Transkript
SSC/SSCS
Thrombosegefahr vorbeugen
Was bei DOAK zu beachten ist
Nach kardialen Ereignissen ist zur Hirnschlagprävention eine antithrombotische Therapie empfohlen. Worauf es beispielsweise nach einem Herzklappenersatz ankommt, erläuterte Prof. Stefan Toggweiler, Co-Chefarzt Kardiologie, Herzzentrum Kantonsspital Luzern, am Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Kardiologie (SSC/SSCS) in St. Gallen. Denn nicht jede Herzklappe erfordert dasselbe Antikoagulans. Worauf schliesslich bei DOAK zu achten ist, damit sie vor einem Hirnschlag schützen und keinen begünstigen, erklärte PD Dr. Alexander Breitenstein, Leitender Arzt an der Klinik für Kardiologie vom Universitätsspital Zürich.
Nach einem Herzklappenersatz mit einer mechanischen Herzklappe ist eine orale Antikoagulation zwingend, ansonsten liegt das 1-Jahresrisiko für Klappenthrombosen bei der Aortenklappe bei zirka 10%, bei der Mitralklappe bei zirka 20% und bei der Trikuspidalklappe bei > 90%. Nach dem Einsatz einer mechanischen Klappe bedarf es einer Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten, denn direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) nützen in normaler Dosierung zu wenig. Grund dafür ist die hohe lokale Konzentration von Thrombin, die eine viel höhere Dosierung eines DOAK erforderlich machen würde, was wiederum die Blutungsgefahr ansteigen lässt (1). Bei einem mechanischen Klappenersatz empfehlen die Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) eine lebenslange Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten (2). Nach einem biologischen Klappenersatz (chirurgisch oder TAVI) hängt die Thrombogenizität vom Gerinnungszustand des Patienten ab, sowie von anatomischen Faktoren, welche zu Stase und Turbulenzen des Blutflusses führen, erklärte Toggweiler am SGK-Kongress. Nach einer TAVI (transcatheter aortic valve implantation) oder einer TEER (transcatheter edge-to-edge repair) ist eine plättchenhemmende Monotherapie (SAPT, single antiplatelet therapy) bei Patienten ohne Indikation für eine orale Antikoagulation, wie beispielsweise Vorhofflimmern, ausreichend. Besteht dagegen eine Indikation, sollte die vorbestehende Antikoagulationstherapie als Langzeitbehandlung weitergeführt werden (2). Nach einer TMVI (transcatheter mitral valve implantation) bedarf es einer oralen Antikoagulation für mindestens 3 Monate bei Patienten ohne vorbestehende Indikation. Bei bestehender Indikation ist eine Langzeitantikoagulation empfohlen (2).
Wenn DOAK versagen
DOAK sind heutzutage die Standardtherapie in der Hirnschlagprävention bei Patienten, die unter einem Vorhofflimmern leiden. Seit deren Einführung ist die Antikoagulationstherapie einfacher geworden, die Kontrolle des INR-Werts zum Beispiel entfällt. Aber auch bei DOAK ist ein Therapieversagen möglich, und ein Hirnschlag kann trotz der Einnahme eines DOAK auftreten. Um dieses Risisko zu minimieren, gilt es, einige Punkte zu beachten. Für eine veränderte Wirkung eines DOAK sind sehr häufig Arzneimittelinteraktionen verantwortlich, beispielsweise bei
gleichzeitiger Behandlung mit Antiarrhythmika wie Drone-
daron, mit Antimykotika der Konazolgruppe, mit HIV-Me-
dikamenten und mit Tyrosinkinasehemmern (3, 4). In diesen
Situationen muss eine eventuell notwendige Dosisanpassung
erwogen werden. Auch eine erhöhte Nierenclearance und
eine schlechte gastrointestinale Absorption können zu sub-
therapeutischen Medikamentenspiegeln führen. Bei einer re-
duzierten Nierenfunktion soll die Dosis je nach DOAK an-
gepasst werden:
• Apixaban: Dosisanpassung von 2 × 5 mg auf 2 × 2,5 mg
bei 2 von 3 Kriterien: Kreatininkonzentration > 133 µg/ml,
Alter > 80 Jahre oder Gewicht < 60 kg • Edoxaban: 30 mg bei einer Kreatininclearance (CrCl) von 50 bis 15 ml/min • Rivaroxaban: 15 mg bei einer CrCl von 50 bis 15 ml/min • Dabigatran: evtl. 2 × 110 mg bei einer CrCl von 50 und 30 ml/min (5). Wichtig sei, dabei nicht zu vergessen, die reduzierte Dosis bei einer Verbesserung der Nierenfunktion wieder zu erhöhen, damit keine Untertherapie enstehe, so Breitenstein. Ein häufiger Grund für eine ungenügende Wirkung sei eine falsch zu tiefe Dosierung aus Angst vor Blutungskomplika- tionen, wie der Referent weiter berichtete. Dies sei oft bei älteren Patienten der Fall, bei denen gehäuft die tiefere Dosis verschrieben werde. Doch gerade diese Patientengruppe pro- fitiere am meisten von einer korrekten Dosis, denn sie habe das grösste Risiko für ein thromboembolisches Ereignis. Des- halb sei eine subtherapeutische Dosierung kontraproduktiv und erhöhe dieses Risiko, während sich das Blutungsrisiko auch mit einer schwachen Dosiserung nicht verringere, so Breitenstein. Zu guter Letzt gibt es genetische Polymorphis- men, welche die Wirkung der DOAK beeinträchtigen (4). Durch Beachtung dieser Aspekte könnte den Risiken für ein Therapieversagen, das sich meist durch einen Hirnschlag, eine Lungenembolie, eine tiefe Venenthrombose oder einen Thrombus im linken Vorhof bemerkbar (4) mache, vorge- beugt werden, so Breitenstein abschliessend. s Valérie Herzog Quelle: «Risk and prevalence of valvular thrombosis», «NOACS: Treatment failure – what now?». SSC/SSCS Annual Meeting, 15. bis 16. Juni 2022 in St. Gallen. CongressSelection Kardiologie | August 2022 17 SSC/SSCS Referenzen: 1. Eikelboom JW et al.: Dabigatran versus warfarin in patients with mechanical heart valves. N Engl J Med. 2013;369(13):1206-1214. 2. Vahanian A et al.: 2021 ESC/EACTS Guidelines for the manage- ment of valvular heart disease. Eur Heart J. 2022;43(7):561-632. 3. Steffel J et al.: 2021 European Heart Rhythm Association Practi- cal Guide on the Use of Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial Fibrillation. Europace. 2021;23(10):1612-1676. 4. Kajy M et al.: Treatment failures of direct oral anticoagulants. Am J Ther. 2021;28(1):e87-e95. 5. Steffel J: Vorhofflimmern und Antikoagulation – Update 2016. Cardiovasc Med 2017;20:3-8. 18 CongressSelection Kardiologie | August 2022