Transkript
SGAI/SSAI
Atopische Dermatitis
Tipps zur Therapiewahl 2.0
Die Therapiewahl bei atopischer Dermatitis (AD) hängt von vielen Faktoren ab: Allen voran gehören der Schweregrad und die Lokalisation der Läsionen zu den Auswahlkriterien, aber auch Alter oder Vorerkrankungen. Sogar die ethnische Zugehörigkeit kann den Therapieerfolg beeinflussen. Welche Behandlungsoptionen derzeit für welche Patienten am aussichtsreichsten sein können, erläuterte Dr. Claudia Lang vom Universitätsspital in Zürich auf dem Schweizer Allergologen-Kongress (SGAI-SSAI) in Genf.
Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) zu behandeln, gehört zum Kerngeschäft eines jeden Dermatologen – und die Therapie kann zur Herausforderung werden. Schliesslich ist die AD eine komplexe Krankheit, die durch verschiedene Subtypen/Phänotypen gekennzeichnet ist. Die Einteilung in diese Unterformen kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen, beispielsweise nach Alter, Krankheitschronizität, ethnischer Zugehörigkeit, Filaggrin- und IgE-Status oder den zugrunde liegenden molekularen Mechanismen/Endotypen (1). Und alle diese Faktoren fliessen in die individuell angepasste Therapie beim jeweiligen Patienten ein. Ein Kriterium für die Therapiewahl ist zunächst das Alter: Besonders Säuglinge leiden oft unter den juckenden Erythemen mit Bläschen und Papeln – meist im Gesicht, Bauch und an den Streckseiten der Extremitäten. Bei den Kindergartenkindern ist hauptsächlich die Haut an den Gelenkbeugen und dem Hals betroffen. Weltweit trifft die AD etwa 10 bis 15 Prozent aller Kinder; in der Schweiz sind es sogar etwa 20 Prozent. Auch wenn die AD eher Kinder betrifft, so leiden in der Schweiz auch etwa 4 bis 5 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen an chronischen Ekzemen, wobei hier zusätzlich
KURZ & BÜNDIG
� Die ethnische Zugehörigkeit beeinflusst sowohl die Immunreaktion als auch die Ausprägung der Hautbarriere.
� Für die topische Entzündungshemmung stehen heute 4 Therapieprinzipien zur Verfügung: Kortikosteroide, Calcineurininhibitoren, JAK-Hemmer und PDE4-Hemmer.
� Für die systemische Entzündungshemmung stehen heute mehrere IL-13-Inhibitoren zur Verfügung, die ihre Wirksamkeit und Sicherheit unter Beweis gestellt haben. Bei Nonrespondern auf einen IL-13-Blocker kann die Umstellung auf einen anderen IL-13-Blocker erfolgreich sein.
� JAK-Hemmer hemmen signifikant die Hautentzündung und können bei der AD als Alternative zu IL-13-Hemmern eingesetzt werden.
die Hände und der Nackenbereich zu den Prädilektionsstellen zählen.
AD ist bei Europäern anders als bei Asiaten
In die Überlegungen zur Therapiewahl könnte auch ein weniger bekanntes Merkmal einbezogen werden: die ethnische Zugehörigkeit des Patienten. Hier gibt es z. B. unterschiedliche Muster der Immunreaktion. So haben z. B. Asiaten eine stärkere Hochregulierung der Fraktion der TH22-Zellen als Afroamerikaner. Auch bei der Hautbarriere gibt es Unterschiede: Beispielsweise ist die Epidermis bei asiatischen AD-Kranken dicker als die von Europäern. Und auch das Filaggrin, ein wichtiges Strukturprotein der Epidermis, ist bei Europäern mit AD stärker reduziert als bei Patienten aus Ostasien (1). Hauptsächlich orientieren sich die Therapieempfehlungen – wie auch bei anderen Erkrankungen – am Schweregrad, also nach leicht – moderat – schwer. Unabhängig vom Schweregrad brauchen alle AD-Patienten eine Basistherapie, zu der laut Lang nicht nur die Verordnung von Emollienzien und eine Beratung zur Allergenen-Meidung gehörten. Vielmehr sollten die Betroffenen auch zur Erkrankung und Therapie geschult werden, beispielsweise wie sie die Pflegemittel (Cremes, Badezusätze) richtig anwenden und auf welche Warnsignale zu achten ist. Denn je besser die AD-Kranken Bescheid wissen, umso eher können sie am Therapieerfolg mitarbeiten.
Topische Therapie auch für Minor-Formen
Unter «leicht» fallen auch die Minor-Formen. Als diese werden Ekzeme an nur kleinen Hautarealen wie Augenlider oder Mamille bezeichnet – doch diese belasten schwer, wenn sie mit quälendem nächtlichem Juckreiz einhergehen. Auch ein Handekzem fällt meist unter die Minor-Formen, kann aber z. B. bei Rhagaden oder nässenden Effloreszenzen Arbeiten unmöglich machen und sogar zur Arbeitsunfähigkeit führen. Diese Minor-Formen, zu der auch die Pulpitis oder das atopische Winter-Fuss-Syndrom gehören, sind prädestiniert für eine topische Therapie. Die Kortikosteroide haben sich zur Lokaltherapie bei milder AD etabliert. Lang erin-
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nerte daran, dass bei der Wahl des Kortikoid-Externums die Hautdicke und der Schweregrad zu beachten seien. Das Präparat sollte ausreichend stark sein und auch in ausreichender Menge, je nach zu behandelndem Hautareal, verordnet werden. «Mit einem 30g-Tübchen kommt ein Patient nicht lange aus, wenn er alle Gelenkbeugen behandeln muss», so die Expertin. Doch es gibt mehr als nur die Kortikoide für die topische Therapie: Bewährt haben sich auch die Calcineurininhibitoren. Zudem gibt es seit 2020 in der Schweiz Präparate mit der Wirkstoffkombination Levenemol plus Heparin (z. B. Linola® Duo). Hier gingen die Werte im Schweregrad-Index SCORAD (SCORing Atopic Dermatitis) von 42 zu Therapiebeginn auf 12,5 Punkte nach 8 Wochen Behandlung zurück (2). Derzeit werden, auch in der Schweiz, Cremes mit Januskinase(JAK)-Hemmern wie Ruxolitinib erprobt. Dieses Topikum hat sich bereits bei der Vitiligo bewährt. In den USA sind für die AD-Behandlung bereits Cremes mit den Phosphodiesterase(PDE)4-Hemmern Roflumilast und Crisaborol zugelassen und erfolgreich im Einsatz, so Lang.
Moderate AD: Topika plus UV-Bestrahlung
Bei moderater AD-Ausprägung kommen laut Leitlinien noch UV-Bestrahlungstherapien hinzu. Hier wies Lang darauf hin, dass es besonders bei dunklem Hauttyp zu einer Hypopigmentierung kommen könne. Des Weiteren sollte von einer UV-Therapie abgesehen werden, wenn die Patienten angeben, dass ihre AD besonders im Sommer exazerbiert.
Systemisch bewährt: IL-13-Inhibitoren
Die dritte Stufe der AD-Behandlungsempfehlungen sind die systemischen Therapien. Klassisch ist die allgemeine Immunsuppression mit Ciclosporin. Diese ist allerdings für Frauen mit Kinderwunsch, alten Patienten sowie bei schweren Hautinfektionen (Staph. aureus oder Herpes simplex) kontraindiziert. Allerdings sei Ciclosporin die mit Abstand kostengünstigste systemische Therapie, sagte Lang. In den vergangenen Jahren haben Immuntherapeutika auch in die Behandlung bei AD Einzug gehalten. Das erste war der IL13/IL-4-Hemmer Dupilumab (Dupixent®), gefolgt von dem IL-13-Hemmer Tralokinumab (Adtralza®) und dem IL13-Hemmer Lebrikizumab (Ebglyss®). Alle diese Interleukin-13-Hemmer haben ihre Wirksamkeit und Sicherheit mittlerweile unter Beweis gestellt: Signifikant mehr Patienten der Verumgruppen erreichen eine 75-prozentige Besserung ihres Hautbefundes als die der Plazebogruppen (EASI75), wobei die Responder-Raten je nach Studie von 45 bis 70 Prozent reichten. Noch ein Pluspunkt: Viele AD-Patienten leiden unter weiteren Erkrankungen aus dem allergischen Formenkreis, wie allergische Rhinitis und Asthma. Hier hat sich herausgestellt, dass vor allem Dupilumab die Asthma-Symptome bessern kann.
IL-13-Hemmer ist nicht gleich IL-13-Hemmer
Falls die Wirkung des ersten Vertreters dieser Substanzgruppe nicht ausreicht, kann auch auf einen der anderen IL-13-Inhibitoren umgestellt werden. So hat eine Studie mit Dupilumab-Nonrespondern ergeben, dass eine nachfolgende Therapie mit Tralokinumab erfolgreich sein kann (3). Auch wenn Dupilumab nicht vertragen werde, z. B. wegen der als häufigste Nebenwirkung auftretenden starken Konjunktivitis, könne auf Tralokinumab ausgewichen werden, erläuterte Lang.
JAK-Inhibitoren als neue Option
Die zweite grosse Biologika-Gruppe, die zur systemischen
Therapie bei schwerer AD eingesetzt werden kann, sind die
JAK-Hemmer Abrocitinib (Cibinqo®), Baricitinib (Olumi-
ant®) und Upadacitinib (Rinvoq®). Alle diese JAK-Hemmer
hemmen die Hautentzündungen signifikant. Sie können auch
eine Alternative zu den IL-13-Hemmern sein. Während der
16-wöchigen Behandlung zeigte Upadacitinib bei Patienten
mit mittelschwerer bis schwerer AD eine überlegene Wirk-
samkeit im Vergleich zu Dupilumab, ohne dass neue Sicher-
heitssignale auftraten (4).
Und die Forschung geht weiter. So werden derzeit nicht nur
neue Substanzen, welche die epidermale Barriere stärken,
erforscht – sowohl das Mikrobiom im Darm als auch die
Hautflora selbst sind in den Fokus der Therapieentwicklung
gerückt. Ebenso sei bei den Zytokin-Hemmstoffen einiges in
der Entwicklungs-Pipeline, wie Lang abschliessend berich-
tete. Beispielsweise werden Inhibitoren der inflammatori-
schen Signalwege, die bereits gegen Psoriasis eingesetzt wer-
den, auch bei AD getestet. Und auch dem Juckreiz rücken
Wissenschaftler immunologisch zu Leibe. In Phase-III-Stu-
dien konnte z. B. mit Nemolizumab (Anti-IL-31R) der Juck-
reiz deutlich gesenkt werden.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Session 2.3 «Immune responses in Allergic disorders» beim Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI-SSAI), am 13. September 2024 in Genf.
Referenzen: 1. Czarnowicki T et al.: Atopic dermatitis endotypes and implications for
targeted therapeutics. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(1):1-11. doi: 10.1016/j.jaci.2018.10.032 2. Arenberg P et al.: Topisches Levenemol plus Heparin bei Neurodermitis. AktDermatol. 2010;36: 217–221. doi: http://dx.doi.org/ 10.1055/ s-0029-1244081 3. Pezzolo E, Naldi L.: Tralokinumab in the treatment of resistant atopic dermatitis: An open-label, retrospective case series study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2023;37(5):e644-e645. doi:10.1111/jdv.18753 4. Blauvelt A et al.: Efficacy and Safety of Upadacitinib vs Dupilumab in Adults With Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis: A Randomized Clinical Trial [published correction appears in JAMA Dermatol. 2022;158(2):219. doi: 10.1001/jamadermatol.2021.5451
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