Transkript
SGR
CAR-T-Zellen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Chance auf ein therapiefreies Leben
Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen benötigen oft ein Leben lang stark belastende Therapien. Die in der hämatologischen Onkologie mit grossem Erfolg eingesetzte Behandlung mit CAR-T-Zellen wird aktuell auch bei verschiedenen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen untersucht. Erste Ergebnisse lassen hoffen, dass sie den Patienten die Chance auf ein therapiefreies Leben ermöglichen werden.
Seit einigen Jahren gehört die Session «What’s new in …» zu den ersten Punkten auf dem Programm des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR). Mit Prof. Dr. Georg Schett, Deutsches Zentrum Immuntherapie, Universitätsklinikum Erlangen, FAU ErlangenNürnberg (D), sprach in dieser Session ein ausgewiesener Experte über die rasante Entwicklung einer neuen Therapieform, der CAR-(Chimeric-Antigen-Receptor-)T-Zelltherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. CAR sind gentechnisch hergestellte Rezeptoren, die in der Membran von Immuneffektorzellen, in der Regel T-Zellen, verankert sind (1). Sie bestehen aus einer T-Zell-aktivierenden Domäne und extrazellulären, von Immunglobulinen abgeleiteten schweren und leichten Ketten zur Steuerung der Spezifität. «CAR-T-Zellen sind äussert effiziente Killer, indem sie die Tumorzelle erkennen, daran binden und zu deren Apoptose führen», erklärte Prof. Schett.
Erfolgsgeschichte begann bei B-Zell-Tumoren
Das Zielantigen der CAR-T-Zellen ist in vielen Fällen CD19, das sich bei den meisten malignen Erkrankungen findet, die
AUF EINEN BLICK
� Anti-CD19-CAR-T-Zellen, die in der Onkologie erfolgreich gegen B-Zell-Tumoren eingesetzt werden, zeigen auch vielversprechende Ergebnisse bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und könnten ein therapiefreies Leben ermöglichen.
� Bei einer 20-jährigen Patientin mit refraktärem systemischem Lupus erythematodes führte die CAR-T-Zelltherapie zu einer vollständigen und therapiefreien Remission, die seit mehr als drei Jahren anhält.
� Die Therapie zeigte auch positive Ergebnisse bei Patienten mit Myositis und systemischer Sklerose, einschliesslich einer Verbesserung der Lungen- und Hautsymptome.
� Das Risiko eines Cytokine Release Syndrome (CRS) ist bei Autoimmunerkrankungen geringer als bei Krebserkrankungen.
sich von B-Zellen ableiten. Zudem weist es im Vergleich zu CD20 eine breitere und höhere Expression auf (1). Vor gut zehn Jahren begann die Erfolgsgeschichte der CAR-T-Zelltherapie denn auch mit der erfolgreichen Behandlung von drei Erwachsenen mit einer chronischen lymphatischen Leukämie. Grössere Bekanntheit erlangte die CAR-T-Zelltherapie schliesslich durch die an akuter lymphatischer Leukämie (ALL) erkrankte 6-jährige Emily Whitehead. Sie war 2012 die erste pädiatrische Patientin und die erste Erkrankte mit ALL, die nach Versagen aller anderen verfügbaren Therapien erfolgreich mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt wurde. Sie befindet sich seither in Remission.
Grosser Bedarf an neuen Therapien
«B-Zellen spielen aber nicht nur bei Leukämien oder Lymphomen eine wichtige Rolle, sondern sie sind auch bei Autoimmunerkrankungen von zentraler Bedeutung», rief Prof. Schett in Erinnerung. So sind aktivierte B-Zellen für die Antigenpräsentation, die Produktion entzündungsfördernder Zytokine sowie die T-Zell-Aktivierung und die Bildung von Lymphfollikeln in Milz und Lymphknoten verantwortlich (2). «Sie sind aber auch die Vorläufer der Plasmazellen, die dann Antikörper und Autoantikörper produzieren», fügte er hinzu. Autoimmunerkrankungen stellen nach wie vor ein erhebliches therapeutisches Problem dar. Die Behandlungen sind zwar besser geworden, aber es gibt immer noch viele schwere Verläufe, die mit einer erhöhten Mortalität einhergehen. Als Beispiele nannte Prof. Schett hier den systemischen Lupus erythematodes (SLE) und die Dermatomyositis/Polymyositis. «Auch Erkrankungen wie die Granulomatose mit Polyangiitis können sehr schwer verlaufen, und es gibt auch hier eine erhöhte Mortalität. Zudem besteht weiterhin ein hoher ungedeckter therapeutischer Bedarf bei der systemischen Sklerose.» Unter den bisherigen Therapien der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen setzt z. B. der Anti-CD20-Antikörper Rituximab an den B-Zellen an. Er bewirkt zwar eine gute Depletion der peripheren B-Zellen, im Gewebe ist die Depletion aber nicht vollständig (2). Eine neue Option, neben den CAR-T-Zellen, stellen die sogenannten BiTEs (Bi-specific T-cell Engager) dar. «Diese Antikörper binden sowohl an das
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von den B-Zellen exprimierte CD19, locken über CD3 gleichzeitig aber auch die T-Zellen an», schilderte Prof. Schett. Dadurch können die B-Zellen vernichtet werden. «Diese Form der Therapie wird im Bereich der Lymphome äusserst erfolgreich angewandt. Bei Autoimmunerkrankungen gibt es mittlerweile ebenfalls einige Erfolge zu verzeichnen», so der Experte. Die vollständigste Depletion der B-Zellen im Körper lasse sich jedoch durch die CAR-T-Zellen erreichen.
CAR-T-Zelltherapie bei systemischem Lupus
Prof. Schett berichtete im Weiteren von seinen eigenen Erfahrungen mit der CAR-T-Zelltherapie beim SLE. Dazu stellte er den Fall einer 20-jährigen Patientin mit einem schweren, refraktären SLE vor (3). «Bei ihr waren Nieren, Lunge, Herz, Haut und Gelenke betroffen. Ihr Spiegel an Anti-dsDNA-Antikörpern war sehr hoch, und sie wies eine massive Proteinurie auf», beschrieb er die Ausgangssituation. Behandlungen mit Hydroxychloroquin, hochdosierten Glukokortikoiden, Cyclophosphamid, Mycophenolat-Mofetil und Tacrolimus sowie Belimumab und Rituximab konnten die Symptome nicht kontrollieren. Dann wurden ihr im Frühjahr 2021 eigens für sie hergestellte CAR-T-Zellen infundiert. «Wir hatten Angst, dass die CAR-T-Zell-Infusion eine massive Entzündung auslöst, aber nichts dergleichen ist passiert», sagte Prof. Schett und berichtete, dass es nach der Infusion zu einer raschen Abnahme der zirkulierenden B-Zellen und des Spiegels der Anti-dsDNA-Antikörper mit anschliessender Serokonversion gekommen sei. Auch die Proteinurie habe sich zurückgebildet und sei nach 30 Tagen komplett verschwunden. «Das war natürlich ein grosser Erfolg. Von besonderer Bedeutung ist aber, dass wir zum Zeitpunkt der CAR-T-Zelltherapie alle Medikamente komplett abgesetzt haben und die Patientin jetzt seit mehr als drei Jahren komplett gesund ist, keine Medikamente mehr hat, keine Anzeichen einer Autoimmunität mehr aufweist und ein normales Leben führt», so Prof. Schett. Er denke, dass die CAR-T-Zelltherapie einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Patienten, die unter einer schweren Autoimmunerkrankung leiden, darstellen könnte. «Interessant war zudem zu beobachten, dass die B-Zellen etwa 150 Tage nach der Infusion der CAR-T-Zellen zurückgekehrt und seither geblieben sind, ohne dass die Erkrankung wieder aufgetreten ist.» Inzwischen hätten sie insgesamt etwa 30 Patientinnen und Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen behandelt. Die Daten der ersten 15, darunter 8 mit SLE, 3 mit idiopathischer entzündlicher Myositis und 4 mit Systemsklerose, sind mittlerweile publiziert (4). «Bei allen liegt das Follow-up nun bereits bei über einem Jahr. Bei einer Patientin mit Myositis kam die Erkrankung nach 15 Monaten in einer mild ausgeprägten Form zurück. Sie erhält nun erfolgreich eine andere Behandlung», beschrieb Prof. Schett. Wie er weiter ausführte, sei es bei den Patienten mit Myositis nicht nur zu einer Resolution der Muskelveränderungen nach drei Monaten gekommen, sondern auch die massive interstitielle Lungenerkrankung habe sich als deutlich regredient gezeigt. Dies sei vor allem für die Prognose dieser schweren Verlaufsform von Bedeutung. Bei den vier Patienten mit systemischer Sklerose konnte eine Verbesserung der Hautstruktur sowie, bei einem Fall mit Herz- und Lungen-
beteiligung, eine Regression der Fibroblastenaktivierung beobachtet werden. Den Grund dafür, dass die CAR-T-Zelltherapie so gute Resultate erreicht, sieht Prof. Schett im vorübergehend kompletten Verlust der B-Zellen (5). «Sie kommen dann nach einer Weile wieder, aber in einer Form, die der Form von B-Zellen gesunder Menschen sehr ähnlich ist», sagte er.
Mögliche Nebenwirkungen der
CAR-T-Zelltherapie
Als Folge der CAR-T-Zelltherapie kann es zu einer systemi-
schen Entzündungsreaktion kommen, die durch eine massive
Ausschüttung von Zytokinen gekennzeichnet ist und als Cy-
tokine Release Syndrome (CRS) bezeichnet wird. Diese Ne-
benwirkung wurde insbesondere in den Anfängen dieser
Therapieform bei Menschen mit B-Zell-Malignomen beob-
achtet. «Die Menge an pathologischen B-Zellen, die bei einer
Autoimmunerkrankung vorliegt, ist jedoch deutlich geringer
als bei Tumorerkrankungen», erklärte Prof. Schett. Daher
komme es auch seltener zu einem CRS. Bei den 15 Patienten
mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen konnten sie in
den ersten zehn Tagen nach der CAR-T-Zellinfusion lediglich
Fieber, aber keine Hinweise auf ein höhergradiges CRS oder
eine Neurotoxizität beobachten. «Dieses Fieber liess sich je-
weils sehr gut behandeln, entweder mit Antiphlogistika oder,
sollte es bestehen bleiben, mit einer einzigen Gabe von Toci-
lizumab», sagte er. Dieses gute Sicherheitsprofil hat dazu
geführt, dass eine CAR-T-Zelltherapie bereits auch bei pädi-
atrischen Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkran-
kungen eingesetzt wurde (6). «So konnten wir ein dialyse-
pflichtiges 15-jähriges Mädchen mit Lupusnephritis erfolg-
reich behandeln. Sie hat sich komplett erholt und braucht
keine Dialyse mehr», schloss Prof. Schett.
s
Therese Schwender
Quelle: Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie, 5. und 6. September 2024, Lausanne.
Referenzen: 1. June CH, Sadelain M: Chimeric Antigen Receptor Therapy. N Engl J Med.
2018;379:64-73. DOI: 10.1056/NEJMra1706169. 2. Schett G et al.: Advancements and challenges in CAR T cell therapy in
autoimmune diseases. Nat Rev Rheumatol. 2024;20:531-544. DOI: 10.1038/s41584-024-01139-z. 3. Mougiakakos D et al.: CD19-Targeted CAR T Cells in Refractory Systemic Lupus Erythematosus. N Engl J Med. 2021;385:567-569. DOI: 10.1056/ NEJMc2107725. 4. Müller F et al.: CD19 CAR T-Cell Therapy in Autoimmune Disease – A Case Series with Follow-up. N Engl J Med. 2024;390:687-700. DOI: 10.1056/ NEJMoa2308917. 5. Schett G et al.: B-cell depletion in autoimmune diseases. Ann Rheum Dis. 2024 Jun 20:ard-2024-225727. DOI: 10.1136/ard-2024-225727. Epub ahead of print. 6. Krickau T et al.: CAR T-cell therapy rescues adolescent with rapidly progressive lupus nephritis from haemodialysis. Lancet. 2024;403:16271630. DOI: 10.1016/S0140-6736(24)00424-0.
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