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Refraktäre chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Letzte Hoffnung Kombinationstherapie
Die Kombination zweier moderner Therapien könnte für Patienten mit refraktären chronischen Darmentzündungen zum Hoffnungsschimmer werden. Allerdings ist die Studienlage zur Wirksamkeit und vor allem zur Sicherheit solcher dualer Behandlungen bislang dürftig. Am diesjährigen Jahreskongress der «European Crohn’s and Colitis Organisation» (ECCO) in Kopenhagen wurden dazu verschiedene Arbeiten vorgestellt – bislang allerdings keine randomisierten Studien.
Trotz einer ganzen Reihe von Behandlungsoptionen kommt es bei sehr vielen Patienten mit schweren chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) noch immer nicht zu einer Verbesserung ihrer Situation. Wie lassen sich die Ansprechraten gerade bei solchen Betroffenen verbessern? Könnte die Kombination zweier Therapien mit unterschiedlichen Wirkmechanismen eine Lösung sein? Bislang ist das Wissen um die Sicherheit und Effektivität solcher Kombinationen sehr begrenzt.
13 unterschiedliche Kombinationen
In einer irischen Studie wurden Daten zu Kombinationstherapien bei CED-Patienten aus fünf institutionellen Datenbanken retrospektiv ausgewertet (1). Dabei untersuchten die Wissenschaftler, welche Kombinationen verwendet wurden, wie hoch die Abbruchraten waren und welche Nebenwirkungen aufgetreten waren. Es konnten insgesamt 85 Patienten mit Morbus Crohn (MC; 70%) oder Colitis ulzerosa (CU; 30%) analysiert werden, die bereits zwei oder drei gescheiterte Therapien mit Biologika hinter sich hatten und dann mit zwei Wirkstoffen gleichzeitig behandelt worden waren. Dabei wurden sowohl zwei Biologika als auch ein Biologikum zusammen mit einem JAK-Inhibitor verwendet. Zwar waren insgesamt 13 unterschiedliche Kombinationen im Einsatz; die Kombination der beiden Wirkstoffen Ustekinumab (Interleukin-12/23-Inhibitor) und Vedolizumab (Integrin-Antagonist) war jedoch die mit Abstand am häufigsten verwendete Option (n = 32), gefolgt von Adalimumab und Vedolizumab (n = 16), Infliximab plus Vedolizumab (n = 12) sowie Vedolizumab plus Tofacitinib (n = 12). Bis zum Ende des Follow-ups nach 41 Wochen blieben 76,5 Prozent der so Behandelten auf ihrer Kombinationstherapie, wobei die Abbruchraten bei Patienten mit Colitis ulzerosa höher waren (p = 0,04) und die Zeit bis zum Abbruch kürzer (p < 0,05) als bei Morbus Crohn. Das Sicherheitsprofil war insgesamt akzeptabel; 3,1 Prozent der Teilnehmer entwickelten ernste oder opportunistische Infektionen. Für Patienten mit refraktärer CED könnten solche Kombinationen eine wirksame Option sein, so die Studienautoren. Allerdings seien randomisierte kontrollierte Studien notwendig, um die Rolle von Kombinationstherapien noch klarer zu definieren.
Mehrheit in klinischer Remission
Auch aus Brasilien kommt eine ähnliche kleine Studie. Dort wurden in sechs CED-Zentren insgesamt 29 Patienten mit
schwerer refraktärer chronischer Darmentzündung über 16 respektive 24 Wochen beobachtet und mit einer Kombination von unterschiedlichen Biologika oder einem Biologikum plus einem «small molecule» behandelt (2). Sie alle waren zuvor entweder mit einem TNF-Inhibitor, mit Ustekinumab oder mit Vedolizumab in Monotherapie gescheitert. Die häufigste Kombination war Ustekinumab plus Adalimumab, gefolgt von Ustekinumab plus Vedolizumab. Nach 16 Wochen zeigten nach Angaben der Forscher 80 Prozent der MC-Patienten (Harvey-Bradshaw Index [HBI]: < 4) und 66 Prozent der CU-Patienten eine klinische Remission (total Mayo Score: ≤ 2). Unter der Kombination aus Ustekinumab plus Vedolizumab erreichten sowohl alle MC- als auch alle CUBetroffenen nach 16 Wochen dieses Ziel. Der HBI reduzierte sich bei MC-Patienten von 10,8 (Baseline) auf 5,5 nach 16 Wochen (p < 0,001). Auch das mittlere CRP war bei MC-Betroffenen nach vier Monaten signifikant tiefer als zu Beginn der Studie (17,4 mg/dL vs. 5,5 mg/dL; p = 0,001). Zudem wurde eine numerische, jedoch nicht signifikante Abnahme des Calprotectin-Levels gemessen. Neue Sicherheitsaspekte traten nicht auf. Für therapierefraktäre CED-Patienten könne eine solche Kombination eine vielversprechende Option sein, so die brasilianischen Wissenschaftler.
Kombination aus Vedolizumab plus Tofacitinib
An Patienten, die mit den bislang zur Verfügung stehenden antientzündlichen Therapien keine Besserung erfahren hatten, richtete sich auch eine Kombinationsstudie aus Tschechien. Die insgesamt 21 Teilnehmer mit refraktärer akuter schwerer Colitis ulzerosa wurden mit einer Kombination aus zwei sehr unterschiedlichen Wirkstoffgruppen, nämlich mit einem Integrin-Antagonisten (Vedolizumab) plus JAK-Inhibitor (Tofacitinib; 10 mg/bid) behandelt (3). Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 36 Jahre, die mittlere Erkrankungsdauer bis zum Beginn dieser Kombitherapie 7,5 Jahre. Die allermeisten der Patienten hatten mindestens zwei fehlgeschlagene Monotherapien mit Biologika hinter sich. Der mittlere Mayo-Score-Ausgangswert (5,6) war nach sechs Monaten auf 0,5 gesunken (p = 0,002). Ebenfalls eine starke Reduktion war beim mittleren Calprotectinwert zu verzeichnen, und zwar von 1829 ± 2520 µg/g (Baseline) auf 225 ± 257 µg/g nach einem halben Jahr (p = 0,0068). Die Verminderung des CRP von 11,4 ± 17,1 auf 5,4 ± 7,2 mg/l war hingegen nicht signifikant. Der mittlere endoskopische Mayo Score lag
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vor Beginn der Behandlung bei 2,8 ± 0,5 und danach bei 1,4
± 1,2 (p = 0,0005). Die Hälfte der Patienten zeigte nur noch
eine milde CU-Aktivität. Zu einem Abbruch der dualen The-
rapie kam es bei sieben Patienten und zwar wegen ungenü-
gender Wirksamkeit (n = 4), mangelnder Compliance (n = 1),
Nebenwirkungen (n = 1) oder aus monetären Gründen
(n = 1). Insgesamt sahen die Autoren keine Sicherheitsbeden-
ken. Für Patienten mit refraktärer CU, deren Therapiemög-
lichkeiten ausgeschöpft waren, sei die Kombination aus Ve-
dolizumab plus Tofacitinib eine wirksame, in Betracht zu
ziehende Therapiemöglichkeit, so Dr. Martin Kolar aus Prag.
Immerhin habe die Hälfte der – allerdings kleinen – Studien-
population eine Abheilung der Mukosa gezeigt.
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Quelle: Jahrestagung der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 1. bis 4. März 2023 in Kopenhagen.
Referenzen: 1. McShane C et al.: Effectiveness and Safety of Combination Biologic or
Small Molecule Therapy in Inflammatory Bowel Disease. ECCO 2023; P695. 2. Feitosa F et al.: Combination biological or small molecule therapy in patients with refractory inflammatory bowel disease: a multicenter Brazilian experience ECCO 2023; P811. 3. Kolar M et al.: Dual therapy with vedolizumab and tofacitinib in refractory ulcerative colitis patients – single centre experience. ECCO 2023; P408.
Klaus Duffner
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