Transkript
Asthma in der Adoleszenz
Praktische Tipps für Problemfälle
EAACI
Hinter problematischem Asthma verbirgt sich nicht selten eine andere Diagnose. Auch können Komorbiditäten bei «Asthma plus» dem Therapieerfolg im Wege stehen. Schliesslich sind die basalen Dinge bei Asthma ganz und gar nicht banal: Adhärenz, Inhalationstechnik, Behandlungsplan, Trigger-Vermeidung und psychosoziale Belange. Für schweres therapieresistentes Asthma kommt die Behandlung mit Biologika in Betracht. Darüber sprach Prof. Graham Roberts aus Southampton (UK) am hybriden EAACI-Kongress 2023.
Wenn die Asthmadiagnose gestellt wurde, kann das «Treppensteigen» gemäss den GINA-Guidelines beginnen. Die meisten Asthmapatienten sprächen auf die ersten beiden Stufen der Therapietreppe an, wenn die Behandlung korrekt durchgeführt werde, sagte der Referent. Nur bei etwa 5 Prozent der Asthmapatienten bestehe schweres Asthma mit schlechter Symptomkontrolle und sehr intensiver Therapie (Stufe 5). Wenn ein Patient trotz mittel- bis hochdosierter inhalativer Kortikosteroide kombiniert mit einem langwirksamen Beta-2-Agonisten ungenügend auf die Asthmatherapie anspricht, ist es höchste Zeit, die Krankheitssituation neu zu evaluieren. «Zuerst frage ich mich, ob es sich tatsächlich um Asthma handelt», so der Referent. «Passen die Symptome zur Asthmadiagnose?» Beispielsweise sei chronischer, feuchtnasser Husten kein Asthmasymptom, sondern passe z. B. zu Bronchiektasen. Die Diagnose kann computertomografisch gestellt werden. Zu den Ursachen von Bronchiektasen gehören Zystische Fibrose, Primäre Ziliäre Dyskinesie und Immundefizienz. Eine alternative Diagnose ist auch die Obliterative Bronchiolitis, die nach Adenovirusinfektionen entstehen kann. Durch Entzündung und Fibrose kommt es zur Verdickung der Bronchiolenwand mit konzentrischer Verengung. Die Symptome und Veränderungen der Lungenfunktion sind ähnlich wie bei Asthma. Die Diagnose kann mittels CT gestellt werden. Bei Behandlung mit hohen Steroiddosen sind die Veränderungen in den Luftwegen reversibel. Bei plötzlichem Beginn asthmaähnlicher Symptome muss auch in der Adoleszenz an Fremdkörperaspiration gedacht werden.
«Asthma plus»
Wenn bei problematischem Asthma die üblichen Asthmasymptome vorhanden sind, aber ungenügend auf die Asthmatherapie ansprechen, kann es sich um ein Asthma mit zusätzlicher Komorbidität handeln, also um ein «Asthma plus». Die Vocal Cord Dysfunction (VCD) komme oft zusammen mit Asthma vor, so der Referent. Die Symptome sprechen bei solchem «cord asthma» ungenügend auf die Asthmabehandlung an. Bei VCD kommt es intermittierend
zur laryngealen Obstruktion, weil sich die Stimmbänder paradoxerweise bei Inspiration schliessen, wobei ein charakteristisches Geräusch (Stridor) entsteht. Attacken von VCD beginnen plötzlich und enden ebenso abrupt. Betroffene berichten über Engegefühl im Hals und Veränderungen der Stimme. Für die Diagnostik sei es hilfreich, wenn Betroffene während einer Episode ein Video mit Ton aufnehmen. Um eine Episode in der Praxis auszulösen, seien körperliche Anstrengungen oder intensive Gerüche (z. B. Deo-Spray) nützlich. Vorher, unmittelbar danach und 10 Minuten später soll die Atmung beobachtet und die Lungenfunktion gemessen werden. Für die Diagnostik optimal ist die Visualisierung des Larynx mit einem flexiblen Bronchoskop bei Symptombeginn. Der Referent wies darauf hin, dass die meisten Adoleszenten mit Asthma eine dysfunktionale Atmung aufweisen, welche die Asthmasymptome verstärkt. Bei Erwachsenen mit Asthma (Alter 16 bis 70 Jahre) konnte gezeigt werden, dass audiovisuell (mittels DVD und Broschüre) angeleitete, von Patienten selbständig durchgeführte Atemtherapie (Digital Self-Guided Breathing Retraining) effektiv ist und die Lebensqualität der Patienten bei geringen Kosten verbessert (1). Die Arbeitsgruppe von Roberts hat kürzlich eine Webbasierte, für Smartphones geeignete Breathing-RetrainingIntervention (BREATHE4T) in einer Pilotstudie bei 64 Teenagern getestet. Die Ergebnisse der Studie wurden noch nicht veröffentlicht. Asthma plus obstruktive Schlafapnoe kann für nächtliche «Asthmaanfälle» verantwortlich sein und ungenügendes Ansprechen auf die Asthmatherapie vortäuschen. Auch Asthma plus allergische Rhinitis kann durch Obstruktion der oberen Luftwege die Asthmatherapie torpedieren. Asthma plus sekundärer Krankheitsgewinn sei bei Adoleszenten nur selten anzutreffen, so der Referent. Es stelle sich die Frage, welchen Nutzen betroffene Jugendliche aus der Übertreibung der Asthmasymptome ziehen könnten.
Basales ist nicht Banales
Die Adhärenz bei der Asthmatherapie sei leider in der Adoleszenz besonders schlecht, sagte Roberts. Nach seiner Erfahrung lohnt es sich, z. B. mit audiovisuellen Erinnerungs-
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Tabelle:
Behandlungstipps bei schwerem Asthma
Phänotyp/ Endotyp
Management
Fixierte Atemwegsobstruktion (Fibrose)
Therapie auf ein Mindestmass reduzieren, um Nebenwirkungen zu reduzieren
Variable Atemwegsobstruktion
SABA, LABA, LAMA, Theophyllin
Atemwegsentzündung
Eosinophile Entzündung: inhalative +/- orale Kortikosteroide
Omalizumab (wenn atopisch)
Mepolizumab
Dupilumab (wenn First-Line-Therapie versagt)
Neutrophile Entzündung: Makrolid
Atemwegsinfektion Antibiotika
(nach Graham Roberts)
hilfen die Adhärenz zu verbessern. Wichtig ist auch die Kontrolle der korrekten Inhalationstechnik. Adoleszente müssen den Managementplan genau kennen und befolgen, damit sie korrekt auf die verschiedenen Symptome reagieren können. Sie müssen über verantwortliche Allergene und über Trigger genau Bescheid wissen, damit sie diese so gut als möglich vermeiden können. Auch psychosoziale Einflussfaktoren auf die Erkrankung müssen berücksichtigt werden. Wie kommen wir aber weiter, wenn wir bewiesen haben, dass die Asthmadiagnose stimmt, dass es sich nicht um «Asthma plus» handelt und dass nicht die basalen Dinge für die Therapieresistenz des schweren Asthmas verantwortlich sind? Jetzt ist eine genaue Phäno- und Endotypisierung angezeigt. Es gilt, folgende Fragen zu beantworten: s Ist die Atemwegsobstruktion variabel oder fixiert (Fi-
brose)? s Ist die Atemwegsentzündung eosinophil oder neutrophil? s Besteht eine Atemwegsinfektion? Die entsprechenden Behandlungsvorschläge sind in der Ta-
belle zusammengestellt.
Tipps für die Biologikatherapie
Schweres Asthma spricht unterschiedlich gut auf die verfügbaren Biologika an. Roberts skizzierte seinen persönlichen
Umgang mit Biologika bei der Behandlung von Adoleszenten
mit schwerem Asthma. Das Anti-IgE-Biologikum Omalizu-
mab eigne sich zur Behandlung von schwerem allergischem
Asthma. Ein erhöhter Total-IgE-Wert stelle einen Prädiktor
der Reduktion von Exazerbationen dar. Aber ein sehr hoher
IgE-Wert sei mit Therapieversagen assoziiert, so der Refe-
rent. Das Anti-IL-5-Biologikum Mepolizumab sei bei schwe-
rem eosinophilem Asthma angezeigt. Anhand der Eosinophi-
len im Blut könne die Abnahme der Exazerbationen voraus-
gesagt werden. Wenn mit anderen Biologika kein Ansprechen
erreicht wurde, setzt Roberts das Anti-IL-4/13-Biologikum
Dupilumab ein. Dabei seien erhöhte Eosinophilenzahl und
erhöhtes FeNO Prädiktoren der Reduktion von Exazerbatio-
nen. Der Referent wies darauf hin, dass in den Studien nur
sehr wenige Adoleszente vertreten seien. Deshalb sei die Evi-
denz für diese Altersgruppe schwach.
s
Alfred Lienhard
Quelle: Symposium SY 1 «Management of pediatric asthma – what is new?» beim EAACI Hybrid Congress 2023 am 9. Juni 2023 in Hamburg und online.
Referenz: 1. Bruton A et al.: Physiotherapy breathing retraining for asthma: a rando-
mised controlled trial. Lancet Respir Med. 2018;6:19-28.
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