Transkript
ECCO
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Auf der Suche nach prognostischen Markern
Ob DNA-Methylierung, Genzusammensetzung, Proteinmuster oder Mikrobiom: Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wird zunehmend nach Möglichkeiten gesucht, den Krankheitsverlauf und/oder den Erfolg bestimmter Therapien vorherzusagen. An der Jahrestagung der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) in Kopenhagen wurden dazu neue Studien vorgestellt.
Noch immer erreicht über die Hälfte der Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) nach einem Jahr Behandlung keine endoskopische Remission. Da der Verlauf der Therapie bislang nicht vorhersagbar ist, wird dabei häufig nach «try and error» vorgegangen. Seit einigen Jahren wird daher über sehr unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze versucht, prognostische Verfahren zu entwickeln.
DNA-Methylierungsmuster zur Morbus Crohn-Prognose
Könnte das DNA-Methylierungsmuster Hinweise auf den Erfolg einer Biologika-Therapie geben? Das Team um Dr. Vincent Joustra von der Universität Amsterdam untersuchte im Rahmen der EPIC-CD-Studie prospektiv die DNA-Methylierung in den Blutproben von 184 Erwachsenen mit Morbus Crohn (MC)(1). Sie verglichen die Methylierung vor (T1) und 28 Wochen (T2) nach Beginn einer Behandlung mit Adalimumab (ADA), Vedolizumab (VDZ) oder Ustekinumab (USTE). Das Ansprechen wurde definiert als Rückgang eines einfachen endoskopischen Scores für Morbus Crohn um mindestens 50 Prozent, steroidfreies klinisches Ansprechen oder das Erreichen einer Remission (Harvey Bradshaw Index), sowie ein biochemisches Ansprechen (CRP, Calprotectin). Bevor die Patienten behandelt wurden, erstellten die Forscher drei epigenetische Panels. Tatsächlich konnten sie eine «endoskopische Reaktion mit hoher Genauigkeit» für 100 (Adalimumab), für 22 (Vedolizumab) und für 68 (Ustekinumab) relevante CpG-Loci identifizieren. Die Genauigkeiten lagen bei 73, 89 bzw. 94 Prozent. Dies seien wirklich interessante Ergebnisse, so Dr. Tim Raine, Cambridge, Moderator der ECCO-Sitzung in Kopenhagen. Für Gastroenterologen könne dies zu einem nützlichen Test werden, so der Experte. Allerdings ist dieses Verfahren bislang noch nicht praxistauglich.
Proteine als Relapse-Prädiktoren
Auch der Verlauf nach einem Therapiestopp bei MC-Patienten, die erfolgreich mit einem Biologikum behandelt wurden, ist bislang nicht vorhersehbar. Ein belgisches Wissenschaftlerteam suchte nach molekularen Signaturen, um das Risiko
eines Anti-TNF-Stopps (TNF: Tumornekrosefaktor) respektive die Gefahr eines Rückfalls (Relapse) abzuschätzen (2). Dazu wurden in der SPARE-Studie 71 MC-Patienten nach Behandlung mit Infliximab (IFX) in 3 Gruppen eingeteilt: s Non-Relapser (n = 46), s Spät-Relapser (n = 15; Relapse nach > 6 Monaten) und s Früh-Relapser (n = 10; Relapse nach < 6 Monaten). Tatsächlich konnte das Risiko, einen frühen respektive einen späteren Relapse zu erleiden, mit einem bestimmten Proteinprofil in Verbindung gebracht werden. So waren 36 Proteine bei einem frühen Rückfall und 16 davon abweichende Proteine bei einem verzögerten Rückfall zu beobachten. «Dies bietet die Chance für ein individualisiertes Therapiemanagement», erklärte Dr. med. Nicolas Pierre von der Universität Liège bei der Vorstellung der Studie. Gene triggern Relapse-Risiko nach Resektion Ebenfalls aus Belgien stammt eine Untersuchung mit MCPatienten, bei der nicht das Relapse-Risiko nach Therapiestopp, sondern jenes nach einer ileokolonischen Resektion im Fokus stand (3). Dabei wollte man der Frage nachgehen, ob das Wiederauftreten der Entzündung nach einem chirurgischen Eingriff durch bestimmte Gene getriggert wird – und damit möglicherweise vorhergesehen werden kann. Für die Studie wurden 6 Monate nach der Operation Mukosaproben von insgesamt 36 Patienten mit und ohne Relapse genetisch sequenziert. Tatsächlich wurde eine Korrelation zwischen einer gestörten Expression (bzw. eines Polymorphismus) des Gens GPX4 (Glutathionperoxidase 4) und dem Wiederauftreten der Erkrankung gefunden (r = 0,51; p < 0,001). Lässt sich das Risiko für ein Rezidiv nach Operation durch eine präventive Behandlung vermindern? In einer internationalen Studie wurden 80 MC-Patienten nach einer ileokolonischen Operation mit zumindest 1 Risikofaktor für das Auftreten eines endoskopischen Rezidivs entweder auf Vedolizumab (VDZ) 300 mg i.v. alle 8 Wochen oder Plazebo randomisiert (4). Nach Woche 24 erfolgte eine Koloskopie. Nur ein Patient unter Plazebo war rezidivfrei, dagegen waren alle 18 Patienten unter VDZ klinischen ohne Rezidiv – ein Ergebnis, das für eine zukünftige postoperative Rezidivprävention Hoffnung macht. 6 CongressSelection Gastroenterologie | Juni 2023 ECCO Mikrobiom der Mukosa als prognostischer Marker Die Bakterienflora im Darm (Mikrobiom) spielt bei der Entstehung entzündlicher Darmerkrankungen eine bedeutende Rolle. So leiden Morbus Crohn-Betroffene unter einer Dysbalance des Mikrobioms im Darm: Manche Bakterienformen sind im Übermass vertreten, andere in ihrem Vorkommen eher reduziert. Die meisten Studien wurden mit fäkalen Proben durchgeführt, also mit leicht zu entnehmenden Proben des Darminhaltes. Diese zeigten in bisherigen Untersuchungen jedoch keine prognostische Aussagekraft hinsichtlich des Erfolgs oder Misserfolgs bestimmter Therapien. In Kopenhagen stellten niederländisch-britische Wissenschaftler nun eine Studie vor, in der nicht das fäkale Mikrobiom, sondern das Mikrobiom der Darmschleimhäute im Hinblick auf seinen möglichen prognostischen Wert unter die Lupe genommen wurde (5). Dafür entnahmen sie bei MC-Patienten Mukosabiopsien aus dem unteren Teil des Dünndarms (Ileum) und dem Dickdarm (Kolon). Anschliessend wurden die insgesamt 120 Teilnehmer entweder mit anti-TNFαInhibitoren (Adalimumab, Infliximab) oder mit Vedolizumab, respektive Ustekinumab, behandelt und 6 bis 12 Monate danach mittels Endoskopie (in Verbindung mit Steroidfreiheit u.a.) entweder als Responder oder Nichtresponder eingeteilt. Es zeigte sich, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms beim Ansprechen auf die TNF-Hemmer tatsächlich einen signifikanten Unterschied ausmacht und zwar vor allem bei den Taxa Bacteroidetes, Firmicutes, Fusobacteria, Proteobacteria. Mit anderen Worten: Die «mikrobielle Signatur» bei den Patienten mit erfolgreicher und nicht erfolgreicher Anti-TNF-Therapie unterschied sich deutlich, und das bereits vor Beginn der Behandlung. Insgesamt zeigten die Responder unter Anti-TNF-Behandlung eine höhere Diversität. Solche Unterschiede fanden sich nicht in den mit Vedolizumab oder Ustekinumab behandelten Gruppen. Damit könnte die Bakterienzusammensetzung der Darmschleimhaut eine Basis für zukünftige Vorhersagen über Erfolg oder Misserfolg bestimmter Therapien sein, sagte in Kopenhagen Dr. Ishtu Hageman vom University Medical Center Amsterdam. Mit dieser Studie, die sich von einigen anderen Arbeiten zum Thema deutlich unterscheidet, konnten wichtige neue Erkenntnisse gewonnen werden. Inwieweit ein solches prognostisches Verfahren in der Praxis tatsächlich einsetzbar ist, bleibt abzuwarten. Angeborenes Immunsystem verantwortlich für Therapieansprechen Ebenfalls mit der Darmmukosa beschäftigt sich die Forschergruppe um Dr. Paola Pibiri aus Groningen/NL. Allerdings standen diesmal nicht die Bakterien, sondern die Zusammensetzung der unterschiedlichen Zellen der Mukosa im Fokus des Interesses. Tatsächlich scheint das mögliche Ansprechen auf bestimmte Medikamente auch vom Immunzelleninventar abzuhängen. Hintergrund: Rund 50 Prozent der CUPatienten reagieren nur ungenügend auf eine Behandlung mit VDZ. Die niederländische Forscherin nahm für ihre Untersuchung Mukosaproben von 25 CU-Patienten, und zwar 2 Wochen vor und 14 Wochen nach dem Beginn einer Behandlung mit VDZ (6). Rund 60 Prozent der Teilnehmer waren Responder. «Wir fanden in unserer Studie signifikante Unterschiede in der Zusammensetzung von Zellen des angeborenen Immunsystems zwischen den Respondern und den NonRespondern», sagte die Forscherin. Diese Unterschiede waren sowohl in der Darmschleimhaut als auch im peripheren Blut bereits vor Therapiebeginn zu beobachten, speziell bei dendritischen Zellen, angeborenen lymphoiden Zellen und inflammatorischen Monozyten. Damit sei gezeigt worden, dass das angeborene Immunsystem in grossem Umfang für das schlechte Ansprechen verantwortlich sei, so Pibiri. s Klaus Duffner Quelle: Jahrestagung der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 1. bis 4. März 2023 in Kopenhagen. Referenzen: 1. Joustra V et al.: Highly stable epigenome-wide peripheral blood DNA methylation signatures accurately predict endoscopic response to adalimumab, vedolizumab and ustekinumab in Crohn’s disease patients: The EPIC-CD study. ECCO 2023; OP03. 2. Pierre N et al.: Distinct biological profiles associated with the risk of shortterm relapse and mid/long-term relapse in Crohn’s disease patients stopping infliximab. ECCO 2023; OP02. 3. Verstockt S et al.: Sequencing-based gene network analysis reveals a profound role for ferroptosis key gene GPX4 in post-operative endoscopic recurrence in Crohn’s disease. ECCO 2023; OP01. 4. D’Haens G et al.: Prevention of postoperative recurrence of Crohn’s diseasewith vedolizumab: first results of the prospective placebo-controlled randomised trial REPREVIO. ECCO 2023; OP14. 5. Hageman I et al.: Mucosa-associated microbial signatures associate with objective response prior to the start of anti-TNF? but not vedolizumab or ustekinumab in Crohn’s disease patients. ECCO 2023; DOP51. 6. Pibiri P et al.: High-dimensional single-cell analysis identifies cellular signatures associated with response to vedolizumab therapy in ulcerative colitis. ECCO 2023; OP05. 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