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UEG-WEEK
Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
JAK-Inhibitoren, IL-23-Inhibitoren, S1P-Rezeptormodulatoren
In der Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden immer mehr Substanzklassen verfügbar. Seit den herkömmlichen TNF-alpha-Hemmern haben sich in der Zwischenzeit JAK-, IL-12/23und IL-23-Inhibitoren sowie S1P-Rezeptormodulatoren etabliert. Das Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten und Alternativen bei Nichtansprechen einer Therapie ist damit grösser geworden, und die klinische wie auch die endoskopische Remission haben die reine Symptomkontrolle als Behandlungsziel abgelöst. Am Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week) erklärten Experten, wie die neuen Substanzklassen funktionieren.
Januskinasen (JAK) sind rezeptorassoziierte Kinasen, die sich am zytoplasmatischen Ende verschiedener Zytokinrezeptoren befinden. Sie arbeiten in Hetero- oder Homodimeren und sind an der Signalweiterleitung von Zytokinen in den Zellkern beteiligt. Wichtig sei, dass im Gegensatz zu den meisten Biologika die JAK1-Inhibition die Signalweiterleitung mehrerer Zytokine hemme, was zur Wirksamkeit dieser Medikamente beitrage, erklärte Prof. Dr. Sebastian Zeissig, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A der Universitätsmedizin Greifswald.
Für Colitis ulcerosa sind derzeit drei JAK-Inhibitoren zugelassen: Tofacitinib (ein JAK1-, JAK2- und JAK3-Inhibitor) sowie Upadacitinib und Filgotinib (nicht in der Schweiz), zwei JAK1-bevorzugende Inhibitoren. Bei Morbus Crohn wurde nur Upadacitinib zugelassen, nachdem alle drei getestet worden waren.
Tofacitinib hemmt JAK1, JAK2 und JAK3 mit gleicher Potenz, während die beiden JAK1-bevorzugenden Inhibitoren, Filgotinib und Upadacitinib, JAK1 bei deutlich niedrigeren Dosierungen hemmen als JAK2 und vor allem JAK3.
Was bringen JAK-Hemmer? First-Line-Therapie bei mittelstarker Colitis ulcerosa zur Remissionsinduktion ist Prednisolon. Ob sich Tofacitinib auch dazu eignen würde, um die Steroidnebenwirkungen zu umgehen, wurde in einer kürzlich publizierten randomisierten, offenen und kontrollierten Pilotsstudie getestet. 78 Patienten erhielten während acht Wochen entweder Prednisolon (40 mg/ Tag) oder Tofacitinib (20 mg/Tag). Als primärer Endpunkt nach acht Wochen war die Remission, zusammengesetzt aus Mayo Score ≤ 2, endoskopischem Subscore 0 und fäkalem Calprotectin < 100 µg/g, definiert. Das Ergebnis zeigte eine vergleichbare Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate beider Therapien (1).
Als Nebenwirkungen von JAK-Inhibitoren gelten vor allem die Begünstigung von opportunistischen Infekten wie beispielsweise die Reaktivierung von Herpes zoster, insbesonde-
re unter Tofacitinib und Upadacitinib, nicht aber unter Filgotinib, wie ein systematischer Review mit Netzwerkmetaanalyse ergab (2). Diskussionen gab es auch darüber, ob Tofacitinib das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse erhöhe, berichtete Prof. Zeissig. Eine Real-World-Kohortenstudie untersuchte diesen Verdacht anhand von Patientendaten mit Tofacitinib (n = 12 852) bei rheumatoider Arthritis, einer bereits länger bestehenden Indikation dieses JAK-Hemmers. Im Vergleich zu Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Inhibitoren (n = 89 231) traten unter dem JAK-Hemmer nur numerisch mehr schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf, dies bei Patienten mit bestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren (3). Bei den Patienten mit Colitis ulcerosa traten im OCTAVE-Studienprogramm von 2814 Patientenjahren acht (0,7%) schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf, die meisten bei Patienten mit höherem kardiovaskulären Risiko, in erster Linie infolge höheren Alters (4).
Inwieweit JAK-Hemmer das Krebsrisiko erhöhen, wurde in einer rheumatologischen Metaanalyse untersucht. Das Resultat war widersprüchlich, so zeigte sich für JAK-Hemmer ein leicht erhöhtes Krebsrisiko im Vergleich zu TNF-alpha-Inhibitoren, das Krebsrisiko im Vergleich zu Plazebo war aber nicht erhöht (5). Eine Metaanalyse bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung (n = 10 623) aus 27 randomisierten, kontrollierten Studien mit einer Follow-up-Zeit bis 58 Wochen zeigte für JAK-Hemmer dagegen kein erhöhtes Krebsrisiko (6).
Trotz aller Gegenbeweise riet Prof. Zeissig zur Vorsicht bei speziellen Patientenpopulationen. JAK-Inhibitoren sollten beispielsweise bei > 65-Jährigen nur im Fall von mangelnden Alternativen eingesetzt werden, dies ebenso bei Rauchern oder Ex-Rauchern, bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären und mit erhöhtem Krebsrisiko, so sein Rat. Bei Schwangerschaft oder Leberzirrhose Child C sollte ganz darauf verzichtet und bei Nierenfunktionsstörung die Dosis angepasst werden.
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IL-23-Hemmer bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Der monoklonale Antikörper Ustekinumab war der erste Vertreter dieser Klasse mit einer doppelten Hemmung von Interleukin(IL)-12 und IL-23, jeweils gerichtet gegen deren Untereinheit p40. Zu den reinen IL-23-Hemmern gegen p19 gehören Guselkumab, Mirikizumab, Risankizumab, wie Prof. Dr. Silvio Danese, Ospedale San Raffaele, Mailand (I), erklärte.
In Phase-III-Studien mit Riskanizumab bei Patienten mit Morbus Crohn mit und ohne vorgängige Behandlung mit Biologika erreichten signifikant mehr von ihnen eine klinische Remission und ein endoskopisches Ansprechen nach 12 Wochen als unter Plazebo (7). Nach 52 Wochen waren die Behandlungseffekte numerisch grösser als mit Plazebo (8).
Die SEQUENCE-Studie untersuchte die Frage, mit welchem der beiden Biologika Risankizumab und Ustekinumab nach einer wegen Nebenwirkungen abgebrochenen Anti-TNFalpha-Therapie die Behandlung fortgesetzt werden soll. Im Vergleich der beiden Biologika erwies sich Risankizumab hinsichtlich einer klinischen Remission nach 24 Wochen als nicht unterlegen und bezüglich der endoskopischen Remission nach 48 Wochen als überlegen (9).
In einer zweiten Vergleichsstudie zwischen Mirikizumab und Ustekinumab erreichte der IL-23-Hemmer Mirikizumab die Nichtunterlegenheit hinsichtlich der klinischen Remission nach 52 Wochen, aber keine Überlegenheit bezüglich des endoskopischen Ansprechens, wie Prof. Danese berichtete (10). Eine dritte Vergleichsstudie untersuchte die Wirksamkeit von Guselkumab versus Plazebo und versus Ustekinumab. Guselkumab war Ustekinumab in allen Endpunkten (klinische, endoskopische und tiefe Remission nach 48 Wochen) überlegen (11).
Bei Patienten mit Colitis ulcerosa sind Mirikizumab, Guselkumab und Risankizumab ebenfalls in Anwendung, letztere zwei sind in der Schweiz in dieser Indikation noch nicht zugelassen. Mit allen drei IL-23-Hemmern erreichten in den Phase-III-Studien signifikant mehr Patienten eine anhaltende klinische Remission als unter Plazebo (12–14).
Bei den Vertretern dieser Substanzklassen sind keine neuen Sicherheitssignale aufgetreten, häufige Nebenwirkungen sind unter anderem Kopfschmerzen und vermehrte Infekte.
S1P-Rezeptormodulatoren bei Colitis ulcerosa Unter physiologischen Bedingungen befinden sich etwa 2% des gesamten Lymphozytenpools im menschlichen Körper im Kreislauf. Der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor (S1PR) kontrolliert den Lymphozytenaustritt aus dem lymphatischen Gewebe zu den Entzündungsorten (15). S1P-Rezeptormodulatoren verhindern das, wie Prof. Dr. Laurent Peyrin-Biroulet, Nancy (F), an der UEG-Week einen komplizierten Mechanismus einfach zusammenfasste. Erster Vertreter dieser Substanzklasse war Fingolimod, ein unselektiver S1P-Rezeptormodulator, erst eingesetzt bei Multipler Sklerose und später auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Weitere selektive S1P-Rezeptormodulatoren sind Ozanimod und Etrasimod, die spezifisch an S1P1 und S1P5, und im Fall von Etrasimod noch an S1P4, binden, so Prof. Peyrin-Biroulet.
In der Zulassungsstudie erreichten unter der oralen Induktionstherapie mit Ozanimod nach 10 Wochen mehr Patienten klinische Remission, endoskopisches und histologisches Ansprechen als mit Plazebo, was auch nach weiteren 42 Wochen anhielt (16). Dies bei guter Verträglichkeit.
Auch unter Etrasimod erreichten signifikant mehr Patienten eine klinische Remission nach 12 und 52 Wochen als unter Plazebo. Das traf auch für die weiteren Endpunkte endoskopische und histologische Verbesserung sowie Symptomremission zu. Etrasimod als selektiver oraler S1P1,4,5Rezeptormodulator braucht keine Dosistitration (17). Die Verträglichkeit war ähnlich wie in den Ozanimodstudien (17).
Bei Vorhandensein von kardiovaskulären Erkrankungen sind S1P-Rezeptormodulatoren allerdings kontraindiziert. Des Weiteren sollte vor Therapiebeginn die Lymphozytenzahl bestimmt werden, da diese unter der Therapie um 50% abnehme, so der Experte. Ein Leberfunktionstest und eine Fundoskopie vor allem bei Patienten mit Diabetes, Uveitis oder Makulaödem sollten ebenfalls durchgeführt werden. Da Herpes zoster die häufigste opportunistische Infektion unter dieser Therapie ist, ist eine Impfung einen Monat vor Therapiebeginn ebenfalls empfehlenswert.
Valérie Herzog
Quelle: «Sequencing therapies for Crohn’s disease». Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week), 13. bis 15. Oktober 2024, in Wien
Wann sollen IL-23-Hemmer angewendet werden? Bei Patienten mit Colitis ulcerosa verwendet sie Prof. Danese zunehmend als First-Line-Therapie, vor allem bei TNF-alphaVersagern und bei Patienten mit gleichzeitiger Psoriasis beziehungsweise Psoriasisarthritis. Bei Patienten mit Morbus Crohn kommen sie in zweiter Linie nach Versagen von Vedolizumab oder anderen Therapien zum Einsatz und bei gleichzeitiger Psoriasis respektive Psoriasisarthritis. Auf IL-23-Therapie verzichtet Prof. Danese dagegen bei perianaler Erkrankung, Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts, gleichzeitiger axialer Arthritis und schwerer akuter Colitis ulcerosa.
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Referenzen: 1. Singh A et al.: Tofacitinib Versus Oral Prednisolone for Induction of
Remission in Moderately Active Ulcerative Colitis [ORCHID]: A Prospective, Open-Label, Randomized, Pilot Study. J Crohns Colitis. 2024;18(2):300-307. doi:10.1093/ecco-jcc/jjad153 2. Din S et al.: Systematic review with network meta-analysis: Risk of Herpes zoster with biological therapies and small molecules in inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Ther. 2023;57(6):666675. doi:10.1111/apt.17379 3. Khosrow-Khavar F et al.: Tofacitinib and risk of cardiovascular outcomes: results from the Safety of TofAcitinib in Routine care patients with Rheumatoid Arthritis (STAR-RA) study. Ann Rheum Dis. 2022;81(6):798-804. doi:10.1136/annrheumdis-2021-221915 4. Schreiber S et al.: Major Adverse Cardiovascular Events by Baseline Cardiovascular Risk in Patients with Ulcerative Colitis Treated with Tofacitinib: Data from the OCTAVE Clinical Programme. J Crohns Colitis. 2023;17(11):1761-1770. doi:10.1093/ecco-jcc/jjad104 5. Russell MD et al.: JAK inhibitors and the risk of malignancy: a meta-analysis across disease indications. Ann Rheum Dis. 2023;82(8):10591067. doi:10.1136/ard-2023-224049 6. Chen L et al.: Small molecules for inflammatory bowel disease and the risk of infection and malignancy: A systematic review and meta-Analysis. Dig Liver Dis. 2024;56(11):1828-1838. doi:10.1016/j.dld.2024.07.018 7. D'Haens G et al.: Risankizumab as induction therapy for Crohn's disease: results from the phase 3 ADVANCE and MOTIVATE induction trials. Lancet. 2022;399(10340):2015-2030. doi:10.1016/S01406736(22)00467-6 8. Ferrante M et al.: Risankizumab as maintenance therapy for moderately to severely active Crohn's disease: results from the multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, withdrawal phase 3 FORTIFY maintenance trial. Lancet. 2022;399(10340):2031-2046. doi:10.1016/S0140-6736(22)00466-4 9. Peyrin-Biroulet Let al.: Risankizumab versus Ustekinumab for Moderate-to-Severe Crohn's Disease. N Engl J Med. 2024;391(3):213223. doi:10.1056/NEJMoa2314585 10. Jairath V et al.: Efficacy of mirikizumab in comparison to ustekinumab in patients with moderate to severe Crohn’s disease: Results from the phase 3 VIVID 1 study. Abstract jjad212.0035, ECCO-Kongress, 21.–24. Februar 2024, Stockholm 11. Panaccione R et al.: Efficacy and safety of guselkumab therapy in patients with moderately to severely active Crohn’s disease: results of the GALAXI 2 & 3 phase 3 studies. Abstract 1057b, Digestive Disease Week (DDW). 18–21 Mai 2024, Washington 12. D'Haens G et al.: Mirikizumab as Induction and Maintenance Therapy for Ulcerative Colitis [published correction appears in N Engl J Med. 2023 Aug 24;389(8):772. doi: 10.1056/NEJMx230004]. N Engl J Med. 2023;388(26):2444-2455. doi:10.1056/NEJMoa2207940 13. Rubin DT et al.: The Efficacy and Safety of Guselkumab as Maintenance Therapy in Patients With Moderately to Severely Active Ulcerative Colitis: Results From the Phase 3 QUASAR Maintenance Study. Abstract 759, Digestive Disease Week (DDW). 18–21 Mai 2024, Washington. Gastroenterol Hepatol. 2024 Jul;20(7 Suppl 6):8-9. 14. Louis E et al.: Risankizumab for Ulcerative Colitis: Two Randomized Clinical Trials. JAMA. 2024;332(11):881-897. doi:10.1001/jama.2024. 12414 15. Matloubian M et al.: Lymphocyte egress from thymus and peripheral lymphoid organs is dependent on S1P receptor 1. Nature. 2004;427(6972):355-360. doi:10.1038/nature02284 16. Sandborn WJ et al.: True North Study Group. Ozanimod as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med. 2021;385:1280-1291. 17. Sandborn WJ et al.: Etrasimod as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis (ELEVATE): two randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 studies. Lancet. 2023;401(10383):11591171. doi:10.1016/S0140-6736(23)00061-2
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