Transkript
Vielversprechende Biologika
Therapie der COPD: neue Medikamente in klinischen Studien erfolgreich
ERS
Das Management der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) beruht heute auf dualer Bronchodilatation, unter Umständen kombiniert mit einem inhalativen Kortikosteroid. Ein zunehmend besser werdendes Verständnis der zugrunde liegenden Pathophysiologie könnte die Option von Biologikatherapien ermöglichen. Nach ersten Misserfolgen liegen mittlerweile ermutigende Studiendaten für eine Reihe von Antikörpern vor. Ebenso ist in den USA inzwischen der erste PDE3/PDE4-Inhibitor in der Indikation COPD zugelassen.
Die Pathophysiologie der COPD ist auf mehreren Ebenen komplex. Ausgehend von einem Wechselspiel zwischen Umwelteinflüssen und genetischer Suszeptibilität kommt es zu mannigfaltigen Manifestationen von Entzündung und Remodelling. Dies kann eine durch Alarmine getriebene, neutrophile T1/T17-Inflammation ebenso wie eine von Eosinophilen dominierte T2-Inflammation sein. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen wie die Ausbildung eines Emphysems oder Pathologie der kleinen Atemwege mit Obliteration, Mucus Plugging, Fibrose etc. (1). Eine ganze Reihe beteiligter Zytokine sei bekannt, und damit gebe es auch zahlreiche Kandidaten für Biologikatherapien, erklärt Prof. Dr. Chris Brightling, University of Leicester (GB). So dominieren in nicht eosinophiler, neutrophiler COPD Zytokine wie die Interleukine (IL) 1 und 8 sowie der Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), die unter anderem der Signalübermittlung an neutrophile Granulozyten dienen. Folglich war es naheliegend, Biologika, die sich gegen diese Zytokine richten, in der Indikation COPD zu untersuchen. Insbesondere gegen TNF-α gerichtete Antikörper boten sich an, da entsprechende Biologika seit Jahren zugelassen und vor allem in der Rheumatologie in breitem Einsatz sind. Leider seien alle Versuche, diese Antikörper auch bei COPD einzusetzen, an mangelnder Wirksamkeit und/oder schlechter Verträglichkeit gescheitert, so Brightling. Auch Versuche, an IL-1 oder IL-8 anzusetzen, brachten keinen Erfolg. Damit passen die gescheiterten COPD-Studien bestens in das Gesamtbild der neutrophilen Entzündung, die sich aktuell nur schwer beeinflussen lässt, wie auch das Beispiel des neutrophilen Asthmas zeigt.
Blockade von IL-5 bei neutrophiler Inflammation ungünstig
Während man in der Indikation COPD zunächst scheiterte, war die Entwicklung von Biologika für die eosinophile Inflammation im Rahmen von Asthma äusserst erfolgreich. Angesichts dieser Erfolge sowie der Tatsache, dass eine Subpopulation der COPD-Erkrankten erhöhte Eosinophilenzahlen in Blut und Sputum aufweist, war es naheliegend, Biolo-
gika, die in die T2-Inflammation eingreifen, auch bei COPD zu untersuchen. Eine erste klinische Studie wurde mit Benralizumab, einem Antikörper gegen den IL-5-Rezeptor, in einem Kollektiv von Patienten mit moderater bis schwerer COPD sowie mindestens einer Exazerbation pro Jahr durchgeführt. Die Studie zeigte, dass die Zahl der Eosinophilen in Blut und Sputum mit Benralizumab schnell und stabil abfiel. Hinsichtlich des primären Endpunkts, Reduktion von Exazerbationen, war das Ergebnis der Studie in der Gesamtpopulation negativ. Subgruppenanalysen erwiesen sich jedoch als hypothesengenerierend. Auswertungen im Hinblick auf die Eosinophilenzahl zeigten nämlich, dass Patienten mit erhöhten Eosinophilen in Blut und/oder Sputum von der Behandlung profitierten, während Benralizumab bei Patienten mit niedriger Eosinophilenzahl in Blut und Sputum das Exazerbationsrisiko im Vergleich zu Plazebo erhöhte. So ergab sich in der Gesamtpopulation ein neutrales Bild (2). Auf Basis dieser Daten wurde eine Phase-III-Studie gestartet, die als Einschlusskriterien einen Eosinophilen-Count im Blut von mindestens 220 Zellen pro Mikroliter forderte. Dennoch wurde der primäre Endpunkt verfehlt. Benralizumab reduzierte die Exazerbationsrate lediglich numerisch, jedoch nicht signifikant. Wieder legten Subgruppenanalysen nahe, dass es eine Population gibt, die von der Antikörpertherapie profitiert. Konkret waren das Patienten mit sehr hoher Exazerbationsrate und/oder Dreifachtherapie inklusive eines inhalativen Kortikosteroids (ICS) (3). Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangten die Studien METREX und METREO, die den gegen IL-5 gerichteten Antikörper Mepolizumab in unterschiedlichen COPD-Populationen untersuchten. In der Gesamtpopulation des unselektierten Kollektivs von METREX brachte Mepolizumab keine Reduktion der Exazerbationsrate. Sehr wohl zeigte sich diese jedoch in einer Subgruppenanalyse von Patienten mit eosinophilem Phänotyp. In METREO wurden von vornherein nur Patienten mit eosinophiler COPD eingeschlossen. Hier zeigte sich unter Mepolizumab im Vergleich zu Plazebo eine Reduktion der schweren Exazerbationen. Allerdings wurde auch in diesen Studien eine Signifikanz verfehlt (4).
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Brightling: «Obwohl der primäre Endpunkt nicht erreicht wurde, sieht man durch alle diese Studien einen konsistenten klinischen Vorteil für eine genau umrissene Gruppe von Patienten. Vor Kurzem teilte der Hersteller nun in einer Presseaussendung (5) mit, dass Mepolizumab in der MATINEE-Studie die Exazerbationsrate in einem Kollektiv von COPD-Patienten mit erhöhten Bluteosinophilen signifikant senkte. Damit erreicht MATINEE den primären Endpunkt, und es besteht die Hoffnung, dass eine gegen Interleukin-5 gerichtete Therapie bei eosinophiler COPD die Zulassung erhält.»
Vielversprechende Daten für weitere Therapieziele
Ein weiteres potenzielles Ziel in der Therapie der COPD ist das Alarmin IL-33. Für den gegen IL-33 gerichteten Antikörper Itepekimab liegen vielversprechende Phase-II-Daten vor, die eine besonders ausgeprägte Reduktion der Exazerbationsrate bei ehemaligen Rauchern zeigen. Bei Patienten, die nach wie vor rauchen, hatte Itepekimab hingegen keine Wirkung. Der Antikörper sei aufgrund dieser Daten in die Phase III gegangen, so Brightling (6). Ebenso ein naheliegendes Ziel in der Therapie der COPD ist ST2 (Suppression of Tumorigenicity 2), ein Rezeptor, der an der Entstehung neutrophiler Inflammation über den IL-33-Signalweg beteiligt sein dürfte. Der gegen ST2 gerichtete Antikörper Astegolimab wurde in einer Phase-II-Studie untersucht, die den primären Endpunkt Reduktion der Exazerbationsrate verfehlte. Allerdings sind auch in diesem Fall die Subgruppenanalysen von Interesse. Diese deuten darauf hin, dass das Biologikum besser bei niedriger Eosinophilenzahl wirkt. Was als Hinweis darauf gewertet werden kann, dass es in den Prozess der neutrophilen Entzündung eingreift. Aus diesem Grund werde die klinische Entwicklung von Astegolimab bei COPD fortgesetzt, erläutert Brightling. Auch Verbesserungen der Lungenfunktion und des Gesundheitszustandes von COPD-Patienten konnten mittlerweile gezeigt werden (7).
Blockade des IL-4-Rezeptors führt zum klinischen Erfolg
Positive Phase-III-Daten in der Indikation COPD gibt es bislang für ein einziges Biologikum, nämlich den gegen den IL-4-Rezeptor gerichteten Antikörper Dupilumab, der in der BOREAS-Studie zu einer Reduktion der Exazerbationsrate führte. Einschlusskriterien waren eine chronische Bronchitis, mindestens zwei moderate oder eine schwere Exazerbation im Jahr vor Einschluss sowie eine Eosinophilenzahl von mehr als 300 Zellen pro Mikroliter Blut. In dieser Population wurde die annualisierte Exazerbationsrate signifikant um 30 Prozent gesenkt. Zusätzlich wurde eine frühe und stabile Verbesserung der Lungenfunktion, gemessen als forcierte Einsekundenkapazität, erreicht (8). Die Ergebnisse von BOREAS konnten mittlerweile in der Studie NOTUS repliziert werden – mit dem Unterschied, dass die Reduktion der Exazerbationsrate in diesem Fall bei 34 Prozent lag (9). Brightling: «Die Ergebnisse dieser Studien waren für uns alle überaus erfreulich, weil es erstmals gelungen ist, mit einem Biologikum bei COPD in der Phase III erfolgreich zu sein.» Auf Basis dieser Daten wurde Dupilumab bei eosinophiler COPD mittlerweile in der EU zugelassen.
Kombinierte PDE3/PDE4-Inhibition reduziert
Exazerbationen
Als derzeit einziger Vertreter einer neuen Substanzklasse ist
der kombinierte PDE3/PDE4-Inhibitor Ensifentrin mittler-
weile in den USA zur Behandlung der COPD zugelassen. Seit
Längerem habe es Hinweise gegeben, dass orale Phospho-
diesterase(PDE)-4-Inhibitoren bei COPD mit hoher Exazer-
bationsrate hilfreich sein könnten, führt Prof. Dr. Paola Rog-
liani von der Università di Roma «Tor Vergata» (IT), aus.
Allerdings scheiterten Versuche, diese Substanzen in der
COPD-Therapie in die Klinik zu bringen, an Nebenwirkun-
gen und einem zu kleinen therapeutischen Fenster. Mit Ensi-
fentrin hat nun ein kombinierter PDE3/PDE4-Inhibitor, der
bronchodilatatorische und antiinflammatorische Eigen-
schaften vereint, das komplette klinische Entwicklungspro-
gramm durchlaufen. Der physiologische Hintergrund der
dualen Wirkung liegt in der Lokalisation der Phosphodieste-
rasen. Während PDE4 vor allem in Zellen des Immunsystems
exprimiert wird, findet sich PDE3 in der glatten Muskulatur.
Allerdings wurden mehrere kombinierte PDE3/PDE4-Inhibi-
toren in Studien getestet und erwiesen sich als nicht wirksam
oder nicht verträglich. Rogliani unterstreicht, dass im Falle
von Ensifentrin die PDE3-Inhibition deutlich ausgeprägter
und die Substanz daher vor allem als Bronchodilatator wirk-
sam sei.
Ensifentrin hat von der Meerschweinchen-Trachea bis zur
Zulassung fast 20 Jahre Entwicklung hinter sich. Für die
Zulassung ausschlaggebend waren schliesslich die Phase-III-
Studien des ENHANCE-Programms. Entscheidend für die
Zulassung waren schliesslich die Phase-III-Studien des
ENHANCE-Programms. Die US-Zulassung beruht auf den
Ergebnissen der Phase-III-Studien ENHANCE-1 und -2, die
Ensifentrin vor dem Hintergrund einer LAMA(Long-Acting
Muscarinic Antagonists)- oder LABA(Long-Acting Be-
ta-Agonists)-Therapie mit Plazebo verglichen. Ensifentrin
erreichte in beiden Studien den primären Endpunkt und
zeigte statistisch signifikante Verbesserungen der Lungen-
funktion. Die Einsekundenkapazität verbesserte sich unter
dem Verum im Vergleich zu Plazebo in ENHANCE-1 um
87 ml und in ENHANCE-2 um 94 ml. Die Nebenwirkungs-
raten lagen in beiden Studien auf Plazebo-Niveau. Rogliani
weist darauf hin, dass die von oralen PDE4-Inhibitoren be-
richteten gastrointestinalen Nebenwirkungen aufgrund des
inhalativen Applikationsweges mit Ensifentrin nicht aufge-
treten seien. Auch Exazerbationen wurden in beiden Studien
um rund 40 Prozent reduziert (10). Rogliani: «Die Zulassung
von Ensifentrin ist ein grosser Schritt nach vorn. Wenn sich
neben den bronchodilatatorischen Effekten auch die antiin-
flammatorischen in der klinischen Praxis bestätigen, dann
könnte Ensifentrin zu einem Überdenken der heute gängigen
Dreifachtherapien mit LAMA/LABA/ICS führen.»
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Reno Barth
Quelle: European Respiratory Society (ERS) Congress 2024, Session «Implementing new strategies and treatments in asthma and chronic obstructive pulmonary disease», am 9. September in Wien.
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Referenzen: 1. Brightling C, Greening N: Airway inflammation in COPD: progress to preci-
sionmedicine.EurRespirJ.2019;54(2):1900651.doi:10.1183/13993003.006512019. 2. Brightling CE et al.: Benralizumab for chronic obstructive pulmonary disease and sputum eosinophilia: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2a study. Lancet Respir Med. 2014;2(11):891-901. doi:10.1016/ S2213-2600(14)70187-0 3. Criner GJ et al.: Benralizumab for the prevention of COPD exacerbations. N Engl J Med. 2019;381(11):1023-1034. doi:10.1056/NEJMoa1905248. 4. Pavord Ian D et al. Mepolizumab for Eosinophilic Chronic Obstructive Pulmonary Disease. N Engl J Med. 2017 Oct 26;377(17):1613-1629. 5. GSK Pressemitteilung, 06.09.2024, verfügbart unter: https://www.gsk. com/media/11545/matinee-press-release-060924.pdf 6. Rabe KF et al.: Safety and efficacy of itepekimab in patients with moderateto-severe COPD: a genetic association study and randomised, double-blind, phase 2a trial. Lancet Respir Med. 2021;9(11):1288-1298. doi:10.1016/S22132600(21)00167-3. 7. Yousuf AJ et al.: Astegolimab, an anti-ST2, in chronic obstructive pulmonary disease (COPD-ST2OP): a phase 2a, placebo-controlled trial. Lancet Respir Med. 2022;10(5):469-477. doi:10.1016/S2213-2600(21)00556-7. 8. Bhatt SP et al.: Dupilumab for COPD with Type 2 Inflammation Indicated by Eosinophil Counts. N Engl J Med. 2023;389(3):205-214. doi:10.1056/NEJMoa2303951. 9. Bhatt SP et al.: Dupilumab for COPD with Blood Eosinophil Evidence of Type 2 Inflammation. N Engl J Med. 2024;390(24):2274-2283. doi:10.1056/NEJMoa2401304. 10. Anzueto A et al.: Ensifentrine, a novel phosphodiesterase 3 and 4 inhibitor for the treatment of chronic obstructive pulmonary disease: randomized, double-blind, placebo-controlled, multicenter phase III trials (the ENHANCE trials). Am J Respir Crit Care Med. 2023;208(4):406-416. doi:10.1164/ rccm.202306-0944OC.
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