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EULAR
Studie zum Einsatz von Methotrexat bei Männern mit Kinderwunsch
Behandlung kann ohne wesentliche Sicherheitsbedenken fortgeführt werden
Für männliche Rheumapatienten mit Kinderwunsch wird von Fachgesellschaften immer noch empfoh len, ihre Behandlung mit Methotrexat (MTX) drei Monate vor der Zeugung abzusetzen. In einer am EULAR vorgestellten niederländischen Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass bei solchen Pa tienten bioaktives MTX nicht oder nur in sehr geringen Mengen in Spermatotozoen vorhanden ist.
Für den Einsatz von Methotrexat (MTX) bei schwangeren Frauen besteht eine strikte Kontraindikation, da es dosisabhängig zum Abort und zu Missbildungen an Extremitäten, Gesicht und Herz-Kreislauf-System kommen kann. Auch Männern empfehlen die Fachgesellschaften bei Kinderwunsch eine längere Auswaschphase und auf MTX zu verzichten. Laut dem Schweizerischen Compendium gibt es Berichte darüber, dass Methotrexat bei Männern während der Therapie und für kurze Zeit nach deren Absetzen zu Oligospermie führt (1). Ausserdem kann es während der Dauer der Anwendung zur Beeinträchtigung der Fertilität kommen, diese Effekte scheinen jedoch nach Beendigung der Therapie reversibel zu sein. Die Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie empfiehlt aus Sicherheitsgründen gemäss Compendium ein Absetzen und ein 3-monatiges Pausieren von MTX vor einer geplanten Schwangerschaft. Gleichzeitig heisst es: «Nach Expertenmeinung liegen jedoch keine Hinweise auf eine erhöhte Teratogenitäts- oder Abortrate unter väterlicher MTX-Exposition vor, sodass ein Absetzen bei Männern mit Familienplanung als nicht notwendig erachtet wird.» (2). Bei der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, die ebenfalls eine dreimonatige MTX-Abstinenz empfiehlt, fehlt hingegen dieser Hinweis. Eine am EULAR in Mailand vorgestellt Studie könnte nun ein wichtiges Mosaiksteinchen im weiteren Umgang mit dieser Frage liefern.
Bislang wenig Studien
Tatsächlich ist die Studienlage bei Männern mit Kinderwunsch hinsichtlich der Wirkung von MTX auf die Föten respektive auf Neugeborene dürftig. So zeigte sich gemäss einer Übersicht des Deutschen Psoriasisbundes in älteren Beobachtungsstudien unter 375 Schwangerschaften, die nach einer Methotrexattherapie eintraten, keine signifikante Erhöhung der Anzahl an kongenitalen Anomalien (3–6). In einem Kollektiv von 42 Schwangerschaften, die unter väterlicher Methotrexattherapie (7,5–30 mg/Woche) eintraten, registrierte das teratologische Beratungszentrum in Paris 3 Spontanaborte, 3 Schwangerschaftsabbrüche aus psychosozialer Indikation und 36 Lebendgeburten ohne kongenitale Anomalien (7). Luis Fernando Perez-Garcia aus Rotterdam und sein Team beschäftigten sich mit den Spermien selbst. In einer früheren Studie konnten die niederländischen Forscher bereits zeigen, dass die Exposition gegenüber MTX nicht mit Abnormali-
täten oder einem DNA-Schaden bei den Spermien verbunden
ist (8). Trotzdem blieb bislang die Frage unbeantwortet, ob
MTX, respektive seine bioaktive Form Polyglutamat (MTX-
PG) in Spermatozoen nachweisbar ist. Bevor MTX aktiv
werden kann, muss es nämlich an Polyglutamat gebunden
werden und hierfür wird das Enzym Folylpolyglutamat-Syn-
thetase (FPGS) benötigt. Auch war unklar, ob die Umwand-
lung von MTX in MTX-PG durch FPGS in den Spermien
überhaupt möglich ist. Bekannt ist, dass Polyglutamate wäh-
rend einer MTX-Therapie in Erythrozyten, in mononukleä-
ren Zellen (PBMC) und den blastären Zellen vorhanden sind.
Man weiss ebenfalls, dass die katalytische Aktivität der FPGS
in proliferierenden Zellen hoch ist und dass nur wenig Akti-
vität in ruhenden Zellen stattfindet.
Für die Studie erhielten 10 Männer mit einer rheumatoiden
Erkrankung 13 Wochen lang MTX (plus 4 Kontrollen). An-
schliessend wurden Blut- und Spermaproben entnommen
respektive abgegeben. Die niederländischen Wissenschaftler
konnten in ihrer Untersuchung erstmals zeigen, dass MTX-
Polyglutamate nach MTX-Exposition nicht oder fast nicht in
Spermatozoen nachzuweisen sind (9). Überdies zeigte sich,
dass die katalytische Aktivität von FPGS in S permatozoen
nur sehr schwach ausgeprägt und signifikant geringer ist als
in peripheren mononukleären Blutzellen (p < 0,005). Damit habe die Bioaktivität von FPGS keine Relevanz. Die aktuel- len Ergebnisse besitzen eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Praxis. Sie würden frühere Resultate unterstützen, dass MTX nicht mit testikulärer Toxizität bei Männern asso- ziiert sei, so die Forscher. So waren die männliche endokrine Reproduktionsachse, die Spermienanalyse und der Spermi- en-DNA-Fragmentationsindex unauffällig. Die Studie liefere weitere Beweise dafür, dass MTX bei Männern mit Kinder- wunsch ohne wesentliche Sicherheitsbedenken fortgeführt werden könne, so das Fazit der niederländischen Wissen- schaftler. Trotzdem wären weitere epidemiologische Studien wünschenswert. Zudem müssen die Patienten über die der- zeitigen Therapieempfehlungen der Fachgesellschaften auf- geklärt werden. s Klaus Duffner 20 CongressSelection Rheumatologie | August 2023 Referenzen 1. https://compendium.ch/product/1166870-methotrexat-pfi- zer-tabl-2-5-mg/mpro#MPro7200 2. https://www.rheuma-net.ch/de/doc/methotrexat/viewdocument/52 3. van Thiel DH et al.: Pregnancies after chemotherapy of trophoblastic neoplasms. Science. 1970;169(3952):1326-1327. 4. Rustin GJS et al.: Pregnancy after cytotoxic chemotherapy for gestatio- nal trophoblastic tumours. Br Med J. 1984;288:103-106. 5. Hsieh F-J et al.: The outcome of pregnancy after chemotherapy for gesta- tional trophoblastic disease. Biol Res Pregnancy Perinatol. 1985;6(4):177180. 6. Green DM et al.: Congenital anomalies in children of patients who received chemotherapy for cancer in childhood and adolescence. N Engl J Med. 1991;325:141-146. 7. Beghin D et al.: Paternal exposure to methotrexate and pregnancy outcomes. J Rheumatol. 2011;38(4):628-32. 8. Perez-Garcia LF et al.: What is the effect of methotrexate on semen parameters of men diagnosed with immune-mediated diseases? Results of a prospective cohort study (ifame-mtx). Ann Rheum Dis. 2022;81(1):84. EULAR 2022, Op 0131. 9. Perez-Garcia LF et al.: Lack of folylpolyglutamate synthetase activity and methotrexate polyglutamylation as underlying mechanisms explaining why methotrexate does not impair sperm quality. Ann Rheum Dis 2023;82(1):147. EULAR 2023, OP0224. EULAR CongressSelection Rheumatologie | August 2023 21