Transkript
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Post-COVID-19-Erkrankung
Was bringt eine Rehabilitationsbehandlung?
Über die Existenzberechtigung des Long-Covid-Syndroms gehen die Meinungen weit auseinander. Fatalistisches Abwarten scheint hierzu eine verbreitete Haltung zu sein. Doch brauchen jene Patienten Hilfe, die über Wochen und Monate nach abgeklungener Infektion an Fatigue, Schlafstörungen, Angstzuständen oder Depression leiden und im Funktionieren im Alltag anhaltend beeinträchtigt sind. Eine Rehabilitation kann hier Unterstützung leisten, wie Dr. Daniel Büche, Stv. Chefarzt Departement für Innere Medizin, Klinik Gais, am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) berichtete.
Gemäss WHO-Konsensus (1) spricht man von einer PostCOVID-19-Erkrankung (offizielle Bezeichnung für LongCOVID), wenn 3 Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion Symptome auftreten, die > 2 Monate persistieren und nicht anders erklärbar sind. Zu häufigen Symptomen, die das Funktionieren im Alltag beeinträchtigen, zählen zum Beispiel Fatigue, Kurzatmigkeit und kognitive Dysfunktion. Die Symptome können nach anfänglicher Rekonvaleszenz neu auftreten oder seit der COVID-19-Erkrankung persitieren. Sie können über den Zeitverlauf auch fluktuieren. Weitere häu-
fige Symptome sind zum Beispiel vegetativer Art wie Ruhetachykardie, Schwindel, veränderte Stuhlgewohnheiten, Inappetenz, Nausea, Abdominalbeschwerden, Reflux und Hauterscheinungen wie Rashes, Vesikel, Pusteln, COVIDZehe, Urtikaria, Haarverlust sowie diverse neurologische Funktionsstörungen (2). COVID-19 sei damit eine neurobiologische, schwer erfassbare Erkrankung, so Büche. Am meisten sind die Patienten von Fatigue beeinträchtigt, einem Gefühl der Müdigkeit, das sich mit Schlafen nicht verbessern lässt. Ebenso störend, vor allem im Arbeitsbereich,
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ist die verstärkte kognitive Ermüdbarkeit bei der Bearbeitung einer Aufgabe (performance fatigability), was als Leistungsminderung objektiv erfassbar ist. Die Müdigkeit entsteht in diesem Zusammenhang durch das Überschiessen der Entzündungsreaktion durch die SARSCoV-2-Infektion, wodurch im Gehirn das Signal ausgelöst wird, sich körperlich auszuruhen. Im Gegensatz zur chronischen Fatigue kommt es bei der Post-COVID-19-Erkrankung jedoch zu keiner Neurodegeneration im Gehirn. Weil somit strukturelle Schäden fehlten, bestünde die Möglichkeit, die ausgefallenen beziehungsweise beeinträchtigten Funktionen (Leistung, Kognition, vegetativ, Schmerz) durch Rehabilitationsmassnahmen wieder zu trainieren, so Büche.
zeptanz, Symptomkontrolle und Verbesserung der Kognition. Am Ende der Rehabilitation solle der Wiedereintritt in die Arbeitswelt beziehungsweise in das Sozialleben stehen, so Büche. Das Programm besteht aus 5 Phasen: Phase 1 (stationär): Training der Symptomkontrolle (Pacing). Falls 7 Tage kein Erschöpfungszustand auftritt, folgt Phase 2 (stationär) mit einem Alltagstraining: leichte Atemübungen, sanfte Bewegungsübungen wie Yoga, Tai-Chi oder Qigong, Spaziergänge von 10 auf 20 Minuten ausdehnen. Falls 7 Tage kein Erschöpfungszustand oder zusätzliche Symptome auftreten, folgen ambulant Phase 3 mit einem Training der Belastungstoleranz (Ausdauer- und Krafttraining), Phase 4 mit einem Training mit Peaks und Phase 5 mit der Rückkehr zum Sport.
Was mit Reha möglich ist
Gemäss einer Erhebung fühlen sich bis zu einem Viertel der Coronapatienten in der Schweiz nach 6 bis 8 Monaten noch nicht ganz genesen (3), einige von ihnen leiden unter schweren Symptomen und können durch Rehabilitationsmassnahmen möglicherweise schneller in den Arbeitsprozess zurückgeführt werden. Die Rehabilitation verfolgt verschiedene Ziele: Provokation von möglichst wenigen Erschöpfungszuständen (Energiemanagement, schrittweises Vorangehen [Pacing]), Ausdauer und Kraftaufbau (Pacing), Stressreduktion, Krankheitsak-
Mehr psychische Folgen nach COVID-19 als nach Influenza
Eine britische Arbeit untersuchte den Unterschied zwischen COVID-19 und einer Influenza-Erkrankung hinsichtlich psychischer Folgestörungen bei einer Kohorte von 153 848 Überlebenden einer SARS-CoV-2Infektion nach 30 Tagen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, bestehend aus Patienten ohne nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion einerseits und Patienten vor der Pandemie andererseits, hatten die COVID-19Patienten unter anderem ein erhöhtes Risiko für Angststörungen (35%), Depressionen (39%), Stress- und Anpassungsstörungen (38%) sowie neurokognitive Verschlechterung (80%). Das Ergebnis zeigt, dass das Risiko für psychische Störungen somit bei allen COVID-19-Patienten erhöht war, bei hospitalisierten jedoch noch höher als bei nicht hospitalisierten. Dies gegenüber der Population, die die Pandemie ohne SARS-CoV-2-Infektion nur miterlebt hat, wie auch gegenüber Patienten mit Influenza-Infektion (4). vh
KURZ & BÜNDIG
� Es gibt eine Definition für die Post-COVD-19-Erkrankung. � 20 bis 25% der Erwachsenen sind nach einer SARS-CoV-2-
Infektion davon betroffen, die meisten aber nur leicht bis moderat. � Der natürliche Verlauf der Krankheit zeigt eine Ausheilung, das braucht aber Zeit. � Rehabilitation ist möglich, sinnvoll und häufg zielführend. � Nichts tun verstärkt die Erschöpfung.
Wann stationär, wann ambulant?
Eine stationäre Rehabilitation ist bei jenen Patienten ange-
zeigt, die in der ambulanten Rehabilitation keine Fortschritte
machen oder die durch die Aktivität im Haushalt schon so
erschöpft sind, dass sie keine ambulante Rehabilitation
durchführen können. Auch für Patienten mit komplexer
Krankengeschichte ohne Zugang zu einer ambulanten Re-
habilitation kann das eine Option sein.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Aufbau ist jedoch die
Krankheitsakzeptanz. Mit der kontinuierlichen Rückgewin-
nung der körperlichen Kräfte stellen sich in der Regel das
Selbstvertrauen und die Vorstellung ein, in den Arbeitspro-
zess zurückkehren zu können, wie Büche bei vielen Patienten
beobachten konnte. Eine eigene Untersuchung von so behan-
delten Patienten (n = 80) brachte eine Steigerung der Lebens-
qualität um 20 Prozent.
Der Fall einer vor der SARS-CoV-2-Infektion sportlichen
35-jährigen Personalsachbearbeiterin zeige das Potenzial
einer Rehabehandlung exemplarisch auf. Die Patientin be-
richtete von Tachykardien nach Erreichen ihrer damals sehr
tiefen Leistungsgrenze (ein paar Schritte). Mit dem betreuten
Training konnte die Leistungsgrenze bis zu ihrem selbst ge-
steckten Ziel (Aufstieg 600 Höhenmeter mit dem Velo)
schrittweise verschoben und ihr die Angst davor genommen
werden, dass die jeweils nach der Anstrengung auftretenden
Tachykardien für sie gefährlich sind. Nach 12 Wochen Trai-
ning erreichte sie erstmals ihr Ziel.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Post-COVID-19-Erkrankung – Rehabilitation: Chance für die Betroffenen?». Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin, 1. bis 3. Juni 2022, in Lausanne.
Referenzen: 1. WHO: A clinical case definition of post COVID-19 condition by a
Delphi consensus, 6 October 2021. https://www.who.int/ publications/i/item/WHO-2019-nCoV-Post_COVID-19_conditionClinical_case_definition-2021.1. Letzter Abruf: 2.9.22. 2. Lopez-Leon S et al.: More than 50 long-term effects of COVID-19: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep. 2021;11(1):16144. 3. Menges D et al.: Burden of post-COVID-19 syndrome and implications for healthcare service planning: A population-based cohort study. PLoS One. 2021;16(7):e0254523. 4. Xie Y et al.: Risks of mental health outcomes in people with covid-19: cohort study. BMJ. 2022;376:e068993.
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