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SGAIM
Virale Hepatitis immer noch aktuell
Bei Check-ups auch auf Hepatitis testen
Foto: zVg
Bei jedem Patienten in der Grundversorgung sollte auch an Hepatitis A, B, C oder D gedacht werden. Hepatitis-B-Ungeimpfte sollten gesucht und geimpft werden, denn die Therapie einer chronischen Hepatitis B ist nur suppressiv. Bei Hepatitis C lohnt sich die Suche, sie ist einfach, ebenso die kurative Therapie. Was getestet und wie behandelt werden soll, erklärte der Hepatitis-Experte Dr. Beat Helbling, Gastroenterologie Bethanien, Zürich, am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM).
Die Hepatitis B ist eine chronische Infektion,
die es nach Meinung von Helbling eigentlich
schon lange nicht mehr geben dürfte. Denn sie
kann komplett verhindert werden. Seit etwa 10
Jahren werden Neugeborene, Kinder und Ju-
gendliche routinemässig dagegen geimpft.
Dennoch werden in der Schweiz gemäss Bun-
desamt für Gesundheit jährlich über 1000 Per-
sonen neu entdeckt (1). Deshalb ist ein Scree-
Beat Helbling
ning nach dem HBs-Antigen wichtig, um die Erkrankung zu finden. Beispielsweise bei allen
Schwangeren, denn die Ansteckung des Kindes erfolgt über
den Geburtskanal. Neugeborene von sAntigen-positiven
Müttern erhalten unmittelbar nach der Geburt eine aktive
und eine passive Impfung. Zusätzlich sollten alle Personen,
die in Ländern südlich und östlich der Schweiz geboren wur-
den, routinemässig auf das HbsAg hin untersucht und alle
nicht infizierten zu einer Hepatitis-B-Impfung (Engerix B®,
Twinrix®) motiviert werden. Weltweit zeigt die HBV-Präven-
tion durch abnehmende Infektionszahlen gemäss WHO
langsam Wirkung (2).
Kommt es bei Erwachsenen dennoch zu einer Ansteckung,
heilt diese in 90 Prozent der Fälle von selbst aus. Bei der Über-
tragung im Kindesalter hingegen ist eine spontane Heilung
ungewöhnlich und 90% der angesteckten Kinder tragen das
KURZ & BÜNDIG
� Hepatitis A, B, C, D beim Check-up im Labor suchen, nach Hepatitis B und C auch in den Praxisakten.
� Hepatitis B: Ungeimpfte impfen. � Hepatitis C: HCV RNA bestimmen und bei positivem Resul-
tat die Infektion behandeln. � Eine Hepatitis-C-Therapie ist simpel und kann beim Haus-
arzt durchgeführt werden.
Virus stumm das ganze Leben im Körper. Entsteht aus der chronischen Infektion eine chronische Hepatitis, kann sie mit Tenofovir disoproxil 245 mg/Tag oder Tenofovir alafenamid 25 mg/Tag durch Suppression der HBV-DNA unter Kontrolle gehalten werden. Bei einer noch gesunden Leber und tiefen Replikationsrate ist die Therapie nur zur Transmissionsprophylaxe indiziert. Besteht eine Leberentzündung und/ oder Leberfibrose, braucht es eine Dauertherapie. Dies auch im Fall einer vorhandenen Leberzirrhose. Eine komplette Heilung gibt es nur äusserst selten. Mit der Dauertherapie besteht die Chance, dass der HBsAg-Titer anhaltend sinkt. In diesem Fall kann laut Helbling die Therapie in spezialisierten Händen abgesetzt werden. Solange die Transaminasen normal sind, keine Fibrose besteht, ist keine Therapie notwendig. Steigen die Transaminasen an, muss die HBV-DNA bestimmt werden. Ist diese erhöht, soll der Patient kontrolliert und spezialisiert hepatologisch beurteilt werden, fasst der Experte zusammen.
Hepatitis D als Trittbrettfahrer
Hepatitis D ist eine Koinfektion der Hepatitis B und kann nur in Kombination mit dem Hepatitis-B-Virus übertragen werden. Beide Viren zusammen führen zu einem schweren Krankheitsverlauf mit Leberzirrhose und Leberkrebs. Um einem solchen Verlauf vorzubeugen, sollte bei jedem Hepatitis-B-Patienten einmal im Leben eine Hepatitis-D-Serologie bestimmt werden, empfiehlt Helbling. Auch das HepatitisD-Virus kann therapeutisch nur supprimiert werden, neu mit Bulevirtid (Hepcludex®) gibt es erstmals eine wirksame Therapie gegen Hepatitis D. Eine Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor Hepatitis D.
Hepatitis C suchen und heilen
Hepatitis C sollte gesucht werden, denn der Test ist günstig, und eine Infektion kann heutzutage geheilt werden. Potenziell unerkannt infiziert sind die 1950er- bis 70er-Jahrgänge, Personen mit Transaminasenerhöhung, früherem oder aktuellem Drogenkonsum. Patienten mit chronischer Infektion können aber auch normale Transaminasen aufweisen, sodass ein Check-up eine gute Gelegenheit für einen Test darstelle,
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so Helbling. Zum Nachweis einer chronischen Hepatitis C dient die Bestimmung der HCV RNA. Antikörper könnten dagegen auch nach abgeheilter Hepatitis C erhöht sein und seien daher kein Indikator für eine chronische Infektion, so der Experte. Mit der Einführung der direkten antiviralen Substanzen (DAA) ist es nach vielen Jahren auch in der Grundversorgerpraxis möglich geworden, die Hepatitis-C-Infektion erfolgreich zu behandeln und das Virus zu eliminieren. Dazu stehen zwei Kombinationstherapien, Epclusa® (Sofosbuvir/Velpatasvir) und Maviret® (Glecaprevirum/Pibrentasvirum), zur Verfügung. Bei der Therapie mit Epclusa® wird 1-mal täglich 1 Tablette während 12 Wochen eingenommen, bei Maviret® 1-mal täglich 3 Tabletten während 8 Wochen. Die Therapie ist simpel, zu > 90 Prozent wirksam und hat kaum Nebenwirkungen. Zu beachten sind Interaktionen mit anderen Medikamenten. Besteht eine Leberzirrhose (Child B), ist nur Epclusa® indiziert, bei einer Niereninsuffizienz nur Maviret®. Im Fall eines seltenen Therapieversagens kann mit der Dreierkombination Vosevi® (Sofosbuvir/Velpatasvir/ Voxilaprevir) wiederum sehr erfolgreich behandelt werden. Einschränkungen für die Therapie bestehen nicht mehr: Seit 2 Jahren dürfen alle Hausärzte direkt Epclusa® oder Maviret® verordnen. Mehr Informationen dazu sind auf www.sasl.ch und www.hepcare.ch zu finden. Die Therapie erfordert keine Laborkontrollen, einzig die Compliance muss
sichergestellt werden, weil kein Therapieunterbruch geduldet ist. Drei Monate nach Therapieende muss die HCV RNA zur Wirksamkeitskontrolle bestimmt werden. Bei negativem Testergebnis ist der Patient geheilt. Bei Patienten mit weiterem Drogenkonsum soll die HCV RNA jährlich bestimmt werden, da Reinfektionen möglich sind. Die Möglichkeit der Heilung von Hepatitis C schlage sich auch bei den Hepatitis-C-bedingten Lebertransplantationen nieder: Seit Einführung der DAA 2017 ist die Zahl drastisch gesunken, so Helbling.
Hepatitis A und E mit Spontanheilung
Hepatitis-A- und -E-Infektionen sind in der Schweiz selten. Die Viren werden fäkal-oral übertragen. Die Infektionen verlaufen akut, symptomatisch und heilen spontan aus. s
Valérie Herzog
Quelle: «Viral hepatitis: happy end? ». Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM), 29. bis 31. Mai 2024, Basel.
Referenzen: 1. BAG: meldepflichtige Infektionskrankheiten – wöchentliche Fallzahlen.
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/zahlen-und-statistiken/ zahlen-zu-infektionskrankheiten/meldepflichtige-infektionskrankheiten---woechentliche-fallzahlen.html. Letzter Zugriff: 12.6.24. 2. WHO: Global hepatitis report 2024. https://www.who.int/publications/i/item/9789240091672. Letzter Zugriff: 12.6.24.
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