat der bereits durchgeführten lokalen Retinoiden (abends) sehr hilfreich.
Therapien richten. Ziel jedes Therapiekonzeptes ist es,
möglichst frühzeitig die Läsionen wirkungsvoll zu heilen, 3. Übersicht über Begleitmassnahmen
bevor Narben entstehen. Diese sind schwer zu behandeln Komedonenextraktion/Elektrokauterisation
4 und können vor allem zu einer grossen Belastung für die Makrokomedonen sind häufig der Grund für ein Therapie-
Tabelle 3: Konsens zum Therapiemanagement der Akne Eine ursachenorientierte Akne-Behandlungsstrategie zielt auf die positive Beeinflussung von möglichst vielen pathogenetischen Faktoren
Topische Retinoide haben multiple Funktionen in der Aknetherapie ● Sie inhibieren die Bildung und reduzieren die Zahl
der Mikrokomedonen, der Vorläufer von Akneläsionen ● Sie reduzieren Komedonen ● Sie reduzieren entzündliche Läsionen ● Sie fördern die Normalisierung der gestörten follikulären Keratinisation ● Sie können die Penetration anderer Medikamente erhöhen ● Sie erhalten die Remission durch Hemmung der Mikrokomedonenbildung und verhindern dadurch die Bildung neuer Läsionen
Therapieempfehlungen zu den topischen Retinoiden ● Erste Wahl für die meisten Akneformen ● Frühzeitiger Therapiebeginn für gute Resultate ● Anwendung im ganzen erkrankten Hautbereich ● Kombination mit antimikrobieller Therapie, wenn
entzündliche Läsionen vorhanden sind ● Wichtige Rolle in der Erhaltungstherapie
Kombinationstherapie (antimikrobielle Therapie + topische Retinoide) ● Die Kombination von topischen Retinoiden mit
einer antimikrobiellen Therapie ergibt bei entzündlichen Läsionen und Komedonen signifikant bessere Resultate als eine alleinige antimikrobielle Therapie ● Beeinflusst mehrere pathogenetische Faktoren der Akne gleichzeitig ● Frühzeitiger Einsatz der topischen Retinoide, um schnellere und bessere Resultate zu erzielen ● Erhaltungstherapie mit topischen Retinoiden
Therapieempfehlungen zur Kombinationstherapie ● Bei entzündlichen Läsionen ● Beschleunigt die Heilung der Komedonen und
Läsionen ● Bei Beginn der antimikrobiellen Therapie auch mit
einer lokalen Retinoid-Behandlung starten ● Die antimikrobielle Therapie beenden, wenn die
entzündlichen Läsionen zurückgegangen sind ● Wenn dies nicht möglich ist, auf eine Kombination
von Benzoylperoxid und Antibiotika ausweichen ● Nach Abschluss der Antibiotikatherapie mit topi-
schen Retinoiden weiterfahren
Antibiotische Therapie beeinflusst primär entzündliche Läsionen ● Orale und topische Antibiotika sollten nicht als
Monotherapie zum Einsatz kommen
● Antibiotika werden normalerweise gut toleriert, können aber in seltenen Fällen von schwer wiegenden Nebenwirkungen begleitet sein (Minocyclin)
● Antibiotika sollten mit topischen Retinoiden kombiniert werden, um die Wirksamkeit gegenüber Komedonen oder entzündlichen Läsionen zu erhöhen
● Das Risiko einer Resistenzbildung gegenüber P. acnes kann gesenkt werden, wenn zusätzlich zu den Antibiotika topisches Benzoylperoxid oder Azelainsäure verwendet wird
Hormontherapie ● Geeignet für Frauen, die eine orale Kontrazeption
benötigen ● Bei Frauen mit mittelschwerer und schwerer Akne
frühzeitig einsetzen ● Hilfreich als Teil der Kombinationstherapie, generell
bei Frauen, und besonders bei solchen mit endokrinen Störungen ● Kann bei Frauen mit Spätakne eingesetzt werden
Orales Isotretinoin als Hauptstütze der Behandlung schwerer Akneformen ● Beeinflusst alle pathogenetischen Faktoren der
Akne ● Auch bei schwerer Akne können sehr gute Resultate
erzielt werden ● Wird heute auch bei mittelschwerer Akne einge-
setzt ● Nebenwirkungen sind üblich, können aber gut
gehandhabt werden ● Patientenschulung ist unumgänglich (Nebenwirkun-
gen, Teratogenität, psychische Probleme, Monitoring) ● Bei Rezidiven kann ein weiterer Behandlungzyklus erforderlich sein
Therapieempfehlungen zu oralem Isotretinoin ● Indikation bei nodulozystischer Akne und schweren
Akneformen ● Einsatz, nachdem andere Therapien erfolglos
waren (bei Entzündungen besteht die Gefahr der Vernarbung) ● Verwendung bei mittelschwerer Akne mit psychosozialer Belastung ● Typische Dosierung: 0,5 bis 1,0 mg/kg täglich (Kumulationsrate 120 bis 150 mg/kg pro Therapiezyklus während 4 bis 6 Monaten) ● Es kann eine tiefere Dosierung (kleiner als 0,5 mg/kg) gewählt werden (Rezidivrate erhöht) ● Patientenführung sehr wichtig
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schwer nodulär/conglobata orales Isotretinoin3,4
hohe Dosis orale Antibiotika + top. Retinoide
+ BPO hohe Dosis orale Antiandrogen + top. Retinoid +/- alt. top. antimikrobiell
nodulocystica2 orale Antibiotika + top. Retinoide
+ BPO orales Isotretinoin
oder alt. orale Antibioka + alt. top Retinoide +/- BPO/Azelainsäure orale Antiandrogen
top. Retinoid +/- oral Antibiotika +/- alt. antimikrobiell
mittelschwer
1physikalische Komedonenextraktion sollte in Betracht gezogen werden; 2bei kleinen Knötchen (0,5–1cm) 3zweiter Behandlungszyklus bei Rezidiv; 4nicht bei Schwangerschaft
topische Retinoide +/- BPO
orale Antiandrogen + top. Retinoide/Azelainsäure
+/- top. antimikrobiell
papulopustula orale Antibiotika + top. Retinoide
+/- BPO alt. orale Antibiotika + alt. top. Retinoide
+/- BPO
versagen, da sie in der Regel nicht auf topische oder systemische Retinoide ansprechen. Hilfreich ist dann eine Extraktion durch Elektrokauterisation oder Laser unter lokaler Anästhesie.
Chemisches Peeling Um Narben oder Hyperpigmentierungen zu korrigieren, kann ein leichtes chemisches Peeling eingesetzt werden, aber erst nachdem die Akne unter Kontrolle gebracht wurde. Für das Peeling kommen Alpha-Hydroxysäuren oder Salicylsäure zum Einsatz.
Fototherapie Patienten mit milder bis moderater Akne können von einer Fototherapie mit Blaulicht oder aus einer Kombination von Blau- und Rotlicht profitieren.
Kortikosteroide
Eine kurzzeitige Initialtherapie mit Kortikosteroiden ist bei
stark entzündlichen Formen, insbesondere bei Acne con-
globata und Acne fulminans, ein wichtiger Therapiean-
satz.
●
Korrespondenzadresse: Dr. med. Martin Kägi Facharzt Dermatologie und Allergologie Schaffhauserstrasse 355 8050 Zürich E-Mail: praxis.kaegi@hin.ch Internet: www.hautarzt-zh.ch
Literatur: 1. Gollnick H., Cuncliff W.: Management of Acne, A Report From a Global Alliance to Improve Outcomes in Acne. J Am Acad Derm (Suppl) 2003; 49: 1–37. Produktion und Publikation dieses Artikels wurden von einem «Educational Grant» der Firma Galderma unterstützt.
Die Schweizer Akneguidelines wurden von der Arbeitsgruppe für Akne der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie im Jahr 2000 erstellt und im Mai 2003 im Hinblick auf Therapieversager und das vermehrte Auftreten der Spätakne adaptiert. Sie richten sich in erster Linie an Dermatologen, sollen aber auch Allgemeinärzten, Apothekern und Kosmetikerinnen zur Information für Diagnosestellung und Therapie dienen. Folgende Ziele wurden vereinbart: ● Information über den geltenden Qualitätsstandard ● bessere Koordination der zur Verfügung stehenden
Therapieansätze ● grössere Effizienz und besseres Kosten-Nutzen-Ver-
hältnis in der Aknetherapie.
siehe 1. Wahl
papulopustula top. Retinoide + top. antimikrobiell alt. top. antimikrobiell + alt. top. Retinoide
oder Azelainsäure
topische Retinoide
alt. top. Retinoide oder
Azelainsäure oder
Salicylsäure siehe 1. Wahl
comedonica top. Retinoide
Tabelle 3: Algorithmus der Aknebehandlung (1)
mild
Erhaltungstherapie
Alternativen Alternativen für Frauen1,4
Akneform: 1.Wahl1
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