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SSP
Impfupdate 2024
Vermeidbare Atemwegsinfekte vermeiden
Gewisse Atemwegsinfekte können mit einer Impfung vermieden werden. Das ist vor allem bei Patienten mit Atemwegserkrankungen relevant, um infektbedingte Exazerbationen zu reduzieren. Am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie in Baden wurde dringend empfohlen, die noch tiefe Impfrate bei diesen Patienten zu verbessern.
Bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) können Exazerbationen zu Hospitalisierung führen, zu Krankheitsprogression und eventuell zum Tod. Ungefähr 70 Prozent der COPD-Exazerbationen sind infektbedingt, davon etwa 30 Prozent durch respiratorische Viren (1). Diese Patienten sollten deshalb unbedingt gegen vermeidbare respiratorische Infekte von Erregern wie Influenzaviren, Pneumokokken, SARS-CoV-2 und eventuell RSV geimpft werden, doch die Umsetzung sei in dieser Population noch suboptimal, berichtete Prof. Werner Albrich, Kantonsspital St. Gallen eine Untersuchung. Das würde im Nebeneffekt auch helfen, den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren und damit die Antibiotikaresistenzen nicht weiter zu fördern. Ebenfalls zu den vermeidbaren Atemwegsinfekten gehört der Keuchhusten, dem mit einer Impfung vorgebeugt werden kann. Die Impfung gegen Pertussis sei nicht nur eine «Kinderimpfung», wie Prof. Christoph T. Berger, Universitäres Zentrum für Immunologie, Universitätsspital Basel betonte. Nach der Grundimmunisierung im Säuglingsalter folgen bis zum 25. Altersjahr regelmässige Wiederholungen, und danach alle 20, nach dem 65. Lebensjahr alle 10 Jahre (z. B. mit dTpa [Adacel®, Boostrix®]), vor allem, wenn die Patienten mit Säuglingen Kontakt haben (2). Ebenfalls wichtig für Lungenpatienten ist die jährliche Grippeimpfung mit den quadrivalenten Influenzaimpfstoffen (Fluarix®, Influvac®, Flucelvax®, Vaxigrip®). Dies vor allem für Personen mit Komorbiditäten, ältere Personen und Personen, die im Gesundheitssystem arbeiten. Neu steht eine hochdosierte beziehungsweise 4-fach dosierte Influenzaimpfung (Efluelda®) zur Verfügung (2). Diese ist für Senioren ≥ 65 Jahre zugelassen, so Berger. Eine Rückerstattung erfolgt bei Personen ≥ 75 Jahre oder ≥ 64 mit einem Risikofaktor für eine komplizierte Grippe. Gegenüber einer normal dosierten Influenzaimpfung zeigte die hochdosierte bei älteren Personen ≥ 65 Jahre eine um 24 Prozent stärkere Wirksamkeit (3). Bei Immunsupprimierten beziehungsweise Organtransplantierten zeigte die 4-fach-Dosis ebenfalls eine signifikant bessere Immunogenizität als die normal dosierte Impfung (4).
einem schweren COVID-19-Verlauf geschützt. Bei Personen mit Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf kann der Impfschutz durch eine weitere Impfung den Schutz wieder angehoben werden. In der Annahme, dass sich eine Saisonalität von SARS-CoV-2 mit ansteigenden Fallzahlen im Herbst/Winter etabliert und Virusvarianten zirkulieren, die mit einer ähnlichen Krankheitslast einhergehen wie die im Herbst 2023 zirkulierenden Omikron-Untervarianten, wird eine Impfung gegen COVID-19-Impfung im Herbst 2024 voraussichtlich für Personen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf ab 16 Jahren und immundefiziente Personen empfohlen (2). Ebenfalls zu vermeiden, vor allem bei Lungenpatienten, ist die pneumokokkeninduzierte Pneumonie. Zur Vorbeugung stehen zurzeit drei verschiedene Pneumokokkenimpfungen zur Verfügung: Prevenar-13® (PCV-13, 13-valent), Vaxneuvance® (PCV 15, 15-valent) und Prevenar-20® (PCV 20, 20-valent). Sie sind empfohlen für Personen ≥ 65 Jahre mit 1 weiteren Risikofaktor.
Weitere Impfungen
Abgesehen von viralen Atemwegsinfekten sind komorbide
Patienten mit eingeschränktem Immunsystem anfällig für
eine Herpes-zoster-Erkrankung, vor allem, wenn sie in ihrer
Kindheit eine Varizellen-Infektion durchgemacht haben. Die
Varizellenviren verbleiben nach Abheilung in den Spinalgan-
glien und werden durch die intakte T-Zell-Immunität unter
Kontrolle gehalten. Lässt das Immunsystem infolge Krank-
heit, medikamentöser Immunsuppression oder steigenden
Alters nach, kann es zu einer Varizellenreaktivierung mit
Ausbruch einer Gürtelrose kommen. Als schwerwiegende
Komplikation gelten die Beteiligung der Augen (Zoster opht-
halmicus) und die postherpetische Neuralgie, die bei bis zu
einem Drittel der Patienten auftreten kann. Die Gürtelro-
se-Impfung (Shingrix®) ist gemäss Impfplan für alle Personen
≥ 65 Jahre empfohlen, ab ≥ 50 Jahre für jene mit einer Im-
munschwäche und ab 18 Jahren für Personen mit einer
schweren Immunschwäche oder einer immunsupprimieren-
den Behandlung (2).
s
COVID-19 und Pneumonie vorbeugen
In der Schweiz wird die COVID-19-Impfung gemäss Impfplan für die kommende Wintersaison voraussichtlich empfohlen. Gemäss Impfkommission sind Personen ohne Risikofaktoren durch die vorbestehende Immunität sehr gut vor
Valérie Herzog
Quelle: «Vaccination Update 2024». Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 29. bis 31. Mai, Baden.
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Referenzen: 1. Simon S et al.: The role of vaccination in COPD: influenza, SARS-CoV-2,
pneumococcus, pertussis, RSV and varicella zoster virus. Eur Respir Rev. 2023;32(169):230034. Published 2023 Sep 6. doi:10.1183/16000617.00342023. 2. Schweizer Impfplan 2024 und Factsheet Risikopatienten 2023. https:// www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/broschueren/publikationen-uebertragbare-krankheiten/risikopatienten.html. Letzter Zugriff: 10.6.24. 3. DiazGranados CA et al.: Efficacy of high-dose versus standard-dose influenza vaccine in older adults. N Engl J Med. 2014;371(7):635-645. doi:10.1056/NEJMoa1315727. 4. Natori Y et al.: A double-blind, randomized trial of high-dose vs standard-dose influenza vaccine in adult solid-organ transplant recipients. Clin Infect Dis. 2018;66(11):1698-1704. doi:10.1093/cid/cix1082
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