Transkript
SGAI/SSAI
Update Kontaktdermatitis
Neue Allergene gewinnen an Bedeutung
Gemäss den aktuellen epidemiologischen Daten sind rund 20 Prozent der europäischen Bevölkerung von Kontaktallergien betroffen (1). Am Jahreskongress der Schweizer Allergologen (S SGAI-SSAI) in Genf gab Dr. Marianne Lerch vom Kantonsspital Winterthur ein Update.
Prädisponierende Faktoren für die Entwicklung einer Kontaktdermatitis sind die Substanzen selbst und ihre allergologische Potenz, ihre Dosierung und die Häufigkeit, mit der ein Patient Kontakt mit dem Allergen hatte, beispielsweise bei Reinigungsprodukten. Die Schwere der Prädisposition der Betroffenen ist abhängig von genetischen Faktoren, der möglicherweise gestörten Hautbarriere, entzündlichen Hauterkrankungen oder Wunden. Die relevanten Klassen der Kontaktallergene sind: s Metalle s Duftstoffe s Haarpflegeprodukte: p-Phenylendiamin PPD, Ammoni-
umperoxodisulfat s Konservierungsmittel: Methylisothiazolinone, Benziso-
thiazolinon (BIT), Octylisothiazolinon, Formaldehyd, Natriummetabisulfit, Parabene, Thiomersal, Benzalkoniumchlorid und andere s Kunststoffmonomere: Acrylat, Methacrylate wie 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA), Epoxidharze s Gummibeschleuniger: Thiurame, Dithiocarbamate, 1,3Diphenyguanidin s Medikamente (aktive Substanzen und Hilfsstoffe) s medizinische Geräte und Hilfsmittel: z. B. Glukosemesssysteme mit Isobornylacrylat, chirurgischer Kleber s Kosmetika s Leder, Textilfarben: Disperse Blue und andere
KURZ & BÜNDIG
� In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe neuer Allergene beschrieben, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden.
� Isothiazolinone und deren Derivate dürfen in kosmetischen Produkten nur noch in geringen Konzentrationen und in Produkten eingesetzt werden, die wieder von der Haut abgespült werden.
� Die American Contact Dermatitis Society proklamiert jährlich das «Allergen des Jahres», um die Aufmerksamkeit gegenüber relevanten Allergenen zu erhöhen.
s Pflanzen und aus Pflanzen hergestellte Materialien: Sesquiterpenlactone (v.a. bei Korbblütlern) u.a.
s Propylenglycol s Neue Allergene
Tulpendermatitis und andere Besonderheiten
Spezielle Formen der Kontaktdermatitis sind das Partner-Ekzem (connubial oder consort dermatitis), beispielsweise ein Gesichtsekzem auf die Aftershave-Lotion des Partners, eine Allergie gegen p-Phenylendiamin (PPD) im Haarfärbemittel des Tanzpartners oder bei Tierhaltern eine Kontaktdermatitis nach der Behandlung des Hundes mit Makroliden. Unter landwirtschaftlichen Angestellten in Kaschmir wurde eine «Tulpendermatitis» beschrieben, hauptsächlich durch Berührung mit Methylen-y-Butyrolacton und/oder Aceton in Tulpenextrakten. Auch eine Sensibilisierung gegen Dimethylthiocarbamylbenzothiazol Sulfit (DMTBS) respektive das Standard-Allergen Thiuram (1%) in Canvas-Sneakers aus strapazierfähigen Leinenstoffen gehört zu den eher ungewöhnlichen Formen der Kontaktdermatitis. In den vergangenen Jahren wurden eine ganze Reihe neuer Allergene beschrieben, darunter Bakuchiol (0,1% pet.) in einem «hypoallergenischen Kosmetikprodukt für sensitive Haut», Capryloylglycin (1% Wasser/Ethanol 1:1) in Bodylotion oder Cocoamphopropionat (1% aq) in einer Hautschutzcreme. Eine schwere Kontaktdermatitis löste auch die Hautpflege mit Ayurvedischen Ölen des Neem-Baumes aus, berichtete Lerch: «In Zukunft werden solche Allergene an Bedeutung gewinnen.»
Isothiazolinon
Besonderen Augenmerk legte die Dermatologin auf Isothiazolinone, respektive ihre Derivate (z. B. Methylisothiazolinon). Sie werden als Konservierungsmittel gegen Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) eingesetzt und schützen Produkte wie Kosmetika (z. B. Shampoo, Flüssigseife), Reinigungsmittel, Farben, Lacke und Klebstoffe vor der mikrobiellen Zersetzung. Isothiazolinone können eine sensibilisierende Wirkung zeigen, wobei allergische Reaktionen sowohl durch den direkten Kontakt der Substanzen mit der Haut als auch über den Kontakt mit den Dämpfen ausgelöst werden. In der
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Schweiz, wie auch in Europa, dürfen seit 2015 Isothiazolinone nur in geringen Konzentrationen als Konservierungsstoffe in Kosmetika verwendet werden. Dabei ist ihre Anwendung auf Produkte beschränkt, die von der Haut abgespült werden. Bei Produkten ohne Abspülen wie Gesichtscremes oder Körpermilch ist ihr Einsatz untersagt.
Mehr Aufmerksamkeit durch «Allergen des Jahres»
Die American Contact Dermatitis Society proklamiert seit einiger Zeit ein «Allergen des Jahres». Für das Jahr 2024 sind dies die Sulfite (genauer: Natriumdisulfit). Bei der Auswahl der Substanzen handele es nicht unbedingt um die häufigsten Kontaktallergene, so Lerch. Vielmehr sei es das Ziel dieser Aktion, die Aufmerksamkeit gegenüber relevanten Allergenen zu erhöhen. Die häufig als Konservierungsmittel (Nahrungsmittel, Getränke wie Wein, Körperpflegeprodukten, Medikamente) eingesetzten Sulfite werden von den meisten Screeningpatchtests gar nicht erfasst, was zeige, dass dieses
Allergen unterschätzt werde, so die Expertin. Auch beim
Allergen des Jahres 2023 handelte es sich mit Lanolin um ein
Kontaktallergen, das unter anderem in Körperpflegeproduk-
ten verwendet wird. Bei Kontakt mit Lanolin besteht vor
allem bei Patienten mit chronischen Hautentzündungen wie
Stauungsdermatitis, chronische Ulzera, atopische Dermatitis
und perianale/genitale Dermatitis ein höheres Risiko für all-
ergische Hautreaktionen. Das Allergen des Jahres 2021 war
Acetophenone azine, ein Kontaktallergen, das oft im Zusam-
menhang mit dem Gebrauch von Sportlerequipment steht.
Tatsächlich wird diese neue allergene Substanz gerne als
Weichmacher in auf Ethylenvinylacetat basierenden Kunst-
stoffschuhen eingesetzt, beispielsweise in Badelatschen und
Flip-Flops.
s
Klaus Duffner
Quelle: Session 1.4 «Updates in Allergies» beim Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Allergologie and Immunologie (SGAI-SSAI), am 12. September 2024 in Genf.
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