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SSC/SSCS
Herzpatienten mit Diabetes
Worauf es bei der Therapiewahl ankommt
Patienten mit einer Herzerkrankung oder kardiovaskulären Risikofaktoren und einem Typ-2-Diabetes benötigen neben der klassischen kardiovaskulären Prävention eine weitergehende Therapie. Aufgrund welcher Kriterien diese auszuwählen ist, zeigte PD Matthias Herrmann, Universitätsspital Zürich, am Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Kardiologie (SSC/SSCS) in St. Gallen auf.
Patienten mit Typ-2-Diabetes haben meist multiple Risikofaktoren für atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD) wie beispielsweise Dyslipidämie und Hypertonie. Besteht die Diabeteserkrankung weniger als 10 Jahre und ist sie gut kontrolliert, sind weder Anzeichen von Organschäden (Mikroalbuminurie, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate [eGFR] ≤ 60 ml/min, Retino- oder Neuropathie, linksventrikuläre Hypertrophie) vorhanden noch zusätzliche Risikofaktoren für ASCVD, ist das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis gemäss der Guideline 2021 der European Society of Cardiology (ESC) zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (1) moderat. Für alle anderen ist das Risiko hoch bis sehr hoch (1). Bei einer kardiopräventiven Therapie sollte in der Regel ein Blutdruck von 130 mmHg, ein HbA1c von < 7 Prozent und ein LDL-C-Wert von < 1,4 mmol/l angestrebt werden, wie die ESC-Guidelines 2019 zu Diabetes empfehlen (2). Was ist demnach bei einem Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes konkret zu tun? Angina pectoris plus Diabetes Bei einem 57-jährigen Patienten wird eine instabile Angina pectoris diagnostiziert, die im Katheterlabor behoben wird. 8 Monate zuvor wurde ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert, seither wird er mit Metformin 500 mg/Tag behandelt. Sein HbA1c-Wert beträgt aktuell 6,7 Prozent, der BMI liegt bei 28,2 kg/m2, und die eGFR liegt bei 72 ml/min/1,73 m2. Seine übrige kardiopräventive Medikation besteht klassischerweise aus Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel, einem Statin und einem ACE-Hemmer. Kriterien für die Wahl von SGLT2-Hemmern oder GLP-1-RA in der Kardioprävention bei Patienten mit Typ-2-Diabetes Nieren- bzw. Herzfunktion eGFR > 60 ml/min/1,73 m2 eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 plus Albuminurie Herzinsuffizienz Substanzklasse GLP-1-RA oder SGLT2-Hemmer GLP-1-RA oder SGLT2-Hemmer SGLT2-Hemmer SGLT2-Hemmer Quelle: M. Herrmann, SGK 2022 und (3) Gemäss den ESC-Guidelines für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2021) (1) besteht der 2. Schritt nach der Blutdruck- und der Lipidsenkung sowie der antithrombotischen Behandlung aus der Zugabe eines SGLT2-Hemmers oder eines GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) (1). Zur Wahl für das eine oder das andere Antidiabetikum schlägt die American Diabetes Association (ADA) in ihren Standards of Medical Care in Diabetes 2022 vor, die Entscheidung anhand der vorhandenen Gegebenheiten zu fällen: Bei einer zusätzlich vorliegenden Herzinsuffizienz ist ein SGLT2-Hemmer zu bevorzugen, bei einer chronischen Nierenerkrankung mit Albuminurie ebenfalls. Ohne Albuminurie und wenn SGLT2-Hemmer nicht vertragen werden, kann auch ein GLP-1-Rezeptor-Agonist verwendet werden (3) (Tabelle). Für den Patienten im Fallbeispiel eignen sich bei einer eGFR von 72 ml/min/1,73 m2 demnach beide Substanzklassen. Aufgrund seines Übergewichts wäre jedoch der Einsatz eines GLP-1-RA mit seinen gewichtsreduzierenden Eigenschaften zu erwägen. Absetzen oder fortfahren? Wenn ein Patient die Therapie mit einem SGLT2-Hemmer nicht verträgt, sollte laut Herrmann abgeklärt werden, was das Problem ist. Als häufige Nebenwirkungen von SGLT2-Hemmern können Genitalmykosen auftreten, die aber gut zu behandeln sind. Die Patienten können dahinge- hend instruiert werden. Damit eröffne sich für die Patienten die Chance, weiterhin vom grossen kardioprotektiven Nut- zen dieser Substanzklasse zu profitieren, so Herrmann. Denn gemäss einer Metaanalyse von 6 randomisierten, kontrollier- ten Outcome-Studien mit SGLT2-Hemmern zeigte diese Substanzklasse eine signifikante Reduktion von schweren kardiovaskulären Ereignissen (vor allem herzinsuffizienz- bedingte Hospitalisierungen und nierenbedingte Ereignisse). Vor Hirnschlag schützten SGLT2-Hemmer dagegen nicht (4), dafür eigneten sich GLP-1-RA laut einer weiteren Meta- analyse mit einer 17-prozentigen Risikoreduktion besser (5), so Herrmann abschliessend. s Valérie Herzog Quelle: «Management of patients with CVD and Diabetes». SSC/SSCS Annual Meeting, 15. bis 16. Juni 2022 in St. Gallen. 18 CongressSelection Kardiologie | August 2022 Referenzen: 1. Visseren FLJ et al.: 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease preven- tion in clinical practice. Eur Heart J. 2021;42(34):3227-3337. 2. Cosentino F et al.: 2019 ESC Guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD: The Task Force for diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Eur Heart J. 2019;41(2):255-323. 3. American Diabetes Association: Standards of Medical Care in Diabetes 2022. Abridged for Primary Care Providers. Clin Diabetes. 2022;40(1):1038. 4. McGuire DK et al.: Association of SGLT2 inhibitors with cardiovascular and kidney outcomes in patients with type 2 diabetes: a meta-analysis. JAMA Cardiol. 2021;6(2):148-158. 5. Sattar N et al.: Cardiovascular, mortality, and kidney outcomes with GLP-1 receptor agonists in patients with type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis of randomised trials. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021;9(10):653-662. SSC/SSCS CongressSelection Kardiologie | August 2022 19