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SGAIM
Impfplan 2022
Impfung gegen Herpes zoster empfohlen
Ein Herpes zoster kann zu langwierigen und belastenden Komplikationen führen. Da jetzt ein guter und sicherer Impfstoff verfügbar sei, werde eine Impfung ab 65 Jahren, bei Immunschwäche schon früher, dringend empfohlen, erläuterte Dr. Christiane Eberhardt vom Département de pédiatrie, gynécologie et obstétrique der Universität Genf.
Jede 3. bis 4. Person in der Schweiz wird wenigstens einmal an einem Zoster erkranken. Die Häufigkeit nimmt nach dem 65. Altersjahr rasch zu. Im Alter von 85 Jahren hatten schon > 50 Prozent der Personen eine Episode (1). Herpes zoster kann Jahre nach einer Varizelleninfektion auftreten. Die Erstinfektion mit vesikulärem Ausschlag an Kopf, Rumpf und Extremitäten heilt meist folgenlos ab. Das Virus verbleibt aber im Körper. Es wird retrograd in die dorsalen Ganglien des Rückmarks transportiert und kann dort über viele Jahre verbleiben. Zu einer Reaktivierung des Virus und damit zu einem Herpes zoster kann es kommen, wenn die Immunabwehr geschwächt ist, bei Traumen und in Stresssituationen. Bei einer Reaktivierung gelangt das Virus dann anterograd wieder zur Haut des korrespondierenden Dermatoms und führt zu Schmerzen, Parästhesien und vesikulären Eruptionen (2).
Postherpetische Neuralgie
Die postherpetische Neuralgie ist eine gefürchtete Komplikation. Sie tritt mit fortschreitendem Alter häufiger auf, in 7 Prozent bei 30-Jährigen, in 12 Prozent bei 50-Jährigen und in 18 Prozent bei 70-Jährigen. Die Schmerzen können so stark sein, dass Patienten suizidale Gedanken äussern. Befällt der Zoster den ersten Trigeminusnerv und kommt es zum Zoster ophthalmicus, ist Blindheit eine gefürchtete Komplikation, die
Wen impfen?
• Alle Personen ≥ 65 Jahre • Personen ≥ 50 Jahre mit einer aktuellen oder absehbaren Immun-
schwäche, die mit einem höheren Risiko für eine Erkrankung einhergeht. – z. B. vor/während/nach einer onkologischen Therapie – bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz, auch bei Dialyse – Therapie mit Biologika bei rheumatologischen Erkrankungen – Grundkrankheit, die die zelluläre Immunität schwächt • Personen ? 18 Jahre mit einer schweren Immunschwäche – z. B. maligne hämatologische Erkrankungen – Transplantatempfänger – Behandlung mit JAK-Inhibitoren, intensive Immunsupression – HIV-positive Personen mit CD4 < 200/µl
etwa in 5 bis 10 Prozent der Fälle auftritt. Auch eine Pneumonie oder Meningoenzephalitis sind gefürchtete Komplikationen.
Impfempfehlung 2022
Nun steht ein neuer Impfstoff gegen Herpes zoster zur Verfügung. Shingrix® ist ein rekombinanter Totimpfstoff und wird in 2 Dosen im Abstand von 2 bis 6 Monaten verabreicht. Seit Februar 2022 wird die Impfung von den Krankenkassen übernommen. Shingrix® ist sehr effizient. In einer Studie mit Patienten über 70 Jahre zeigte sich, dass der Impfstoff den Herpes zoster zu 90 Prozent und die postherpetische Neuralgie zu 89 Prozent verhindert (3). Die Wirksamkeit nimmt mit dem Alter nicht ab. Auch 80-Jährige entwickeln einen genügenden Impfschutz. Zurzeit läuft eine Folgestudie, die zeigt, dass die Effizienz nach 7 Jahren noch hoch ist (4). So wird bis jetzt keine 3. Dosis empfohlen. Die Impfung wird für immunkompetente Personen im Alter von 65 Jahren empfohlen, auch wenn sie schon mit dem alten attenuierten Lebendimpfstoff Zostavax® geimpft wurden. Allenfalls sollte ein Mindestabstand von 2 Monaten eingehalten werden. Die Impfung wird zudem empfohlen, wenn unklar ist, ob die Person schon Varizellen oder einen Herpes zoster durchgemacht hat. Vor einer Zosterimpfung die Antikörper zu bestimmen, hat keinen prognostischen Wert und wird nicht empfohlen, da die Immunität sehr stark auf der zellulären Abwehr beruht, was mit dieser Untersuchung nicht bestimmt werden kann. Der alte Impfstoff Zostavax wird nicht mehr empfohlen, er ist vor allem bei älteren Menschen weniger wirksam, weiter hält die Wirksamkeit nicht sehr lang an. Zudem wird die Impfung von der Krankenkasse nicht übernommen.
Vor immunsuppressiver Therapie impfen
Da es sich um einen Totimpfstoff handelt, können ebenfalls immunsupprimierte Patienten geimpft werden. Falls man aber eine Impfung planen kann, bevor eine immunsuppressive Therapie begonnen wird, sollte man vor der Therapie impfen. 2 Dosen mit 1 Monat Intervall wären ideal. Falls das nicht möglich ist, kann die 1. Dosis 2 Wochen vor der Behandlung gegeben werden, die 2. abhängig von der Therapie 1 bis 2 Monate später. Falls der Patient einer Impfung gegenüber skeptisch ist, gibt Christiane Eberhardt einige Argumente für die Sprechstunde mit:
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SGAIM
Linktipp
Schweizerischer Impfplan 2022 www.rosenfluh.ch/qr/impfplan-2022-bag
• Als Therapie kann man ein NSAID verschreiben, dieses
soll nicht prophylaktisch, sondern nur bei Auftreten von
wirklich störenden Symptomen eingenommen werden.
• Falls bei der 1. Dosis Nebenwirkungen aufgetreten sind,
muss das bei der 2. Dosis nicht der Fall sein. Das gilt auch
umgekehrt.
Christiane Eberhardt ruft die Kolleginnen und Kollegen dazu
auf, proaktiv den Patienten die Impfung vorzuschlagen, da sie
wirksam und sicher ist und viel Leid ersparen kann.
s
• Der Impfstoff hat sich in der Anwendung bei 10 000 immunkompetenten Patienten > 50 Jahre als sehr sicher erwiesen.
• In anderen Ländern ist der Impfstoff seit Jahren verfügbar, und es wurden Millionen von Dosen verabreicht.
• Die Wirksamkeit ist klar besser als beim alten Wirkstoff. • Zwar erleiden fast alle Geimpften irgendeine Form von
Nebenwirkungen, etwa 10 Prozent werden dadurch in ihren täglichen Aktivitäten eingeschränkt. Lokal kommt es häufig zu Schmerzen (83%), manchmal zu einer Rötung (29%) oder Schwellung (15%). Es sind systemische Nebenwirkungen wie Müdigkeit (48%), Myalgien (41%), Kopfschmerzen (37%) und Fieber (17%) möglich. Die Nebenwirkungen der Impfung halten meist nur wenige Tage an, während eine postherpetische Neuralgie sehr lang dauern kann.
Barbara Elke
Quelle: SGAIM-Frühjahrskongress, 1. bis 3. Juni 2022, Lausanne. Vaccinations for adults. Dr. med. Christiane Eberhardt, Département de pédiatrie, gynécologie et obstétrique der Universität Genf
1. Schweizerischer Impfplan 2022, Stand Januar 2022, Bundesamt für Gesundheit und Eidgenössische Kommission für Impffragen.
2. Zerboni L et al. Molecular mechanisms of varicella zoster virus pathogenesis. Nat Rev Microbiol. 2014 Mar;12(3):197-210. doi: 10.1038/nrmicro3215. Epub 2014 Feb 10. PMID: 24509782; PMCID: PMC4066823.
3. Cunningham AL et al. ZOE-70 Study Group. Efficacy of the Herpes Zoster Subunit Vaccine in Adults 70 Years of Age or Older. N Engl J Med. 2016 Sep 15;375(11):1019-32. doi: 10.1056/ NEJMoa1603800. PMID: 27626517.
4. Boutry C et al. Zoster-049 Study Group. The Adjuvanted Recombinant Zoster Vaccine Confers Long-Term Protection Against Herpes Zoster: Interim Results of an Extension Study of the Pivotal Phase 3 Clinical Trials ZOE-50 and ZOE-70. Clin Infect Dis. 2022 Apr 28;74(8):1459-1467. doi: 10.1093/cid/ciab629. PMID: 34283213; PMCID: PMC9049256.
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