Transkript
EULAR
Psoriasisarthritis
Anzahl der Gelenke als Kriterium für Biologikatherapie zweifelhaft
Bislang wird die Behandlung von Patienten mit Psoriasisarthritis (PsA) an der Anzahl der geschwollenen Gelenke ausgerichtet. Wer unter mehr als 3 geschwollenen Gelenken leidet, wird von Anfang an intensiver behandelt. Und die anderen? In einer Untersuchung des SCQM-Registers kamen Berner Forscher zu dem Schluss, dass auch geringer betroffene PsA-Patienten nicht vernachlässigt werden dürfen.
In den EULAR-Empfehlungen von 2019 werden für Patienten mit Psoriasisarthritis (PsA) und 4 oder mehr geschwollenen und schmerzempfindlichen Gelenken konventionelle DMARD empfohlen. In späteren Behandlungslinien dürfen dann Biologika und zielgerichtete synthetische DMARD eingesetzt werden, ohne eine weitere Spezifizierung des Gelenkstatus. Auch in klinischen Studien werden normalerweise nur Patienten eingeschlossen, die im Minimum 3 oder mehr geschwollene Gelenke aufweisen (HJC, high joint count). Bis heute weiss man deshalb nicht viel über die Behandlung von Patienten mit nur 1 oder 2 geschwollenen Gelenken (LJC, low joint count) und deren Resultat.
Doppelt so viele gering Betroffene
Eine Studiengruppe um Burkhard Möller vom Inselspital Bern wollte nun in einer Analyse des Schweizer Registers für rheumatoide Erkrankungen SCQM (Swiss Clinical Quality Management) untersuchen, inwieweit PsA-Patienten mit niedriger oder hoher Anzahl problematischer Gelenke im praktischen Alltag mit Medikamenten versorgt werden und welche Wirksamkeit diese Therapien (speziell Biologika) besitzen (1). Dazu wurden mithilfe des SCQM-Registers 675 LJC- und 334 HJC-Patienten detektiert. Es zeigte sich, dass in der LJC-Gruppe zu Beginn der Registrierung weniger Frauen als Männer waren, dass die Patienten unter weniger schweren Hautläsionen, weniger Enthesitis, Daktylitis, Nagelbeteiligung und schweren Behinderungen litten und dass sie eine höhere Lebensqualität aufwiesen. Dagegen waren inflammatorische Rückenbeschwerden in beiden Gruppen etwa gleich stark verbreitet. LJC-Patienten wurden zu Beginn der Registrierung ebenso oft mit konventionellen DMARD (csDMARD) wie HJC-Patienten behandelt, jedoch weniger oft mit Biologika. Während des Follow-ups erfolgte bei LJC-Betroffenen weniger oft und später ein Wechsel auf ein Biologikum im Vergleich zu PsA-Patienten, die von vornherein mehrere geschwollene und schmerzende Gelenke aufwiesen. Obwohl sich der Gelenkstatus und andere Krankheitsaktivitäten in beiden Gruppen zu Beginn unterschieden hatten, zeigte eine identische Behandlung keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen LJC und HJC.
Biologika auch für LJC-Patienten
Bei der Mehrheit der Schweizer PsA-Patienten sind weniger
als 1 oder 2 Gelenke von einer Entzündung betroffen (LJC).
«Wer unter 3 oder mehr geschwollenen Gelenken leidet,
scheint schneller eine Therapieeskalation mit Biologika zu
erhalten, obwohl diese Medikamente in beiden Gruppen bei
biologikanaiven Betroffenen gleich effektiv zu sein schei-
nen», sagte Möller am EULAR-Kongress. Es könnte sich je-
doch als Bumerang erweisen, LJC-Patienten anfangs weniger
intensiv zu behandeln, so Frank Behrens vom Universitäts-
klinikum in Frankfurt am Main, in einem Kommentar zur
Studie (2). Denn diese Patienten würden unter konventionel-
len DMARD die minimale Krankheitsaktivität (MDAI) häu-
fig nicht erreichen. In einer ähnlichen Analyse in Frankfurt
seien Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und vielen be-
troffenen Gelenken vor Jahren intensiver behandelt worden
als solche mit geringerer Krankheitsaktivität. Am Ende seien
die vormals Hochaktiven besser eingestellt gewesen und hät-
ten eher eine Remission erreicht als die zu Beginn wenig Be-
troffenen. Besser sei es, von vornherein zu schauen, ob ein
Patient «ausserhalb des Therapieziels» sei, und die Behand-
lungsintensität danach zu richten – und nicht nach der An-
zahl der betroffenen Gelenke. Eine minimale Krankheitsakti-
vität erreiche man wunderbar, wenn man die Biologika auch
bei LJC-Patienten einsetze. «Wir behandeln im Augenblick
solche Patienten noch zu defensiv», so Behrens. Auch das
Fazit von Möller war eindeutig: «Die Entscheidung für eine
Therapie mit Biologika sollte nicht per se nur nach der An-
zahl der betroffenen Gelenke gefällt werden, sondern die
Biologika sollten auch PsA-Patienten mit nur 1 oder 2 ent-
zündeten Gelenken zugutekommen.»
s
Klaus Duffner
Quellen: 1. Moeller B et al.: Biological dmard treatment in psoriatic arthritis
is likewise effective in patients with high and with low joint counts – results from the swiss clinical quality management (scqm) for rheumatic diseases cohort study. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):820. POS1020; https://virtualcongress.eular.org/ eular/eulr22/en-GB/ presentation/12722 2. https://medtoday.de/congresses/eular-22/onDemand/354/ playback/year/2022/date/2022-06-03/topic/psoriasis-arthritis/ speaker/behrens/slide/46
10 CongressSelection Rheumatologie | September 2022