Transkript
EAACI
Allergiker verweigern Allergenvermeidung
Neue Behandlungswege bei Katzenallergie
Früher waren Katzen hauptsächlich als Mäusefänger geschätzt. Heute sind sie in blitzsauberen Wohnungen als vollwertige Familienmitglieder für das emotionale Wohlergehen unentbehrlich. Katzenallergiker lehnen meist eine Trennung vom Schmusetier trotz Rhinitis- oder Asthmasymptomen und Schlafstörungen strikt ab. Gibt es aber, abgesehen von der Allergenvermeidung, realistische Behandlungsmöglichkeiten? Darüber sprach Prof. Erika Jensen-Jarolim aus Wien (A) am hybriden EAACI-Kongress 2023.
Aktuelle Studien zeigen, dass die Prävalenz von Katzensensibilisierungen in den letzten 15 Jahren stark zugenommen hat. Fast jedes fünfte Kind sei sensibilisiert, so die Referentin. Meist sei die Behandlung von Patienten mit Katzenallergie frustrierend. Studien zur Allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) hätten bisher noch keine überzeugenden Resultate erzielt. Mehr Forschung und grössere Studien seien erforderlich. Viel verspricht sich die Referentin von der passiven Immuntherapie mit humanisierten, rekombinanten, monoklonalen, gegen das dominante Antigen Fel d 1 gerichteten IgG4-Antikörpern. In einer Studie wurde gezeigt, dass das Antikörperpaar REG1908/1909, das an Fel d 1 bindet, die Bindung des Allergens an IgE blockiert und so die Mastzelldegranulation verhindert (1). Eine einzige subkutane Injektion des Biologikums reduzierte die Nasensymptome bei nasaler Provokation mit Katzenallergen in vergleichbarem Umfang wie eine über mehrere Jahre durchgeführte AIT. Ein positiver Effekt auf die Allergiesymptome konnte während der gesamten Studiendauer von 85 Tagen nachgewiesen werden.
Bei Katzen die Allergenquelle trockenlegen
Wenn Katzen weniger Allergen in ihrer Umgebung verbreiten, könnten Allergiesymptome abnehmen. Die haarlose «hypoallergene Katze» bleibt aber eine Illusion, denn auch Katzen ohne Fell sind Allergenquellen, weil es sich eigentlich um eine Katzenspeichelallergie, nicht eine Haarallergie handelt. Die innovative Schweizer Idee, mittels Impfung von Katzen das Allergen zu reduzieren, sei für Katzen unschädlich und nebenwirkungsarm, so die Referentin. Die experimentelle Vakzine Fel-CuMV (HypoCat™) bewirkt, dass Katzen neutralisierende Autoantikörper gegen Fel d 1 bilden. Infolge der abnehmenden Allergenausscheidung kommt es bei den allergischen Katzenhaltern zur Symptomreduktion. Für die Registrierung des Impfstoffs als Veterinärprodukt reicht es aber nicht aus, dass Katzenhalter davon profitieren. Es dürfte jedoch schwierig werden, den geforderten Nachweis zu erbringen, dass die Impfung auch für Katzen nützlich ist. Anders bei der Futtermethode, denn Futter nützt den Katzen, und dem Futter zugesetzte Antikörper gegen Fel d 1 erweisen sich nützlich für allergische Katzenhalter. Diese innovative Methode sei für Katzen unschädlich, so Jensen-Jarolim. Durch Injektion von rekombinantem Fel d 1 werden Hühner hyperimmunisiert, sodass sie polyklonale IgY-Antikörper produzieren, die gegen Fel d 1 gerichtet sind. Aus Eigelb kann
das in hoher Konzentration vorhandene IgY gewonnen und zur Anreicherung von Katzenfutter verwendet werden. IgY ist aussergewöhnlich stabil und wird im Katzendarm resorbiert. Aus dem Blut gelangt das spezifisch gegen Feld 1 gerichtete IgY in die Speicheldrüsen und mit dem Speichel beim Lecken auf das Fell. Dort neutralisieren die Antikörper das Allergen Fel d 1. Auf Katzenhaaren und Hautschuppen wird der Gehalt an Fel d 1 nach dreiwöchiger Fütterung mit dem Katzenfutter, das IgY enthält (Purina Pro Plan LiveClear), um durchschnittlich 47 Prozent reduziert (2). Bei allergischen Katzenhaltern besserten sich Rhinitissymptome in einer kontrollierten Expositionsstudie (2). Die Referentin berichtete, dass sie dieses Katzenfutter in der Praxis an Katzenallergiker abgebe. Sie sei froh, allergischen Katzenhaltern damit eine Behandlungsoption anbieten zu können.
Protein aus dem Kuhstall hilft bei Katzenallergie
Der Bauernhofeffekt ist bekanntlich einer der stärksten pro-
tektiven Effekte gegen Allergien. Er übertreffe die Wirkung
der AIT deutlich, so Jensen-Jarolim. Beim protektiven Bau-
ernhofeffekt spiele der Milchbestandteil Beta-Lacto-Globu-
lin (BLG) eine wichtige Rolle. BLG sei ein sekretorisches
Protein, das in roher Kuhmilch, im Urin von Kühen und in
Aerosolen der Kuhstallluft sowie bis 300 m um Bauernhöfe
herum zu finden sei. Die molekulare Proteinstruktur weise
eine Tasche auf, die sich mit Mikronährstoffen (z. B. Eisen,
Vitamin A) füllen kann. Auch Zink bindet sich an BLG. Be-
ladenes BLG (holo-BLG) wird über einen spezifischen Rezep-
tor in Immunzellen aufgenommen, wo die Mikronährstoffe
die hyperaktiven Zellen dämpfend regulieren und die Im-
munantwort von Allergie zu Toleranz verschieben. Zum
Diätmanagement bei allergischer Rhinitis sind z. B. in
Deutschland und Österreich Lutschtabletten mit holo-BLG
(beladen mit Eisen, Vitamin A, Zink) im Handel erhältlich
(immunoBON®). Die innovative Supplementierung mit Mi-
kronährstoffen ist nicht allergenspezifisch und wirkt nicht
nur bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergie, sondern ge-
mäss einer neuen Studie auch bei Katzenallergie (3).
s
Alfred Lienhard
Quelle: Thematic Symposium TS 7 «Allergy to pets» beim EAACI Hybrid Congress 2023 am 11. Juni 2023 in Hamburg und online.
16 CongressSelection Allergologie | Pneumologie | Dezember 2023
Referenzen: 1. Orengo J et al.: Treating cat allergy with monoclonal IgG antibodies that
bind allergen and prevent IgE engagement. Nat Commun. 2018;9:1421. 2. Steinberg J: The curious history behind a biologic-enriched cat food: Hy-
perimmune avian IgY as a means of oral adoptive passive immunization. J Allergy Clin Immunol. 2021;148:1473-1475. 3. Bergmann K et al.: The holo beta-lactoglobulin lozenge reduces symptoms in cat allergy. Evaluation in an allergen exposure chamber and by titrated nasal allergen challenge. Clin Transl Allergy. 2023;13:e12274.
EAACI
CongressSelection Allergologie | Pneumologie | Dezember 2023
17