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Rheumatische Erkrankungen
Auf Lungenbeteiligung screenen und behandeln
Eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) kann als gefährliche Komorbidität im Verlauf praktisch aller entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auftreten. In den vergangenen Jahren konnte für eine Reihe von Therapien die Wirksamkeit in dieser Indikation gezeigt werden. Entsprechende Empfehlungen in den Guidelines werden derzeit überarbeitet.
Die Häufigkeit einer interstitiellen Lungenerkrankung ist bei verschiedenen rheumatischen Grunderkrankungen sehr unterschiedlich. Am höchsten ist das Risiko bei der systemischen Sklerose (SSc), wo bis zu 50 Prozent der SSc-Patienten betroffen sind. Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) hingegen liegt die Prävalenz einer Lungenbeteiligung bei 2 bis 10 Prozent, was sich aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung allerdings in relativ hohen absoluten Patientenzahlen niederschlägt, wie Prof. Dr. Oliver Distler, Klinikdirektor der Klinik für Rheumatologie am Universitätsspital Zürich, erläutert. Hinzu kommt, dass sich eine ILD in Zusammenhang mit einer RA häufig mit dem prognostisch ungünstigen Bild einer UIP (usual interstitial pneumonia) präsentiert, mit Tendenz zur Progression.
Alle Patienten mit systemischer Sklerose auf Lungenbeteiligung screenen
Für alle SSc-Patienten wird gleich bei Diagnosestellung ein Screening auf ILD empfohlen. Dies schliesst eine hochauflösende Computertomographie (HRCT) ein. Als Basisuntersuchungen sollten ein Lungenfunktionstest (mit Bestimmung der forcierten Vitalkapazität sowie der Diffusionskapazität) und eine Auskultation erfolgen. Zumindest die Lungenfunktion sollte in regelmässigen Abständen wiederholt werden; ob und wie oft die HRCT wiederholt wird, ist eine Frage der individuellen Einschätzung (1). Auf die HRCT sollte nicht verzichtet werden, denn Studiendaten zeigen, dass Auffälligkeiten in der Bildgebung bereits sichtbar sind, bevor es zu pathologischen Befunden in der Lungenfunktion kommt (2). Die Lungenfunktion sei daher keine geeignete Screeninguntersuchung, so Distler. Auch Symptome sind nicht verlässlich: Eine Analyse der Population der SENSCIS-Studie zeigt, dass 30 Prozent der Patienten mit bestätigter, fortgeschrittener ILD keine Dyspnoe aufwiesen (3). Bei rheumatoider Arthritis ist die Indikationsstellung aufgrund der deutlich niedrigeren Prävalenz von ILD deutlich schwieriger. Hier helfen mehrere Algorithmen, die RAPatienten mit erhöhtem ILD-Risiko anhand klinischer Parameter identifizieren sollen. Distler weist auf die Publikation einer spanischen Gruppe hin, die anhand von Patientencharakteristika, Symptomen und Untersuchungsergebnissen einen Risikoscore definiert, der den Weg zur HRCT weist (4).
Patienten mit ILD sollten engmaschig überwacht werden. Für SSc-Patienten, die eine ILD haben, werden regelmässige Wiederholungen der HRCT (über die Häufigkeit besteht kein Konsens), der Lungenfunktion, der Sauerstoffsättigung unter Belastung sowie der Erfassung der Symptome empfohlen (1). Dieses Monitoring ist von hoher Wichtigkeit, so Distler; eine ILD kann rasch progredient verlaufen und Verschlechterungen sind bei SSc-ILD mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (5). Auch für die RA konnte eine Assoziation zwischen einer Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) und der Mortalität nachgewiesen werden (6). Daher müsse das therapeutische Paradigma die Prävention einer Progression sein, so Distler.
Progression der ILD ist mit Mortalität assoziiert
Eine Progression ist häufig: Daten aus der EUSTAR-Kohorte zeigen, dass innerhalb eines Jahres rund 30 Prozent der Patienten mit SSc-ILD in unterschiedlichem Ausmass davon betroffen sind. Allerdings zeigen Auswertungen dieser Kohorte über einen längeren Zeitraum, dass auf ein Jahr mit Progression häufig eine Phase der Stabilität folgt und es umgekehrt bei stabilen Patienten innerhalb des nächsten Jahres zu einer Progression kommen kann (7). Die Frage, welche Patienten behandelt werden sollen, könne daher derzeit auf Basis der Evidenz nicht eindeutig beantwortet werden, so Distler. An seinem Zentrum wird eine Therapie begonnen, sobald eine SSc-ILD im HRCT eindeutig nachweisbar ist. Mittlerweile stehen zur Therapie einer Rheuma-ILD mehrere Optionen zur Verfügung: Bereits vor fast 20 Jahren konnte die Wirksamkeit von Cyclophosphamid in einer kontrollierten Studie gezeigt werden (8). Das Problem von Cyclophosphamid liegt jedoch in der Toxizität, weshalb die gleiche Gruppe einige Jahre später eine Studie mit Mycophenolat und Cyclophosphamid als Vergleichssubstanz durchführte. Hier konnte zwar keine Überlegenheit für Mycophenolat gezeigt werden (9), aufgrund der besseren Verträglichkeit werde heute aber Mycophenolat meist der Vorzug gegeben, erläutert Distler. Auch für den gegen Interleukin-6 gerichteten Antikörper Tocilizumab konnte in einer Phase-III-Studie eine Wirksamkeit gezeigt werden, allerdings mit dem formalen Problem, dass die Lungenfunktion als sekundärer Endpunkt definiert war und der primäre Endpunkt, nämlich eine Besserung der
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Hautsymptomatik, nicht erreicht wurde (10). Auf jeden Fall war die Wirkung auf die Lungenfunktion in einer Population mit früher inflammatorischer, diffuser Erkrankung sehr deutlich – was Tocilizumab zu einer naheliegenden Therapie für Patienten macht, die den Einschlusskriterien dieser Studie entsprechen. Allerdings weist Distler darauf hin, dass Patienten mit diesen Charakteristika im klinischen Alltag selten sind.
Alles in allem können auf Basis dieser Studien für die Behandlung einer SSc-ILD Cyclophosphamid, Nintedanib und Tocilizumab mit Oxford-Evidenz-Level 1 empfohlen werden. Für die RA-ILD gilt dies nur für Nintedanib. Level-2-Evidenz besteht für Mycophenolat und Rituximab bei der SSc-ILD und für Pirfenidon bei der RA-ILD. Entsprechende Leitlinienempfehlungen sollen noch in diesem Jahr publiziert werden.
Gute Daten für Nintedanib bei SSc-ILD und RA-ILD
Die SENSCIS-Studie schloss eine vergleichsweise viel breitere Population ein und untersuchte die Wirksamkeit des Tyrosinkinase-Inhibitors Nintedanib. In einer nicht selektierten SSc-ILD-Kohorte würden rund 40 Prozent der Patienten den Einschlusskriterien von SENSCIS entsprechen, so Distler. Nintedanib erwies sich dabei gegenüber Plazebo als überlegen und reduzierte die Abnahme der FVC über ein Jahr um 40 Prozent, wobei rund die Hälfte der Studienpopulation als Hintergrundtherapie Mycophenolat erhielt. Die Überlegenheit von Nintedanib blieb auch im zweiten Behandlungsjahr erhalten. In der Langzeitstudie SENSCIS-ON zeigte sich auch im dritten Jahr ein Abfall der Lungenfunktion, der den Werten in der Verumgruppe der kontrollierten Studie entspricht. Dies zeige, so Distler, dass es einen anhaltenden antifibrotischen Effekt gibt, der auch auf lange Sicht Lungenvolumen erhält. In der INBUILD-Studie wurde Nintedanib in einer breiten Population von Patienten mit unterschiedlichen, progredient verlaufenden Formen der ILD untersucht, darunter auch RAILD. Die Studie verlief insgesamt positiv, eine Subgruppenanalyse zeigt bei Patienten mit einer ILD im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen in der Nintedanib-Gruppe einen jährlichen Verlust von 75,9 ml gegenüber 178,6 ml in der Plazebo-Gruppe – und damit eine signifikante Überlegenheit der Studienmedikation (11). Distler weist auch darauf hin, dass Rituximab seit Jahren in der Indikation SSc-ILD eingesetzt wird, obwohl dafür nur eine schwache Evidenz zur Verfügung stand. In der Phase-III-Studie RECITAL wurde Rituximab in einer Population von Patienten mit unterschiedlichen ILD mit Cyclophosphamid verglichen. Dabei ergab sich ein ähnliches Resultat wie mit Mycophenolat: Der primäre Endpunkt Überlegenheit wurde nicht erreicht, aber die Verträglichkeit war besser (12). Für Pirfenidon, das in der Indikation idiopathische Pulmonalfibrose zugelassen ist, gibt es bislang weniger überzeugende Daten. Eine Phase-III-Studie in einer gemischten Population hatte Probleme mit der Rekrutierung und ist nach wie vor nicht publiziert; Kongresspräsentationen zeigen kein günstiges Ergebnis. Publiziert ist die TRAIL-Studie, die Pirfenidon bei Patienten mit RA-ILD untersuchte. Die Studie verfehlte den primären Endpunkt einer FVC-Abnahme um mindestens 10 Prozent. Jedoch bezeichnet Distler diesen Endpunkt als unglücklich gewählt. Betrachtet man den sekundären Endpunkt der Veränderung des FVC (in SENSCIS und INBUILD der primäre Endpunkt), so zeigt sich eine gute Wirksamkeit von Pirfenidon. Dies ist vor allem auf die Subpopulation der Patienten mit UIP-Muster im HRCT zurückzuführen (13).
Hohes Risiko für interstitielle Lungenerkrankung
auch bei Psoriasisarthritis
Eine ebenfalls im Rahmen des EULAR 2023 vorgestellte
Studie der skandinavischen NorForsk Kollaboration unter-
suchte das Risiko für die Entwicklung einer interstitiellen
Lungenerkrankung in einer grossen Kohorte von mehr als
30 000 Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Psoriasis-
arthritis (PsA) unter Biologikatherapie aus den skandinavi-
schen Registern. Dabei zeigte sich für beide Erkrankungen im
Vergleich zur Normalbevölkerung ein deutlich erhöhtes Ri-
siko, konkret um den Faktor 10 für die Entwicklung einer
ILD bei RA und um den Faktor 5 bei PsA. Während dies für
die RA bereits länger bekannt ist, war das Ergebnis hinsicht-
lich der PsA überraschend. Die Kombination eines Biologi-
kums mit Methotrexat hatte keinen Einfluss auf dieses Risiko
(14). Im Rahmen der Diskussion der Studie wurde auf die
überraschend hohe Inzidenz von ILD bei PsA hingewiesen.
Studienautorin Sella Aarrestad Provan vom Diakonhjemmet
Hospital, Center for Treatment of Rheumatic and Musculo-
skeletal Diseases (REMEDY), weist darauf hin, dass bislang
zu dieser Frage nur sehr wenige Daten publiziert wurden und
dass die Resultate der aktuellen Studie nun in anderen Ko-
horten bestätigt werden müssen. Leider erlauben die zur
Verfügung stehenden Daten keine weitere Aufschlüsselung
hinsichtlich zusätzlicher Risikofaktoren wie zum Beispiel
Adipositas.
s
Reno Barth
Quelle: EULAR 2023, Sessions «Lung involvement in autoimmune rheumatic diseases» und «Abstract Opening Plenary», 31. Mai 2023 in Mailand.
Referenzen: 1. Hoffmann-Vold AM et al.: The identification and management of inter-
stitial lung disease in systemic sclerosis: evidence-based European consensus statements. Lancet Rheumatol. 2020;2:e71-e83. 2. Sullman YA et al.: Brief Report: Pulmonary Function Tests: High Rate of False-Negative Results in the Early Detection and Screening of Scleroderma-Related Interstitial Lung Disease. Arthritis Rheumatol. 2015;67(12):3256-61. 3. Volkmann ER et al.: Dyspnoea and cough in patients with systemic sclerosis-associated interstitial lung disease in the SENSCIS trial. Rheumatology (Oxford). 2022;61(11):4397-4408. 4. Narváez J et al.: Screening criteria for interstitial lung disease associated to rheumatoid arthritis: Expert proposal based on Delphi methodology. Reumatol Clin (Engl Ed). 2023;19(2):74-81. 5. Volkmann ER et al.: Short-term progression of interstitial lung disease in systemic sclerosis predicts long-term survival in two independent clinical trial cohorts. Ann Rheum Dis. 2019;78(1):122-130. 6. Kelly CA et al.: Rheumatoid arthritis-related interstitial lung disease: associations, prognostic factors and physiological and radiological characteristics--a large multicentre UK study. Rheumatology (Oxford). 2014;53(9):1676-82. 7. Hoffmann-Vold AM et al.: Progressive interstitial lung disease in patients with systemic sclerosis-associated interstitial lung disease in the EUSTAR database. Ann Rheum Dis. 2021;80(2):219-227.
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8. Tashkin DP et al.: Effects of 1-year treatment with cyclophosphamide on outcomes at 2 years in scleroderma lung disease. Am J Respir Crit Care Med. 2007;176(10):1026-34.
9. Tashkin DP et al.: Mycophenolate mofetil versus oral cyclophosphamide in scleroderma-related interstitial lung disease (SLS II): a randomised controlled, double-blind, parallel group trial. Lancet Respir Med. 2016;4(9):708-719.
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11. Wells AU et al.: Nintedanib in patients with progressive fibrosing interstitial lung diseases-subgroup analyses by interstitial lung disease diagnosis in the INBUILD trial: a randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group trial. Lancet Respir Med. 2020;8(5):453-460.
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13. Solomon JJ et al.: Safety, tolerability, and efficacy of pirfenidone in patients with rheumatoid arthritis-associated interstitial lung disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2 study. Lancet Respir Med. 2023;11(1):87-96.
14. Aarrestad Provan S et al.: Interstitial lung disease in patients with rheumatoid or psoriatic arthritis starting bDMARDs: incidence vs. general population, and the role of methothrexate co-medication. OP0006.
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