Transkript
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Neues zur RA-Therapie
Widersprüchliche Resultate zum CV-Risiko
Der Jahreskongress der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) in Kopenhagen fand erstmals in hybrider Form statt. Im Fokus der Beiträge zur rheumatoiden Arthritis (RA) standen neue Studien zum kardiovaskulären Risiko, zur Dosierung verschiedener Therapeutika oder zur Behandlung der Prä-RA. Die rund 6000 Teilnehmenden freuten sich über ein interessantes wissenschaftliches Programm.
Lässt sich eine «Prä-Rheumatoide Arthritis» aufhalten und damit der Ausbruch einer RA gar verhindern? Am diesjährigen semivirtuellen Jahrestreffen der EULAR wurden 2 Studien präsentiert, die sich dieser interessanten Frage widmeten.
Behandlung der Prä-RA
In einer niederländischen Arbeit wurden Patienten mit Arthralgien und subklinischen Gelenkentzündungen (n = 236) als Prä-RA-Patienten definiert und über 1 Jahr entweder mit Methotrexat (MTX) (bis 25 mg/Woche plus einmalig Glukokortikoide) oder Plazebo behandelt (1). Nach weiteren 12 Monaten ohne Behandlung zeigten sich hinsichtlich der Entwicklung einer RA zwischen den Patienten mit MTX und Plazebo keine signifikanten Unterschiede. Allerdings stellte sich heraus, dass nur rund 20 Prozent aller Patienten überhaupt eine RA entwickelten. Im nachträglich ermittelten Hochrisikokollektiv zeigte sich, dass sich das Auftreten einer RA durch eine frühe MTX-Behandlung verzögern lässt. Zudem verminderten sich verschiedene Symptome. Eine Studie mit dem Fusionsprotein Abatacept kam ebenfalls zu einem solchen Ergebnis. Mit dieser Studie untersuchte eine internationale Forschergruppe unter Schweizer Beteiligung Patienten mit Prä-RA, die ACPA-positiv waren (2). Nach 6-monatiger Behandlung mit Abatacept bzw. Plazebo blieben die Teilnehmer wiederum 12 Monate unbehandelt, bevor evaluiert wurde. Tatsächlich konnte das Auftreten einer RA signifikant reduziert werden: Nach 6 bzw. 18 Monaten wurden in der Plazebogruppe 34,7 und 57,1 Prozent neue RA-Fälle diagnostiziert, in der Verumgruppe jedoch nur 8,2 bzw. 34,7 Prozent. Zukünftig gibt es in diesem Bereich noch viel Forschungsarbeit.
Biologika konventioneller Therapie überlegen
Was ist die beste Therapie für neu diagnostizierte Patienten mit aktiver RA? Dieser Frage geht man derzeit in der grossen skandinavischen NORD-STAR-Studie nach (3). Rund 800 RA-Patienten erhielten alle MTX und wurden in einem frühen Stadium in 4 Therapiearme aufgeteilt: 1. Kortikoide bzw. Sulfasalazin/ Hydroxychloroquin (konventionelle Therapie), 2. Certolizumab, 3. Abatacept und 4. Tocilizumab. Die jetzt am EULAR-Kongress in Kopenhagen präsentierten 48-Wochen-Daten offenbarten gegenüber den bereits früher präsen-
tierten 24-Wochen-Resultaten hinsichtlich des Erreichens einer CDAI-Remission (primärer Endpunkt) einen deutlicheren Unterschied. Patienten unter Abatacept (59,3%) und Certolizumab (52,3%) waren gegenüber jenen unter konventioneller Therapie (39,2%) signifikant im Vorteil, nicht jedoch Patienten unter Tocilizumab (51,9%). Allerdings war bei Letzteren eine numerische Überlegenheit zu verzeichnen.
Auch Kombination mit weniger MTX effektiv
Eine Kombination solcher Biologika mit MTX ist in vielen Fällen wirkungsvoller als die jeweilige Monotherapie, so auch mit dem TNF-Hemmer Adalimumab. Allerdings kann MTX Unverträglichkeiten hervorrufen. Deshalb lautet die Frage: Wie viel MTX ist notwendig, um immer noch eine gute Wirkung zu erzielen? Lassen sich eventuelle Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren? In einer japanischen Studie wollte man möglichst niedrig dosiertes MTX mit der maximal möglichen MTX-Dosierung in Kombination mit Adalimumab vergleichen (4). Dafür wurden neu diagnostizierte RA-Patienten zu Beginn mit MTX in einer Dosierung von 6 bis 8 mg pro Woche behandelt, später dann mit 12 mg. Patienten, die keine Remission erreichten, erhielten zusätzlich Adalimumab und wurden entweder in einen Arm mit niedrig dosiertem oder mit höher dosiertem MTX randomisiert. Nach 48 Wochen erreichten – knapp unter dem Signifikanzniveau liegend – mehr Patienten unter niedrigerer MTX-Dosierung (!) die SDAI-Remission als unter höherer MTX-Dosierung (44,8 vs. 38,4%). Zudem stellten sich unter der geringeren MTX-Dosierung weniger Nebenwirkungen ein. Damit habe man zeigen können, dass in Kombination mit Adalimumab eine für europäische Verhältnisse niedrige MTX-Dosierung (ca. 10 mg) völlig ausreiche, so die Autoren.
Rituximab auch in niedriger Dosierung
Nach wie vor ist die optimale Dosierung von Rituximab (RTX) zur RA-Therapie unklar, so waren in Studien Injektionen von 1000 und 2000 mg alle 6 Monate vergleichbar wirksam. Niederländische Wissenschaftler wollten nun untersuchen, ob auch eine Ultra-low-dose-Therapie langfristig wirksam ist (5). Dafür wurden RA-Patienten in 3 Gruppen nur einmal im Jahr behandelt, entweder mit low-dose RTX
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(1000 mg, n = 24) oder mit ultra-low-dose RTX (500 mg, n = 48; 200 mg, n = 46), und das über rund 3 Jahre. Hinsichtlich der Krankheitsaktivität (primärer Endpunkt DAS-28) zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Dosierungen. Die meisten Patienten setzten bei niedriger Krankheitsaktivität die Ultra-low-dose-Therapie fort. Die starken Nebenwirkungen von Glukokortikoiden sind bekannt. Trotzdem gehören die ältesten und effektiven Therapeutika in den Werkzeugkoffer eines jeden Rheumatologen. In einer doppelblinden, randomisierten Studie wollte man nun wissen, ob es auch mit weniger geht (6). Dafür wurden insgesamt 449 RA-Patienten über 2 Jahre unter Beibehaltung sonstiger Therapien entweder mit niedrig dosiertem Prednisolon (5 mg täglich) oder Plazebo behandelt. Am Ende der Untersuchung kam es unter den Glukokortikoiden zu einer signifikanten Senkung des DAS-28 im Vergleich zu Plazebo. Auch die radiografische Progression war in der Verumgruppe nach 2 Jahren geringer. Allerdings traten unerwünschte Ereignisse (hauptsächlich milde bis moderate Infektionen) unter Prednisolon um 24 Prozent häufiger auf als unter Plazebo (RR: 1,24).
ORAL-Surveillance: Höheres MACE-Risiko mit Tofacitinib
Eine der am diesjährigen EULAR-Kongress vorgestellten zentralen Untersuchungen war die seit 2014 durchgeführte randomisierte Sicherheitsstudie ORAL-Surveillance. Hintergrund: Patienten mit aktiver RA besitzen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre (CV) Erkrankungen. In einer Post-hocAnalyse wurden 4362 Patienten mit aktiver RA in 4 Risikoklassen eingeteilt (hoch, mittel, gering, Diabetes). Sie erhielten teilweise Statine sowie entweder den JAK-Inhibitor Tofacitinib (Tofa) (5 mg BID, n = 1455; 10 mg BID, n = 1456) oder TNF-Inhibitoren (TNFi) (n = 1451) (7). Die Teilnehmer waren mindestens 50 Jahre alt und litten unter einem oder mehreren zusätzlichen CV-Risikofaktoren. Insgesamt waren die Inzidenzraten (IR; Patienten mit den ersten Events/100 Patientenjahre) für tödliche und nicht tödliche schwere CV-Ereignisse (MACE: major adverse cardiac event), plötzlichen Herztod und nicht tödliche Myokardinfarkte unter Tofa höher als unter TNFi. Hingegen zeigten sich die Inzidenzraten für einen tödlichen Myokardinfarkt sowie für tödlichen und nicht tödlichen Hirnschlag in allen Gruppen ähnlich. Als Risikofaktoren für das Auftreten von CV-Ereignissen unter Tofa erwiesen sich Rauchen und die Verwendung einer ASS-Prophylaxe. Wurden Hochrisikopatienten oder Diabetiker zusätzlich zu Tofa mit Statinen behandelt, reduzierte sich das MACE-Risiko deutlich. Eine weitere Analyse von ORAL-Surveillance beschäftigte sich mit dem kardiovaskulären Risikoprofil als Prädiktor für MACE, Malignome und Thromboembolien (8). Dafür wurden die RA-Patienten folgendermassen eingeteilt: in solche, die in der Vergangenheit schon einmal schwere CV-Ereignisse erlitten hatten (11%), und solche, die anhand von Scores ein erhöhtes Ausgangsrisiko besassen (unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Cholesterin, Ethnie, Blutdruck, Diabetes, Rauchen u. a.), schwere CV-Ereignisse zu entwickeln. Erwartbares Ergebnis: Patienten mit sehr hohem Risikoscore erlitten am häufigsten ein CV-Ereignis. Vor allem galt das für Patienten, die in der Vergangenheit bereits ein Ereignis hinter
sich hatten. Hier konnte ein deutlicher Unterschied zwischen Tofa und TNFi festgestellt werden (IR: 2,38 vs. 1,51). Auch Malignome traten insbesondere unter den früher schon einmal mit einem CV-Ereignis belasteten Teilnehmern auf, und zwar wiederum häufiger unter Tofa als unter TNFi (IR: 1,77 vs. 1,28). Bei der Thrombosebildung konnte hingegen keine Abhängigkeit von CV-Risikofaktoren festgestellt werden. Fazit: Besonders Patienten mit hohem Risikoscore und diejenigen mit einem CV-Ereignis in der Anamnese profitieren von einer Therapie mit TNFi.
Gegenteilige Resultate
Hingegen zeigen die Daten einer französischen Real-worldStudie ein ganz anderes Bild (9): Die Auswertung der WHODatenbank VigiBase mit 39 000 Berichten über JAK-Inhibitoren und 214 000 Berichten über TNFi ergab bei RA-Patienten weder ein erhöhtes Malignom- noch ein erhöhtes CV-Risiko unter Tofa gegenüber TNFi. Im Gegenteil: Schwere CV-Ereignisse traten unter JAK-Hemmern signifikant seltener auf als unter TNFi (z. B. Myokardinfarkte, OR: 0,72). Dagegen waren Thrombosen und Lungenembolien häufiger unter den JAK-Hemmern als unter den TNFi (OR: 3,99 bzw. 3,47). Auch in einer spanischen Registerstudie standen Malignome, genauer gesagt das Auftreten von Zweittumoren, im Fokus (10). Untersucht wurden 352 Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, die in der Vergangenheit bereits unter einem Malignom gelitten hatten und dann mit einer Biologika- oder JAK-Hemmer-Therapie versorgt wurden. Tatsächlich konnte hinsichtlich der Inzidenz von Zweittumoren unter Behandlung mit JAK-Inhibitoren oder Biologika kein signifikanter Unterschied festgestellt werden.
RABBIT-Register: Keine Unterschiede
Auch in einer Analyse des deutschen RABBIT-Registers ging es um das Auftreten von CV-Ereignissen (11). Dafür wurden die Daten von rund 5000 Patienten untersucht, die zwischen 2017 und 2021 neu entweder mit einem JAK-Hemmer, einem TNFi oder einem konventionellen DMARD behandelt worden waren. Erstes Ergebnis: Die mit JAK-Inhibitoren behandelten Patienten litten nicht häufiger unter schweren CVEreignissen als die anderen. Zwar stieg erwartungsgemäss allgemein die Inzidenz von CV-Ereignissen bei Hochrisikopatienten, unter den JAK-Hemmern konnte jedoch gegenüber TNFi oder konventionellen DMARD auch bei Teilnehmenden mit hohem CV-Risiko kein gehäuftes Auftreten solcher Ereignisse beobachtet werden – ein Ergebnis, das klar im Gegensatz zu den Resultaten der ORAL-Surveillance-Studie steht. Das sei umso bemerkenswerter, als dass die Teilnehmer, die mit JAK-Hemmern behandelt worden seien, im Durchschnitt schon älter gewesen seien und länger unter RA gelitten hätten, berichtete die Studienautorin Yvette Meissner. s
Klaus Duffner
Quellen: Hybride Jahrestagung der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR). 1. bis 4. Juni 2022 in Kopenhagen; https://medtoday.de/congresses/ eular-22/onDemand/353/playback/year/2022/date/2022-06-03/topic/neuesaus-der-ra-therapie/speaker/witte/slide/1 sowie https://www.congresshighlights.de/rheumatologie/videos/rheumatoide-arthritis-161
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Referenzen: 1. Krijbolder D et al.: Intervention with methotrexate in arthralgia
at risk for rheumatoid arthritis to reduce the development of persistent arthritis and its disease burden (treat earlier): a doubleblind, randomised, placebo-controlled trial. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):48. EULAR OP0070. 2. Rech J et al.: Abatacept delays the development of ra – clinical results after 18 months from the randomized, placebo-controlled ARIAA study in ra-at risk patients. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):526. EULAR POS0531. 3. Østergaard M et al.: Certolizumab-pegol, Abatacept, Tocilizumab or active conventional therapy in early rheumatoid arthritis: clinical and radiographic 48-weeks results of the investigator-initiated randomized NORD-STAR trial. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):38. EULAR OP0058. 4. Tama H et al.: Efficacy and safety of Adalimumab with low and high dose-methotrexate in patients with rheumatoid arthritis with inadequate response to methotrexate: the randomised controlled miracle study. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):42. EULAR OP0062. 5. Den Broeder N et al.: Long-term effectiveness of ultra-low doses of Rituximab in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):597. EULAR POS0652. 6. Boers M et al.: Favorable balance of benefit and harm of longterm, low-dose prednisolone added to standard treatment in rheumatoid arthritis patients aged 65+: the pragmatic, multicenter, placebo-controlled gloria trial volume. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):174. EULAR OP0263. 7. Charles-Schoeman C et al.: risk factors for major adverse cardiovascular events in patients aged ≥ 50 years with rheumatoid arthritis and ≥ 1 additional cardiovascular risk factor: a post hoc analysis of oral surveillance. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):611. EULAR POS0674. 8. Buch MH et al.: Major adverse cardiovascular events, malignancies and venous thromboembolism by baseline cardiovascular risk: a post hoc analysis of oral surveillance. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):356. EULAR POS0237 und OP0268. 9. Montastruc F et al.: Comparison of major cardiovascular and thromboembolic events in safety reports between rheumatoid arthritis patients treated with JAK-inhibitors versus anti-tnf: results from VigiBase. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):178. EULAR 0268. 10. Molina Collada J et al.: Risk of cancer after biologic and targeted synthetic DMARDs initiation in patients with rheumatic diseases and a history of prior malignancy: data from the biobadaser registry. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):88. EULAR: OP0138. 11. Meissner Y et al.: Risk of cardiovascular events under janus kinase inhibitors in patients with rheumatoid arthritis: observational data from the german RABBIT register. Ann Rheum Dis. 2022;81(1):86. EULAR OP0135.
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