Transkript
UEG-Week
Helicobacter pylori
Ausmerzen oder nicht und bei wem?
Eine durch Helicobacter pylori ausgelöste Gastritis zeichnet sich durch eine persistierende aktive Entzündung aus, was mit den Jahren zu präneoplastischen Läsionen und schliesslich zu Magenkrebs führen kann. Die Eradikation dieses Keims lindert nicht nur die dyspeptischen Beschwerden, sondern beugt auch einer Magenkrebsentwicklung vor. Neue Guidelines münzen die Evidenz in Empfehlungen um. Die wichtigsten Punkte wurden an der United European Gastroenterology Week (UEG-Week) vorgestellt.
Eine Besiedelung mit Helicobacter (H.) pylori verursacht Gastritis und müsse gemäss Maastricht-VI/Florence-Consensus-Report (1) als Infektion definiert werden, ungeachtet davon, ob die Patienten asymptomatisch seien und ob peptische Ulzera oder ein Magentumor vorliegen, berichtete Mitverfasser Prof. Christian Schulz, Medizinische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilian-Universität, München. Bevor eine funktionelle Dyspepsie verlässlich diagnostiziert werden kann, muss eine H.-pylori-Infektion ausgeschlossen werden. Bei Patienten mit dyspeptischen Symptomen unter 50 Jahren reicht eine nicht invasive Testung, bei Patienten über dieser Altersschwelle empfiehlt sich eine endoskopische Abklärung. Eine H.-pylori-assoziierte Dyspepsie bedarf einer Eradikation, was bei einer H.-pylori-negativen Dyspepsie nicht der Fall ist (1).
Eradikation auch bei Kindern?
Eine Infektion mit H. pylori bei Kindern wirft die Frage auf, ob sie wie bei Erwachsenen eradiziert werden soll. Die pädiatrischen Guidelines empfehlen ein solches Vorgehen nach eingehender Diskussion mit der Familie, erklärt Prof. Michal Kori, Paediatric Gastroenterology, Kaplan Medical Center, Rehovot, Israel. Dabei sollen das potenzielle Risiko für Magenkrebs bei Nichtbehandlung sowie das Risiko für Nebenwirkungen bei Eradikation zur Sprache kommen. Weitere Vorteile der Therapie sind die Prävention der Entwicklung von peptischen Ulzera, intestinalen Metaplasien, Lymphomen, nicht gastrointestinalen Komplikationen wie Eisenmangelanämie oder immunologische thrombozytopenische Purpura bis zur Verringerung der elterlichen Angst bei Nichtbehandlung. Im Fall einer Behandlung besteht jedoch ein Risiko für Therapieversagen und Reinfektion, Letzteres beträgt bis zu 11 Prozent. Negative Auswirkungen auf das kindliche Mikrobiom und in der Folge ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Asthma und Übergewicht sowie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen müssen gegen die Vorteile einer Eradizierung abgewogen werden. Der Nutzen einer Eradizierung bei Kindern überwiege die Risiken aber klar, so das abschliessende Statement der Pädiaterin.
Empirisch oder nach Labortest?
Soll die Therapie für eine Eradikation generell resistenzgeleitet sein, oder ist eine empirische Therapie sinnvoller? Im Licht der Resistenzen und der eingeschränkten Wirksamkeit von bestimmten Antibiotika erscheine es vernünftig, Empfindlichkeitsstests – molekular oder mit Kultur – durchzuführen, so Schulz. Doch in der Praxis werde das noch nicht im erforderlichen Ausmass gehandhabt. Einerseits weil solche Tests nicht überall verfügbar sind und andererseits wegen der Kosten. Mit der empirischen Strategie besteht allerdings das Risiko, ein nur schwach wirksames Antibiotikum einzusetzen, weitere Resistenzbildungen zu fördern und damit unnötig viele Antibiotika zu verbrauchen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Guideline, vor einer Eradikation mit Clarithromycin eine allfällige Resistenz abzuklären. In Regionen mit geringer Clarithromycinresistenz (< 15%) kann dieses Antibiotikum als Bestandteil einer 3-fach-Therapie als First-Line-Behandlung eingesetzt werden. Andernfalls soll mit einer Wismuth-4-fach-Therapie begonnen werden (1). Weil H. pylori der wichtigste ätiologische Faktor für die Entstehung von Magentumoren ist, soll der Erreger bei Erwachsenen aller Altersklassen eradiziert werden. Bei jungen Erwachsenen, vor allem bei jungen Frauen, kann damit das Risiko für eine interfamiliäre Weitergabe an die Kinder reduziert werden. Aber auch bei Patienten nach kurativer endoskopischer Resektion eines Magentumors sollte H. pylori eradiziert werden, denn das senkt das Risiko für metachrone Tumoren. Die Guidelines empfehlen weiter bevölkerungsbasierte Test-and-Treat-Programme, vor allem in Regionen mit hoher Magenkrebsinzidenz (1).
Kehrseite der Behandlung
Antibiotische Behandlungen beseitigen nicht nur die avisierten Erreger, sie führen auch immer wieder zu Resistenzbildungen. Beispielsweise besteht eine signifikante Korrelation zwischen dem Clarithromycinverbrauch (irgendeine Indikation) in der europäischen Gesamtbevölkerung und der Resistenz von H. pylori gegen dieses Antibiotikum (2). Die Eradikationstherapie hat zudem das Potenzial zur Entwicklung
18 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2023
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UEG-Week
von bakterieller Resistenz innerhalb des Darmmikrobioms
beziehungsweise von Antibiotika-Resistenzgenen, was als
Resistom bezeichnet wird (1).
Bei der antibiotischen Behandlung wird als Nebenwirkung
auch die Darmflora in Mitleidenschaft gezogen. Ein Einsatz
von Probiotika kann diese Nebenwirkung reduzieren. Das
trifft für Lactobacillus bei einer Gabe von mehr als 2 Wochen
zu sowie für Saccharomyces boulardii mit einer Risikoreduk-
tion um etwa die Hälfte (1). Probiotika können aber auch H.
pylori hemmen. Metaanalysen bescheinigen Probiotika eine
Verstärkung der Wirksamkeit einer Eradikationstherapie.
Das gilt aber nur für Lactobacillus spp., Bifidobacterium spp.
und Saccharomyces boulardii. Für Letzteres konnte eine Er-
höhung der Eradikationsrate belegt werden (1).
s
Valérie Herzog
Quelle: «Eradication or evolution?». United European Gastroenterology Week (UEGW), 9. bis 11. Oktober 2022, in Wien.
Referenzen: 1. Malfertheiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection: the
Maastricht VI/Florence consensus report. Gut. 2022;gutjnl-2022-327745. 2. Megraud F et al.: Helicobacter pylori resistance to antibiotics in Europe
in 2018 and its relationship to antibiotic consumption in the community. Gut. 2021;70(10):1815-1822.
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