Transkript
Axiale Spondyloarthritis
Update zum Management
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Prof. Dr. med. Adrian Ciurea, Universitätsspital Zürich, sprach in seinem Referat über die neueste Version der europäischen Empfehlungen zum Management der axialen Spondyloarthritis. Die Therapie der ersten Wahl sind nach wie vor die nicht steroidalen Antirheumatika.
Gemeinsam mit der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) gibt die Assessment of Spondyloarthritis International Society (ASAS) regelmässig ein Update ihrer Empfehlungen zum Management der axialen Spondyloarthritis (axSpA) heraus. Die letzte publizierte Version stammt aus dem Jahr 2017 (1). «Am diesjährigen EULARKongress haben die Experten nun einen Vorschlag für ihr Update 2022 vorgestellt, ein entsprechendes Manuskript ist in Bearbeitung», informierte Ciurea und erklärte, dass sein Vortrag zum Management der axSpA auf diesem Update basiere.
ASDAS zur Bestimmung der Krankheitsaktivität
«Im ersten Teil der EULAR-ASAS-Empfehlungen werden einige übergeordnete Prinzipien aufgegriffen», erklärte der Redner. So soll das Management der Patienten mit axSpA von einem Rheumatologen koordiniert und multidisziplinär durchgeführt werden. «Als primäres Ziel der Behandlung gilt, durch Kontrolle der Symptome und der Entzündung, aber auch durch die Prävention der röntgenologischen Progression ein Maximum an Lebensqualität zu erzielen», so Ciurea. Um dieses Ziel zu erreichen, kann eine Kombination aus nicht pharmakologischen und pharmakologischen Behandlungsmodalitäten eingesetzt werden. «Die Empfehlungen weisen darauf hin, dass die Behandlung einer axSpA mit hohen Kosten einhergeht, was beim Management der Erkrankung berücksichtigt werden soll. Ich versuche daher, möglichst Biosimilars einzusetzen», erklärte der Redner. Ausgangspunkt des EULAR-ASAS-Therapiealgorithmus ist die klinische Diagnose der Erkrankung. «Es ist bezeichnend, dass hier von der klinischen Diagnose gesprochen wird. Wir konzentrieren uns heute oft auf die Magnetresonanztomografie (MRT), wissen aber alle, wie schwierig deren Beurteilung ist. Es ist enorm wichtig, dass MRT-Befund und klinische Befunde wie Puzzleteile zusammenpassen», betonte Ciurea. Die Krankheitsaktivität wird mit dem Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS) erhoben (Abbildung) (2). Seine Höhe bestimmt nicht zuletzt über den Einsatz moderner Therapieoptionen wie der Biologika. Im Monitoring der Therapie, dessen Frequenz gemäss Empfehlungen individuell anhand der Symptome, des Schweregrads der Erkrankung und der Behandlung festgelegt werden soll, gilt eine Abnahme des ASDAS um > 1,1 Punkte als klinisch bedeutende Verbesserung. Von einer erheblichen Verbesserung wird bei einer Differenz von > 2,0 Punkten gesprochen (3).
NSAR weiterhin Therapie der ersten Wahl
Bei allen symptomatischen Patienten sollte die Therapie mit nicht pharmakologischen Massnahmen wie Edukation, regelmässiger körperlicher Aktivität, Rauchstopp und allenfalls Gewichtsreduktion begonnen werden. «Eine Physiotherapie kann bei allen Patienten zumindest diskutiert werden», sagte der Redner. Bleiben die Patienten trotz dieser Massnahmen symptomatisch, beginnt die pharmakologische Therapie mit einem nicht steroidalen Antirheumatikum (NSAR). «NSAR bleiben also auch im Update der Empfehlungen die Therapie der ersten Wahl. Sie sollten für mindestens 2 Wochen in der maximal tolerierbaren Dosis eingesetzt werden, sofern es keine Kontraindikationen gibt», betonte Ciurea. Sollte sich innerhalb von 2 bis 4 Wochen kein genügendes Ansprechen einstellen, ist ein zweites NSAR zu versuchen. «Besonders lange hat die Expertengruppe darüber diskutiert, ob bei einem guten Ansprechen das NSAR kontinuierlich weitergeführt oder nur noch bei Bedarf gegeben werden soll», berichtete der Rheumatologe. Schliesslich hat man sich darauf geeinigt, dass Patienten, bei denen die Schmerzen ohne eine kontinuierliche Einnahme des NSAR wieder auftreten, das Medikament weiterhin dauernd einnehmen sollen. Unverändert zu den bisherigen Empfehlungen können Analgetika wie Paracetamol weiterhin bei Residualschmerzen zusätzlich in Betracht gezogen werden. Patienten mit axialer Erkrankung sollten keine längerfristige Behandlung mit systemischen Glukokortikoiden erhalten. Bei einem rein axialen Befall sollten im Normalfall keine konventionellen synthetischen, krankheitsmodifizierenden Substanzen (csDMARD) eingesetzt werden. «Bei Patienten mit peripherer Arthritis stellt Sulfasalazin weiterhin das Medikament der ersten Wahl dar», so Ciurea.
Biologika und gezielte synthetische DMARD
«Zu den Voraussetzungen für den Einsatz eines Biologikums oder eines gezielten synthetischen DMARD gehört die klinische Diagnose einer axSpA», betonte der Redner. Er sehe es immer wieder, dass solche Substanzen quasi zur Sicherung der Diagnose verabreicht würden. «Es gibt hier immer einen gewissen Prozentsatz an Patienten, die vorübergehend ansprechen, auch wenn sie die Erkrankung nicht haben, das im Sinne eines Plazeboeffekts. Das ist aber nicht das Ziel einer Behandlung mit diesen Substanzen», sagte Ciurea. Zudem müssen die Patienten einen erhöhten CRP-Spiegel (CRP: C-reaktives Pro-
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< 1,3 < 2,1 > 3,5
Inaktive Erkrankung
Niedrige Krankheits-
aktivität
Hohe Krankheits-
aktivität
Sehr hohe Krankheits-
aktivität
Abbildung: Beurteilung der Erkrankungsaktivität, basierend auf dem Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS) (2)
tein) oder eine positive MRT oder eine radiografische Sakroiliitis aufweisen und auf eine Standardbehandlung nicht angesprochen haben (mind. 2 NSAR über insgesamt 4 Wochen bzw. bei hauptsächlich peripherer Manifestation lokale Steroidinjektion bzw. Therapieversuch mit Sulfasalazin). Ebenfalls müssen eine hohe Krankheitsaktivität (ASDAS > 2,1) sowie die Empfehlung eines Rheumatologen für ein Biologikum (bDMARD) oder ein gezieltes synthetisches DMARD (tsDMARD, z. B. Januskinaseinhibitoren [JAKi]) vorliegen. Wie Ciurea ausführte, empfiehlt die Expertengruppe unter den bDMARD weiterhin die Tumornekrosefaktor-αInhibitoren (TNFi) und die Interleukin-17-Inhibitoren (IL-17i) als erste Wahl und die JAKi als zweite Wahl. Liegt eine erhebliche Psoriasis vor, sind IL-17i zu bevorzugen. Bei Patienten mit einer rezidivierenden Uveitis in der Vorgeschichte oder einer entzündlichen Darmerkrankung werden die monoklonalen Antikörper unter den TNFi empfohlen. «Gemäss einer Studie ist es bei axSpA in der Regel nicht notwendig, zusätzlich zu einem TNFi ein csDMARD zu geben», ergänzte Ciurea (4).
Nicht röntgenologische vs. röntgenologische axSpA
An dieser Stelle griff Ciurea das Thema nicht röntgenologische axSpA (nr-axSpA) versus röntgenologische axSpA (r-axSpA) auf. «Dieses Thema ist sehr wichtig und beeinflusst unser tägliches Leben stark», erklärte er. «Früher ging man davon aus, dass es sich bei der nr-axSpA um eine Frühform der Erkrankung handelt, obwohl es auch Patienten gibt, die über Jahre in diesem Stadium bleiben», sagte er weiter. Studien mit Adalimumab ergaben, dass Patienten mit einer nr-axSpA und einer negativen MRT sowie einem normalen CRP gleich gut auf Plazebo wie auf ein Biologikum ansprachen (5). Ausserdem zeigten mehrere Studien, dass die Ansprechraten auf ein Biologikum oder einen JAKi bei einer nr-axSpA niedriger ausfielen als bei einer r-axSpA (6, 7), und das «obwohl es sich ja bei der nicht röntgenologischen Form vermeintlich um eine Frühform handeln soll, die ja besser ansprechen sollte, und zu den Einschlusskriterien ein erhöhtes CRP und/oder eine positive MRT gehörten», führte Ciurea aus. Gleiches ist auch für eine Behandlung mit IL-17i gezeigt worden. «Patienten mit einer nr-axSpA sollte man auf jeden Fall nur mit einem Biologikum oder einem JAKi behandeln, wenn eine klar positive MRT oder ein erhöhtes CRP vorliegt», so sein Fazit. Studien lieferten Hinweise darauf, dass Frauen mit einer nr-axSpA schlechter auf die Behandlung
ansprechen als Männer (8, 9). «Studien, die genügend gepo-
wert sind, um zu analysieren, ob Frauen mit nr-axSpA tat-
sächlich besser auf bDMARD/tsDMARD ansprechen als
Plazebo, sind dringend nötig», ergänzte Ciurea.
EULAR und ASAS haben diese Problematik in ihrem Update
ebenfalls berücksichtigt. Sie geben an, das Ansprechen auf
ein Biologikum oder auf ein tsDMARD nach mindestens
12 Wochen zu überprüfen. Hat sich der ASDAS um > 1,1
Punkte reduziert, wird die Therapie weitergeführt. Bei einer
Reduktion von weniger als 1,1 Punkten soll als erster Schritt
die Diagnose überprüft werden. «Dieser Punkt war in den
bisherigen Versionen der Empfehlungen nicht enthalten», so
der Rheumatologe. In den letzten Jahren hat sich herausge-
stellt, dass «entzündliche» Veränderungen in der MRT recht
unspezifisch sein und die Reaktion auf einen mechanischen
Reiz, zum Beispiel bei Sportlern, darstellen können. Sollte
sich die Diagnose als korrekt erweisen, kann auf ein anderes
bDMARD (TNFi oder IL-17i) oder ein tsDMARD gewech-
selt werden (bei ASDAS > 2,1 und positiver Beurteilung
durch einen Rheumatologen). Auch hier sollte nach mindes-
tens 12 Wochen eine Evaluation des Ansprechens stattfinden.
Ist dieses gegeben (Reduktion des ASDAS > 1,1), wird die
Therapie fortgeführt beziehungsweise kann bei anhaltender
Remission eine Dosisreduktion des bDMARD in Betracht
gezogen werden (keine Empfehlung für tsDMARD). Bei un-
genügendem Ansprechen erfolgt ein Wechsel zu einem ande-
ren bDMARD oder tsDMARD.
s
Therese Schwender
Referenzen: 1. Van der Heijde D et al.: 2016 update of the ASAS-EULAR ma-
nagement recommendations for axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis. 2017;76:978-991. 2. Machado PM et al.: Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS): 2018 update of the nomenclature for disease activity states. Ann Rheum Dis. 2018;77:1539-1540. 3. Machado PM et al.: Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS): defining cut-off values for disease activity states and improvement scores. Ann Rheum Dis. 2011;70:47-53. 4. Nissen MJ et al.: The effect of comedication with a conventional synthetic disease-modifying antirheumatic drug on drug retention and clinical effectiveness of anti-tumor necrosis factor therapy in patients with axial spondyloarthritis. Arthritis Rheumatol. 2016;68:2141-2150. 5. Sieper J et al.: Efficacy and safety of adalimumab in patients with non-radiographic axial spondyloarthritis: results of a randomised placebo-controlled trial (ABILITY-1). Ann Rheum Dis. 2013;72:815-822. 6. van der Heijde D et al.: Efficacy and safety of upadacitinib in patients with active ankylosing spondylitis (SELECT-AXIS 1): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2/3 trial. Lancet. 2019;394:2108-2117. 7. Deodhar A et al.: Upadacitinib for the treatment of active non-radiographic axial spondyloarthritis (SELECT-AXIS 2): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2022;400:369-379. 8. Braun J et al.: Secukinumab in non-radiographic axial spondyloarthritis: subgroup analysis based on key baseline characteristics from a randomized phase III study, PREVENT. Arthritis Res Ther. 2021;23:231. 9. van der Horst-Bruinsma IE et al.: Baseline characteristics and treatment response to ixekizumab categorised by sex in radiographic and non-radiographic axial spondylarthritis through 52 weeks: data from three phase III randomised controlled trials. Adv Ther. 2022;39:2806-2819.
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