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UEG-WEEK
Helicobacter pylori
H. pylori eradizieren, Magenkrebs verhindern
Eine H.-pylori-Gastritis gilt als Infektionskrankheit. Dass der als Hauptauslöser für Magenkrebs geltende Keim eher früher als später eradiziert werden sollte, darin waren sich die Experten am Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week) einig. Sie erklärten auch, wie eine Eradikationstherapie optimiert werden kann.
«Lange Zeit glaubten wir, dass der Magen steril sei. Dann entdeckten wir Helicobacter pylori und hielten ihn lange Zeit für den einzigen Bewohner des Magens. Heute wissen wir, dass dem nicht so ist», sagte der Präsident der European Helicobacter and Microbiota Study Group, Prof. Dr. Gianluca Ianiro, Digestive Disease Center, Fondazione Policlinico Universitario A. Gemelli, Rom (I). Der menschliche Magen ist auch von anderen Bakterien besiedelt, der sogenannten gastrischen mikrobiellen Gemeinschaft. Diese Bakterien sind nicht nur passiv, sondern interagieren funktionell, oft positiv mit H. pylori. Die Mundhöhle beeinflusst die Zusammensetzung des Magenmikrobioms erheblich. Die Bakterien aus der Mundhöhle sind oft aggressiver und können bei Dislozierung in andere Körperbereiche schädlich sein, wie z.B. Fusobacterium nucleatum bei der Pathogenese von Darmkrebs. Entlang des Gastrointestinaltrakts sind Unterschiede in der mikrobiellen Zusammensetzung erkennbar, wobei Proteobakterien im Magen dominieren, da sie die sauren Bedingungen überleben können.
Bei einer H.-pylori-Infektion sinke die bakterielle Vielfalt im Magen jedoch drastisch, was sich nach einer Eradikation teilweise normalisiere, so Prof. Ianiro. Dennoch können ohne H. pylori auch andere Bakterien dominieren, die die Karzinogenese fördern können. Insbesondere die Langzeitanwendung von Protonenpumpenhemmern (PPI) verändert den Magen-pH wie auch das Mikrobiom und kann einer Besiedlung durch opportunistische Bakterien aus der Mundhöhle Vorschub leisten.
Studien zeigen, dass das Mikrobiommuster zwischen Gastritis und Magenkarzinom variiert, was darauf hindeutet, dass es in die Karzinogenese involviert sein könnte. H. pylori bleibt der Hauptauslöser, doch auch andere Bakterien tragen zur Pathogenese bei. In Zukunft könnten mikrobielle Signaturen zu diagnostischen Markern werden, und therapeutische Strategien zur Modulation des Mikrobioms könnten entwickelt werden.
Optimierungsmöglichkeiten einer Eradizierung Von einer Infektion mit H. pylori ist weltweit etwa die Hälfte der Bevölkerung betroffen. Es handelt sich um einen hochgradig pathogenen Erreger, der Gastritis, Magenulzera und
Magenkrebs verursachen kann. Die Eradikationstherapie gegen H. pylori hat gezeigt, dass sie das Risiko für Magenkrebs verringert, insbesondere wenn die Erkrankung in einem frühen Stadium diagnostiziert wird. Leider erfolgt die Diagnose oft in einem späten und fortgeschrittenen Stadium mit begrenzten Behandlungsmöglichkeiten. Eine frühzeitige Diagnose ist daher entscheidend, da Magenkrebs das Ergebnis mehrerer Faktoren wie Ernährung, Genetik und insbesondere der H.-pylori-Infektion ist (1), wie Prof. Dr. Olga Nyssen, Scientific Director Hp-Eureg and World-HpReg, Department of Gastroenterology, Hospital Universitario La Princesa, Madrid (E), an der UEG-Week berichtete.
Eine Eradikation kann das Risiko für Magenkrebs verringern, wobei der Zeitpunkt der Eradikation für das Ausmass der Risikominderung entscheidend ist. Eine Eradikation ist besonders wirksam bei Personen ohne Atrophie oder intestinale Metaplasie. Das zeigte eine randomisierte, kontrollierte Studie mit einer Gruppe mit H.-pylori-Eradikationstherapie und mit einer Plazebogruppe. Nach mehr als 25 Jahren Nachbeobachtung war die Magenkrebsinzidenz in der Eradikationsgruppe um 43% tiefer gesunken als in der Plazebogruppe und um bis zu 63% tiefer bei Personen ohne präkanzeröse Magenläsionen (2). Aus diesen Gründen sei eine Eradikationstherapie ein Muss, so Prof. Nyssen. Um die Therapiesituation laufend zu verbessern, wird in einem europäischen Register die klinische Praxis von Gastroenterologen hinsichtlich des Managements von H. pylori dokumentiert (www.hpeureg.com). Derzeit beteiligen sich 400 Forscher aus 38 Ländern, was das Einzugsgebiet von etwa 90% der europäischen Bevölkerung abdeckt.
Das Register hat in den letzten zehn Jahren fast 80 000 Fälle aufgenommen. Ziel sei es, die wichtigsten Erkenntnisse zusammenzufassen und den Einfluss auf die klinische Praxis sowie auf das Screening von Magenkrebs zu bewerten, wie Prof. Nyssen, wissenschaftliche Direktorin des Registers, erläuterte. Aus den Erkenntnissen wurden mehrere wichtige Publikationen veröffentlicht, die als Leitfaden für Ärzte dienen. Aus dieser Datensammlung konnten bereits wichtige Schlüsse für die Therapie gezogen werden (3,4): • Die Standard-Triple-Therapie sollte in Regionen vermieden
werden, wo diese unwirksam ist. Trotz suboptimaler
6 congressselection gastroenterologie | Februar 2025
UEG-WEEK
Maastricht-Empfehlungen zur H.-pylori-Eradikation (Auswahl)
• H.-pylori-Infektionen verursachen immer eine Gastritis, unabhängig von Symptomen oder Komplikationen.
• Eine H.-pylori-Gastritis ist eine Infektionskrankheit.
• Die Eradikation von H. pylori ist zur Prävention von Magenkrebs am effektivsten, bevor sich eine schwere chronische atrophische Gastritis entwickelt.
• Wenn individuelle Resistenztests nicht verfügbar sind, ist in Gebieten mit hoher (> 15%) oder unbekannter Clarithromycin-Resistenz eine bismuthaltige Vierfachtherapie als Erstlinientherapie empfohlen. Ist diese nicht verfügbar, kann eine nicht bismuthaltige Vierfachtherapie in Betracht gezogen werden.
• Eine bismuthaltige Vierfachtherapie sollte 14 Tage andauern, es sei denn, 10-tägige wirksame Therapien sind verfügbar.
• Die Verwendung von hoch dosierten PPI zweimal täglich erhöht die Wirksamkeit einer Dreifachtherapie. Ob hoch dosierte PPI auch die Wirksamkeit einer Vierfachtherapie verbessern, ist unklar.
• Empirische Zweitlinien- und Rescue-Therapien sollten durch lokale Resistenzmuster, die durch Resistenztests und Eradikationsraten bewertet werden, geleitet werden, um den Behandlungserfolg zu optimieren.
• Bei Patienten mit einer Penicillin-Allergie ist als First-LineTherapie eine Bismut-Vierfachtherapie (PPI-BismutTetracyclin-Metronidazol) empfohlen. Als Zweitlinientherapie wären eine bismuthaltige Vierfachtherapie (falls nicht zuvor verordnet) und ein Fluorchinolon-haltiges Schema eine Option.
• Probiotika wie Lactobacillus und Saccharomyces boulardii (Perenterol®) reduzieren die Nebenwirkungen einer Eradikationstherapie. Bei Saccharomyces boulardii zeigten Metaanalysen eine Risikoreduktion für Nebenwirkungen zwischen 53 und 56%.
• Probiotika wie Lactobacillus spp., Bifidobacterium spp. und Saccharomyces boulardii erhöhen die Eradikationsrate infolge Verringerung der antibiotikaassoziierten Nebenwirkungen.
Quelle: mod. nach (5).
Ergebnisse werden immer noch 40% der Erstlinientherapien als Triple-Therapie verschrieben. Die Verwendung von bismuthaltiger Vierfachtherapie hat jedoch zugenommen. • Die bismuthaltige Vierfachtherapie ist eine wirksame Erstlinienoption, insbesondere bei Resistenzen. Sie erreicht Eradikationsraten von über 90%. • Eine Behandlung über 14 Tage ist zu bevorzugen, es sei denn, kürzere Therapien sind lokal effektiv: Studien bestätigen, dass 10- und 14-tägige Therapien Eradikationsraten von über 90% erreichen. • Hohe Dosierungen von PPI verbessern die Eradikationserfolge: Doppelte PPI-Dosierungen, z.B. Omeprazol 40 mg zweimal täglich, erhöhen die Wirksamkeit. • Die Compliance ist entscheidend: Patienten, die die Therapie wie vorgeschrieben einhalten, erzielen deutlich höhere Eradikationsraten.
Seit 2013 sind die Eradikationsraten in Europa gemäss Register von 86 auf 95% im Jahr 2024 gestiegen. Die Erkenntnisse aus diesen Daten haben massgeblich zu den Empfehlungen des Maastricht-VI-Konsensus (5) beigetragen (Kasten). Das Register wird nun auf die ganze Welt ausgeweitet, denn die Eradikationstherapie bleibt die wichtigste Strategie zur Reduktion der Magenkrebsbelastung. Screening-Programme für Magenkrebs bestünden in Europa noch nicht, seien aber in Entwicklung, so Prof. Nyssen abschliessend.
Valérie Herzog
Quelle: «What’s new in H. pylori 2024?». Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week), 13. bis 15. Oktober 2024, in Wien
Referenzen: 1. Liou JM et al.: Efficacy and Long-Term Safety of H. pylori Eradication for
Gastric Cancer Prevention. Cancers (Basel). 2019;11(5):593. doi:10.3390/cancers11050593 2. Yan L et al.: Effect of Helicobacter pylori Eradication on Gastric Cancer Prevention: Updated Report From a Randomized Controlled Trial With 26.5 Years of Follow-up. Gastroenterology. 2022;163(1):154-162.e3. doi:10.1053/j.gastro.2022.03.039 3. Nyssen OP et al.: Room for Improvement in the Treatment of Helicobacter pylori Infection: Lessons from the European Registry on H. pylori Management (Hp-EuReg). J Clin Gastroenterol. 2022;56(2):e98-e108. doi:10.1097/MCG.0000000000001482 4. Nyssen OP et al.: European Registry on Helicobacter pylori Management (Hp-EuReg): Most relevant results for clinical practice. Front. Gastroenterol. 2022;1:965982. doi: 10.3389/fgstr.2022.965982 5. Malfertheiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection: the Maastricht VI/Florence consensus report. Gut. Published online August 8, 2022. doi:10.1136/gutjnl-2022-327745
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