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UEG-Week
Kongressnews
KI verfolgt Kapsel im Darm
Anstatt bei der Kapselendoskopie die rund 360 Filmminuten
im Darm selbst nach verdächtigen Veränderungen verfolgen
zu müssen, könnte das eigentlich die «künstliche Intelligenz»
(KI) übernehmen. Ob KI-Algorithmen jedoch an die Genau-
igkeit der menschlichen Expertise herankommen, wollte ein
französisch-dänisches Forscherteam wissen. In ihrer pros-
pektiven, verblindeten Multizenterstudie erhielten 109 Pati-
enten, unter anderem solche mit Verdacht auf Morbus
Crohn, eine pan-enterische Kapselendoskopie durch Dünn-
und Dickdarm. Die Videobilder wurden anschliessend durch
das KI-System AXARO® nach verdächtigen Veränderungen
abgesucht. Zwei Gastroenterologen bewerteten die Kapsel-
endoskopie nach Standardverfahren als Referenz ebenfalls.
Die KI reduzierte die durchschnittlich 374 Filmminuten auf
470 verdächtige Bilder (2,1%) pro Patient, was den Gastro-
enterologen anschliessend noch etwa 4 Minuten Arbeit pro
Patient für die Befundung bescherte. Die Befundung aller 109
Kapselendoskopien war damit in etwa 6 Stunden möglich.
Die Sensitivität der KI lag bei 97 Prozent, die Spezifität bei 90
bis 91 Prozent, der negativ prädiktive Wert für Morbus
Crohn bei 95 Prozent und für IBD bei 97 Prozent. Die Auto-
ren folgern daraus, dass eine erhebliche Beschleunigung der
Auswertung bei hoher diagnostischer Genauigkeit mit die-
sem Algorithmus möglich ist, was die Kapselendoskopie zu
einem schnellen Verfahren zum Ausschluss einer IBD ma-
chen könnte.
vh
Quelle: Brodersen JB et al.: The diagnostic performance of artificial intelligence-assisted analysis of pan-enteric capsule endoscopy in patients with suspected crohn’s disease. MP202, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen.
sss
Angegriffene Knochen bei IBD-Diagnose
Mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (IBD), wie
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, geht ein erhöhtes Risiko
für metabolische Knochenerkrankungen wie Osteopenie und
Osteoporose einher. Wie hoch dieses Risiko bereits zum
Zeitpunkt der IBD ist, wollten dänische Forscher wissen. Zu
diesem Zweck liessen sie von 316 neu diagnostizierte IBD-Pa-
tienten die Knochendichte mit einem DEXA-Scanner (Du-
al-Energy X-ray Absorptiometry) messen. Ein T-Score < –2,5 war diagnostisch für Osteoporose und ein T-Score zwischen –1 und –2,5 bezeichnete eine Osteopenie. Bei rund einem Viertel der Patienten lag eine Osteopenie vor, etwa 8 Prozent hatte bereits eine Osteoporose. Vor dem Hintergrund, dass diese Patienten im Rahmen ihrer künftigen IBD-Therapie immer wieder systemische Kortikosteroide erhalten werden, finden die Autoren die gefundenen Ergebnisse besorgniserre- gend. vh Quelle: Attauabi M et al.: Should all patients with newly diagnosed inflammatory bowel diseases be screened for metabolic bone disease? results from a danish population-based inception cohort study. MP083, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen. Amitriptylin hilft, IBS-Symptome zu lindern Das Antidepressivum Amitriptylin kann die Symptome des Reizdarmsyndroms lindern, wie die britische, doppelblind randomisierte ATLANTIS-Praxisstudie mit 463 Patienten mit Reizdarmsyndrom aus 55 Allgemeinarztpraxen zeigt. Die Teilnehmer erhielten entweder niedrigdosiertes Amitrip- tylin (10–30 mg/Tag) oder Plazebo. Die Dosierung konnten sie je nach Symptomen oder Nebenwirkungen selbst anpas- sen. Nach 6 Monaten berichteten jene aus der Amitryptilin- gruppe über eine stärkere Symptomlinderung und doppelt so häufig über eine Verbesserung als jene aus der Plazebo- gruppe. Die Angst- und Depressionswerte der Teilnehmer veränder- ten sich jedoch nicht, was darauf hindeutet, dass die positi- ven Wirkungen des Medikaments über den Darm und nicht aufgrund einer Wirkung als Antidepressivum erfolgten. Damit empfehle sich der Versuch mit niedrigdosiertem Ami- tryptilin bei Reizdarmpatienten, deren Symptome sich mit den Erstlinienbehandlungen nicht verbessert haben, so das Fazit der Autoren. vh Quelle: Ford AC et al.: Amitriptyline at low-dose and titrated for irritable bowel syndrome as second-line treatment (atlantis): a randomise double-blind placebo-controlled trial in primary care. OP222, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen. sss Operation bei Barrett-Ösophagus nicht besser in der Adenokarzinomprävention Eine skandinavische Registerstudie zeigt, dass eine Antire- flux-Operation bei Patienten mit Barrett-Ösophagus einer medikamentösen Antireflux-Behandlung in der Prävention von Adenokarzinomen nicht überlegen ist. In die Studie flos- sen Daten von 33 939 Patienten mit Barrett-Ösophagus aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Dabei wur- den Patienten, die sich einer Antireflux-Operation unterzo- gen hatten (n = 542), mit nicht operierten Patienten vergli- chen, die Antireflux-Medikamente einnahmen. Die Nachbe- obachtungszeitraum betrug 32 Jahre. Es zeigte sich, dass das Risiko für Adenokarzinom bei den operierten Patienten, nicht tiefer war (Hazard-Ratio [HR]: 1,9; 95%-Konfidenz- intervall [KI]: 1,1–3,5), als bei jenen aus der Medikamenten- gruppe. Im Gegenteil: Es nahm mit zunehmender Beobach- tungsdauer zu. vh Quelle: Akerström JH et al.: Antireflux surgery versus antireflux medication and risk of esophageal adenocarcinoma in patients with barrett’s esophagus. OP047, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen. sss sss 12 CongressSelection Gastroenterologie | Februar 2024 UEG-Week Tiefes Geburtsgewicht birgt höheres Fettleber- risiko Eine schwedische Registerstudie zeigte einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geburtsgewicht und dem Auftreten einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) im späteren Leben auf. Dabei zeigte sich, dass bei Personen, die mit einem geringen Geburtsgewicht (< 2500 g) geboren worden waren, die Wahrscheinlichkeit, in der Kind- heit, im Jugendalter oder im jungen Erwachsenenalter an NAFLD zu erkranken, 4-mal höher war als bei Personen mit normalem Geburtsgewicht. Bei Personen, deren Geburtsge- wicht unter der 10. Perzentile lag, war das Risiko, früh an NAFLD zu erkranken, ebenfalls mehr als dreimal so hoch wie bei Personen mit einem angemessenen Geburtsgewicht (10.–90. Perzentile). Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, dass Personen mit niedrigem Geburtsgewicht ein bis zu 6-fach höheres Risiko hatten, eine Leberfibrose oder -zir- rhose zu entwickeln. vh Quelle: Ebrahimi F et al.: Perinatal characteristics and risk of nonalcoholic fatty liver disease in children, adolescents and young adults – a nationwide population-based case-control study. OP092, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen. sss Veränderungen im Darmmikrobiom könnten Darmkrebsrisiko vorhersagen Forscher haben signifikante Unterschiede im Darmmikro- biom von Personen festgestellt, die präkanzeröse Kolonlä- sionen entwickelt haben. Das deutet darauf hin, dass das Darmmikrobiom in der Entwicklung von kolorektalen Lä- sionen und Tumoren involviert sein könnte. In der prospek- tiven Studie mit 8208 Teilnehmern wurden die Daten des niederländischen Mikrobiomprojekts mit der landesweiten niederländischen Pathologiedatenbank verknüpft, um alle aufgezeichneten Fälle von Dickdarmbiopsien aus den letz- ten 5 Jahrzehnten zu ermitteln. Die Forscher analysierten die Funktion und Zusammensetzung des Darmmikrobioms von Personen, die vor der Entnahme einer Stuhlprobe Darmkrebs entwickelt hatten, sowie von Personen, die nach der Entnahme einer Stuhlprobe Läsionen entwickel- ten. Diese Gruppen wurden dann mit Personen mit norma- len Koloskopiebefunden und der Allgemeinbevölkerung verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die nach der Ent- nahme von Stuhlproben Kolonläsionen entwickelten, signi- fikante Unterschiede im Darmmikrobiom aufwiesen im Ver- gleich zu Personen, die keine Läsionen entwickelten. Darüber hinaus unterschieden sich die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms bei Personen mit bereits bestehen- den oder zukünftigen Läsionen und variierten je nach Art der Läsion. Dabei wurden vor allem Bakterienarten aus der Fa- milie der Lachnospiraceae und die Gattungen Roseburia und Eubacterium mit der zukünftigen Entwicklung von Läsionen in Verbindung gebracht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom als wertvolles Instrument zur Verbesse- rung bestehender Früherkennungstests für Darmkrebs die- nen könnte, so das Fazit der Autoren. vh Quelle: Gacesa R et al.: Development of precancerous colonic lesions is associated with gut microbiota in the dutch microbiome project cohort study. OP118, presented at UEG-Week 2023, Copenhagen. sss CongressSelection Gastroenterologie | Februar 2024 13