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Atopische Dermatitis
Welche Patienten sollten Biologika bekommen?
Die Behandlung von Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) hat in den vergangenen Jahren mit der Einführung der Biologika Riesenfortschritte gemacht. Derzeit stehen nicht nur Antikörper gegen die Interleukine 4 und 13 zur Verfügung, auch Januskinase-Inhibitoren haben in Studien Juckreiz und Läsionen gelindert und die Lebensqualität der Patienten erhöht. Doch wann sollten diese modernen Therapien zum Einsatz kommen?
Bis vor wenigen Jahren hiess es auf der 4. und obersten Ebene des Eskalationsstufenschemas zur Behandlung von Patienten mit AD lapidar: «systemische Behandlung». Gemeint waren damit systemische Glukokortikoide oder Ciclosporin. Beide Therapeutika sind reichlich mit Nebenwirkungen behaftet und können deshalb nur sehr restriktiv angewendet werden.
«Wenn das Baby nicht schläft, schläft keiner»
Besonders kleine Kinder konnte man damit kaum behandeln. Doch gerade Kinder seien von AD häufig betroffen, erinnerte Prof. Dr. Jan Gutermuth aus Brüssel (Belgien). Und ein Kleinkind mit AD bedeute eine enorme Belastung für die Familie, nicht zuletzt wegen des Juckreizes und der damit verbundenen Schlaflosigkeit, betonte Gutermuth: «Denn wenn das Baby nicht schläft, schläft keiner.»
AD-Prävalenz stagniert
Kleinkinder mit AD sind kein Problem weniger einzelner Familien. In den letzten 50 Jahren hat die Prävalenz von AD stetig zugenommen, momentan scheint sie sich auf hohem Niveau zu stabilisieren. Derzeit wird die Prävalenz von AD bei Kindern auf 25 Prozent geschätzt, bei Erwachsenen sind es immerhin noch 2 bis 8 Prozent. Wiederum 10 bis 15 Prozent der AD-Patienten sind so schwer krank, dass sie eine systemische Therapie benötigen.
Fortschritte durch immunologische Forschung
Dafür ist dank der immunologischen Forschung der letzten Jahre das Know-how deutlich gestiegen. So ist mittlerweile klar, dass der AD vor allem eine Entzündung vom Typ 2 mit einer multiplen Dysregulation immunlogischer Signalwege zugrunde liegt. Unter anderem kristallisierte sich die Heraufregulierung von Interleukin (IL) 4 und IL-13 als massgeblicher Mechanismus heraus. Noch relativ neu ist die Erkenntnis, dass für das Kardinalsymptom Juckreiz IL-31 relevant ist.
Hemmung von IL-4 und IL-13 reduziert die Entzündung
Aufgrund dieser Erkenntnisse konnten Hemmstoffe gegen diese Interleukine entwickelt werden. Bereits seit 2017 hat
sich Dupilumab, der erste dieser Inhibitoren, bewährt. Dieser monoklonale Antikörper hemmt IL-4 und IL-13. Innerhalb von 12 Wochen bessert sich bei der Mehrheit das Hautbild um 75 Prozent im EASI (Eczema Activity and Severity Index 75). Auch unter Tralokinumab, das selektiv IL-13 hemmt, heilen die Läsionen deutlich ab. Das trifft ausserdem auf das noch vor der Zulassung stehende Lebrikizumab zu. Weiter tut sich bei IL-31 etwas, dem Interleukin, das massgeblich an der Juckreizentstehung beteiligt ist: Hier wird die Zulassung von Nemolizumab, einem gegen den IL-31Rezeptor gerichteten Antikörper, in Kürze erwartet.
JAK-Inhibitoren erfolgreich
Mit den Januskinase-(JAK-)Inhibitoren wird noch tiefer in der Signalkette der Entzündung angesetzt. Interleukine wie IL-4, IL-13 und IL-31 aktivieren die Januskinase 1 (JAK1), die ihrerseits die Entzündung fördert. Wird JAK1 gehemmt, werden gleich mehrere Signalwege im Entzündungsprozess blockiert und somit die Entzündung vermindert. Derzeit stehen die JAK-Inhibitoren Upadacitinib und Baricitinib zur AD-Therapie zur Verfügung.
Kriterien für die Biologikatherapie
Doch welche Patienten sollen mit diesen Biologika behandelt werden? Hinweise für die Therapieentscheidung gibt eine neue europäische Leitlinie, die kurz vor der Veröffentlichung steht. Biologika sollten demnach bekommen: • Patienten, die eine mittelschwere AD haben, die nicht mit
Lokaltherapie ausreichend zu kontrollieren ist. Das heisst, sie weisen eines der folgenden Kriterien auf: – Ausgangswert beim EASI über 15 und/oder beim
SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis) über 40 – therapierefraktäre Ekzeme an sensiblen bzw. sichtbaren
Stellen wie Händen, Füssen, Gesicht, Nacken, Genitalien – Juckreiz, der auf der von 1 bis 10 reichenden numeri-
schen Rating-Skala (NRS) mit über 6 angegeben wird. Oder aufgrund von Pruritus oder Ekzemen gestörter Nachtschlaf, der die Lebensqualität deutlich einschränkt (gemessen mit dem Dermatology Quality of Life Index [DQLI], mit einem Wert von über 10).
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• AD-Patienten mit einer schweren Krankheitslast, die durch einen der folgenden Befunde definiert ist: – Ausgangswert beim EASI über 21 bzw. beim SCORAD über 50 – chronische AD-Herde an Händen oder Füssen, die die Arbeitsfähigkeit einschränken (auch wenn der EASI unter 21 liegt) – starker Juckreiz (NRS > 6), der zu Schlaflosigkeit führt oder das Lernen erheblich behindert, also ein DQLIWert von > 10 vorliegt – Patienten, deren EASI zwar unter 21 liegt, die aber im vergangenen Jahr mehr als 10 Schübe erlitten, bei denen mehr als 10 Prozent der Körperoberfläche betroffen waren.
Empfehlungen der 4. Stufe
Für diese erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD werden in der neuen Leitlinie der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) auf der 4. und höchsten Ebene des Therapiestufenschemas folgende systemische Substanzen empfohlen: • Biologika
– IL-4- und IL-13-Hemmer Dupilumab – IL-13-Hemmer Tralokinumab – JAK-Inhibitoren Baricitinib und Upadacitinib • Klassische Immunsuppressiva – Empfehlung nur noch für Ciclosporin – für Methotrexat und Azathioprin gilt nur eine einge-
schränkte Empfehlung – systemische Glukokortikoide sollten nur noch als
Rescue-Therapie eingesetzt werden.
Etwas anders sieht es bei Kindern mit AD aus. Hier hält das Expertengremium der EADV Dupilumab für Kinder ab 6 Jahren für empfehlenswert. Upadacitinib sollte nur ab 12 Jahren und Ciclosporin erst ab 16 Jahren verordnet werden.
Fokus auf Typ-2-Komorbiditäten
Diese Empfehlungen, die bereits erarbeitet sind, sich aber derzeit noch im Druck befinden, bilden nur den derzeitigen Stand der Wissenschaft ab. Es wird jedoch weiter geforscht. Auch daran, ob diese Immunsuppressiva bei anderen Entzündungen vom Typ 2, wie bei Asthma oder bei chronischer Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP), hilfreich wären. Das wäre besonders interessant für Patienten, die gleich an mehreren dieser Typ-2-Erkrankungen leiden, beispielsweise an AD und Asthma.
Ausser den systemischen Kortikoiden lässt sich hier bis jetzt nur Dupilumab bei Asthma einsetzen. Für Patienten mit CRwNP ist der IL-4/IL-13-Hemmer bereits zugelassen. Ebenso kann Patienten mit eosinophiler Ösophagitis (EoE), einer Form der Nahrungsmittelallergie, mit Dupilumab geholfen werden (derzeit nur FDA-Zulassung). Erste Studien in den Indikationsfeldern Aspirin-induzierte Atemwegserkrankung, Hyper-IgE-Syndrom, bei bestimmten Formen der Kontaktallergien und Alopecia areata haben für Dupilumab ebenfalls vielversprechende Ergebnisse geliefert.
Biomarker für die Typ-2-Entzündung
Wie Gutermuth betonte, wolle jeder Arzt schon bei der Ver-
ordnung abschätzen können, ob und inwieweit das verord-
nete Medikament seinem Patienten nützen könne. Heutzu-
tage bedient man sich hinsichtlich dieser Vorhersagen der
Biomarker. Doch welcher Biomarker ist bezüglich der Typ-2-
Entzündung aussagekräftig? Hieran arbeiten Immunologen
derzeit mit Hochdruck. Erste Ergebnisse liefern Studien mit
Dupilumab.
Dupilumab blockiert die gemeinsame Rezeptorkomponente
für IL-4 und IL-13, die für die Entzündung des Typs 2 ent-
scheidend sind. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe wollte
wissen, wie sich die Biomarker der Typ-2-Inflammation
unter Dupilumab verhalten. Dazu werteten sie Studien zu
Dupilumab bei AD, Asthma, CRSwNP und EoE aus. Bei den
untersuchten Biomarkern handelte es sich um Thymus- und
aktivierungsregulierte Chemokine (TARC) im Serum, Eota-
xin 3 im Plasma, Gesamtimmunglobulin E (IgE) im Serum,
Periostin im Serum und die Eosinophilenzahl im Blut. Diese
Werte wurden im Laufe dieser Studien kontinuierlich kont-
rolliert.
Das Ergebnis: Dupilumab führte im Vergleich zu Plazebo zu
einer signifikanten Senkung der meisten Biomarker für
Typ-2-Entzündungen in allen Studien/Indikationen, für die
Daten ausgewertet wurden. Die Verringerung von Se-
rum-TARC, Plasma-Eotaxin 3 und Serum-Periostin erfolgte
rasch, während die Verringerung von Gesamt-IgE im Serum
langsamer verlief.
Somit könnten diese Laborparameter dazu dienen, früh ein
Ansprechen auf Dupilumab festzustellen bzw. bei Therapie-
versagen die Behandlung umzustellen.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Symposium «Disease-specific pathways in allergic diseases – Implications for the usage of biologicals» beim Jahreskongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI), 1. bis 3. Juli 2022 in Prag.
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