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BERICHT
Adipositas und Dyslipidämie
Häufig beides vorhanden und zu therapieren
Viele Patienten mit Adipositas haben erhöhte Lipidwerte. Sowohl Dyslipidämie als auch Adipositas sollten behandelt werden, um das kardiovaskuläre Risiko und adipositasbedingte Komplikationen zu reduzieren. Lebensstiländerungen, Verhaltensinterventionen und Pharmakotherapie sind angezeigt, wenn das gesamtkardiovaskuläre Risiko hoch oder sehr hoch ist.
Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko für zahlreiche Komorbiditäten wie beispielsweise Typ-2-Diabetes, arterielle Hypertonie, Herzkrankheiten, Hirnschlag, Gelenkprobleme, Lebererkrankungen, Gallensteine, bestimmte Krebsarten sowie Schlaf- und Atemstörungen. Bei etwa 60–70% der adipösen Personen besteht auch eine Dyslipidämie.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Prognose und Lebensqualität eines adipösen Patienten mit Dyslipidämie zu beeinflussen. Lebensstiländerungen bilden dabei die Grundlage jeder Intervention. Bei entsprechender Indikation kommt auch eine Pharmakotherapie gegen Dyslipidämie oder Adipositas zum Einsatz.
Erstes Ziel Gewichtsreduktion Eine Gewichtsreduktion von 5–10% innerhalb von sechs Monaten ist ein realistisches Ziel. Dazu ist eine strukturierte und umfassende Lebensstilintervention in Form eines persönlichen, hochintensiven Programms (≥ 14 Sitzungen in 6 Monaten) als die effektivste Verhaltenstherapie bei Übergewicht oder Adipositas empfohlen. Die Behandlung der Dyslipidämie erfolgt gemäss den aktuellen Guidelines. Zu diesem Zweck sollte man vorrangig das gesamte kardiovaskuläre Risiko abschätzen und daraus folgend die Zielwerte für Lipide definieren, wobei Adipositas zu den Risikofaktoren zählt, die das Gesamtrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen. Darüber hinaus müssen auch andere zusätzliche Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie oder gestörter Glukosestoffwechsel mittels Pharmakotherapie behandelt werden.
Verschiedene Massnahmen möglich Körperliche Aktivität ist wichtig für die Gewichtsreduktion sowie für die Behandlung der Dyslipidämie und anderer vorhandener Risikofaktoren. Dennoch hat sich gezeigt, dass körperliche Aktivität allein ohne eine Diät nicht ausreicht, um einen signifikanten Gewichtsverlust zu bewirken, ebensowenig um einen erreichten Gewichtsverlust aufrechtzuerhalten.
Mit dem Gewichtsverlust sinken auch die LDL-Cholesterin(C)-Werte. Eine Metaanalyse von 30 randomisierten kontrollierten Studien mit > 2000 Teilnehmern zeigte, dass eine Lebensstiländerung (Diät und/oder Bewegung) nach einem Jahr pro Kilogramm Gewichtsverlust zu einer Senkung der
Triglyzeride (TG) um 0,05 mmol/l, des LDL-C um 0,03 mmol/l und zu einer Erhöhung des HDL-C um 0,01 mmol/l führte.
Eine weitere Möglichkeit ist die metabolische Chirurgie, die ursprünglich zur Korrektur der Hypercholesterinämie eingeführt wurde. Inzwischen ist die Hauptindikation für bariatrische Eingriffe die Behandlung der Adipositas.
Eine Metaanalyse mit Studien mit > 2 5 000 Teilnehmern (Body-Mass-Index 45,5 kg/m2), die sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten, zeigte nach einem Jahr im Vergleich zu den Ausgangswerten signifikante Reduktionen des Gesamtcholesterins (TC) (–0,74 mmol/l), des LDL-C (–0,57 mmol/l), der Triglyzeride (–0,7 mmol/l) und eine signifikante Erhöhung des HDL-C um 0,18 mmol/l. Das Ausmass dieser Veränderungen war signifikant grösser als bei den nicht chirurgischen Kontrollpatienten.
Dabei variierten die Veränderungen je nach Operationsmethode: Nach biliopankreatischer Diversion und Roux-en-YMagenbypass waren sie am grössten, bei der Magenbandoperation (TC und LDL-C) und der Schlauchmagenresektion (LDL-C) unterschieden sich die Ergebnisse nach einem Jahr postoperativ nicht signifikant von denen der nicht chirurgischen Kontrollpatienten.
Pharmakologische Optionen Gewichtsreduzierende Medikamente Der Lipasehemmer Orlistat bewirkt neben der leichten Gewichtsreduktion auch eine leichte Senkung des TC, des LDL-C und der TG. Allerdings ist die Senkung des TG und des LDL-C konsistenter bei grösserem Gewichtsverlust und kürzerer Orlistat-Einnahme.
Der GLP-1-Rezeptoragonist (GLP-1-RA) Semaglutid bewirkt hinsichtlich der Lipide eine Reduktion der postprandialen TG, indem es die zirkulierenden Chylomikronen senkt, was auf eine verringerte intestinale Lipoproteinproduktion zurückzuführen ist. Semaglutid zeigte eine Senkung des LDL-C um 0,18 mmol/l und eine ausgeprägte Reduktion der TG um 0,19 mmol/l, während das HDL-C um 0,04 mmol/l erhöht wurde. Der GLP-1-RA Liraglutid zeigt ebenfalls einige Reduktionen bei TG (–9%) und LDL-C (–2,4%) sowie eine Erhöhung des HDL-C (+1,9%). Wahrscheinlich sind die Veränderungen der Lipidwerte hauptsächlich durch den Gewichtsverlust bedingt.
16 congressselection adipositas | März 2025
BERICHT
Durchschnittliche LDL-CReduktion von Lipidsenkern
Statin mittlerer Intensität Bempedoinsäure Bempedoinsäure plus Ezetimib hochwirksames Statin Inclisiran hochwirksames Statin plus Ezetimib PCSK9-Hemmer PCSK9-Hemmer plus hochwirksames Statin PCSK9-Hemmer plus hochwirksames Statin plus Ezetimib
Quelle: mod. nach (1)
≈ 30% ≈ 30% ≈ 50% ≈ 50% ≈ 50% ≈ 65% ≈ 60% ≈ 75%
≈ 85%
Lipidsenker Der Einsatz von Lipidsenkern ist angezeigt, wenn ein Risiko für eine atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankung (ASCVD) besteht. Als Zielwerte für Personen mit geringem ASCVD-Risiko gilt gemäss den Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) (1) ein LDL-C-Wert von < 3 mmol/l, bei mitt- lerem Risiko < 2,6 mmol/l, bei hohem Risiko < 1,8 mmol/l und bei sehr hohem Risiko < 1,4 mmol/l. Zusätzlich sollte bei Personen mit hohem/sehr hohem Risiko für ASCVD der LDL-CWert um 50% des Ausgangswerts gesenkt werden. Medikamentöse Optionen sind dabei Statine (insbesondere die stark wirksamen wie Atorvastatin [div. Präparate], Rosuvastatin [div. Präparate] und Pitavastatin [div. Präparate]), Ezetimib (div. Präparate), Bempedoinsäure (Nilemdo®, Nustendi®), PCSK9-Hemmer (Evolocumab [Repatha®], Alirocumab [Praluent®]) sowie der PCSK9-Synthesehemmer Inclisiran (Leqvio®). Je nach Substanz und Kombination senken sie den LDL-C-Spiegel unterschiedlich stark (Kasten). Valérie Herzog Quelle: Nussbaumerova B et al.: Obesity and Dyslipidemia. Curr Atheroscler Rep. 2023;25(12):947-955. doi:10.1007/s11883-023-01167-2 Interessenlage: Die Autorinnen geben an, keine finanziellen Interessen zu haben, die direkt oder indirekt mit der zur Veröffentlichung eingereichten Arbeit in Zusammenhang stehen. Referenz: 1. Mach F et al.: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk [published correction appears in Eur Heart J. 2020 Nov 21;41(44):4255. doi: 10.1093/eurheartj/ehz826]. Eur Heart J. 2020;41(1):111-188. doi:10.1093/eurheartj/ehz455 congressselection adipositas | März 2025 17