Transkript
Update COPD-Therapie
Was der Hausarzt wissen muss
Die Behandlung der COPD orientiert sich an den Symptomen und deren Schwere. Wie diese aussieht, wann ein Einsatz von inhalativen Steroiden angezeigt ist und was bei Exazerbationen zu tun ist, erklärte Prof. Malcolm Kohler, Direktor der Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich, am FOMF Pneumologie in Zürich.
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) rangiert weltweit an 4. Stelle der Todesursachen (1, 2). Jährlich sterben daran mehr als 3 Millionen Menschen, was 6 Prozent aller Todesfälle entspricht. In der Schweiz sind gemäss der Statistik der Todesursachen 2016 mehr als 1900 Personen an COPD verstorben. Die Prävalenz wird laut Kohler weiter zunehmen, denn die COPD ist weder heilbar noch gehen die häufigsten Risikofaktoren zurück. Ein postbronchodilatatorisch gemessenes Verhältnis des forcierten exspiratorischen Lungenvolumens und der forcierten Vitalkapazität FEV1/FVC < 0,7 bestätigt die Diagnose. Die Schwere beziehungsweise das Exazerbationsrisiko wird anhand der mMRC-Dyspnoe-Skala (0–4), des COPD-Assessment-Tests (CAT) (0–40 Punkte) und der bisherigen jährlichen Exazerbationsrate definiert. Anhand von Exazerbationsrate, mMRC und CAT erfolgt die Einteilung in die Kategorien A bis D, woraus sich weiter die Therapiestrategie ableitet. Bei Patienten mit COPD sei es wichtig, einen Alpha-1-Antitypsin-Mangel als Ursache mit einer Serumspiegelbestimmung auszuschliessen. Die genetisch bedingte Erkrankung führt über entzündliche Prozesse zur Lungengewebeschädigung beziehungsweise zu einem panlobulären, basal betonten Emphysem, insbesondere bei jüngeren Patienten. Bei älteren Patienten wird häufiger auch eine Emphysembeteiligung der apikalen Lungenabschnitte beobachtet.
KURZ & BÜNDIG
� COPD mit Spirometrie bestätigen, Symptomschwere erfassen.
� Die symptomatische Therapie erfolgt mit LABA/LAMA, bei häufigen Exazerbationen oder gleichzeitig asthmoider Komponente ein ICS dazugeben.
� Bei fortgeschrittener COPD an Lungenvolumenreduktion und Transplantation denken.
� Bei Exazerbation 5 Tage mit Prednison (und Antibiotika) behandeln.
Tiefe Alpha-1-Antitypsin-Konzentrationen (< 20% der Norm) liefern einen Hinweis auf einen homozygoten Mangel. Die Therapie entspricht zwar grundsätzlich jener der COPD, doch stehen auch noch spezifische Therapieoptionen zur Verfügung. Eine genetische Testung ist notwendig für die Verordnung einer Substitutionstherapie, ebenso ein Eintrag ins Schweizer Register für Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Präventionsmöglichkeiten ansprechen
Die effizienteste COPD-Prävention ist ein Rauchstopp. Auch bei Patienten mit bereits etablierter COPD kann ein Rauchstopp den Krankheitsverlauf und die Mortalität günstig beeinflussen. Deshalb empfehlen die GOLD-Guidelines, die Raucher bei jeder Konsultation kurz auf einen Rauchstopp anzusprechen, Aufhörwillige entsprechend zu unterstützen und zu begleiten (3). Des Weiteren sind bei COPD-Patienten zur Vorbeugung von schweren Krankheitsverläufen folgende Impfungen empfohlen: gegen Influenza, Pneumokokken (≥ 65 Jahre), COVID19, Pertussis sowie Herpes zoster (> 50) (3).
Therapie je nach Symptomschwere
Die Behandlung der COPD orientiert sich an den Schweregradkategorien A bis D. Patienten ohne oder mit 1 mittelschweren Exazerbation, die nicht ins Spital führte, können bei leichten Symptomen (A) mit einem Bronchodilatator, bei schwereren Symptomen mit einem lang wirksamen Antimuskarinikum oder einem lang wirksamen Betamimetikum (LAMA oder LABA) (B) behandelt werden. Erlitten die Patienten ≥ 2 mittelschwere oder 1 spitalpflichtige Exazerbation, sind bei sonst leichten Symptomen (C) LAMA zur Behandlung empfohlen, bei schweren Symptomen (D) LAMA/ LABA oder ICS (inhalative Steroide)/LABA (3). Wann genau ICS eingesetzt werden sollen, hat die European Respiratory Society 2019 definiert: Eine dringende Empfehlung wird, abgesehen von Exazerbationen, zusätzlich bei einer Eosinophilenzahl > 300/µl und gleichzeitig vorliegendem Asthma ausgesprochen. Bei Eosinophilen zwischen 100 und 300/µl kann ein ICS-Einsatz erwogen werden, bei rezidivierenden Pneumonien, bekannter Mykobakterieninfektion
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Dringend empfohlen Frühe Spitaleinweisung(en) aufgrund von COPD-Exazerbationen* ≥ 2 moderate COPDExazerbationen/Jahr* Blut-Eosinophilenzahl > 300/µl Begleitendes/anamnestisch bekanntes Asthma
Anwendung möglich 1 moderate COPD-Exazerbation pro Jahr* Blut-Eosinophilenzahl 100–300/µl
Nicht empfohlen Wiederholte Pneumonieereignisse Blut-Eosinophilenzahl < 100/µl Anamnestisch bekannte Mykobakterieninfektion
*trotz angemessener Erhaltungstherapie mit lang wirksamem Bronchodilatator Die Blut-Eosinophilenzahl ist als Kontinuum zu betrachten, die angegebenen Werte stellen ungefähre Grenzwerte dar, vermutlich schwanken die Eosinophilenzahlen.
Tabelle: Entscheidungshilfe zum ICS-Beginn (mod. nach [3])
und Eosinophilen < 100/µl sollen ICS dagegen vermieden werden (Tabelle) (3, 4). Eine ICS-Monotherapie, Theophyllin oder Antitussiva sind nicht empfohlen, ebenso wenig eine Langzeittherapie mit oralen Steroiden (3). Bei speziellen Patienten wie beispielsweise bei solchen mit einem Antitrypsinmangel soll an die Möglichkeit der Augmentationstherapie mit humanem Alpha-1-Proteinase-Inhibitor (Prolastin®, Respreeza®) gedacht werden, wofür die Patienten jedoch laut Kohler an ein Zentrum überwiesen werden müssen. Patienten mit prädominant chronischer Bronchitis können PDE-4-Hemmer und terminalen Patienten mit schwerster Dyspnoe können Opioide Linderung verschaffen.
Weitere Behandlungen
Die Patienten sollen in jedem Fall über die Erkrankung aufgeklärt, zum Selbstmanagement angeleitet und zur physischen Aktivität motiviert werden. Eine weitere Behandlungsoption ist die pulmonale Rehabilitation. Diese umfasst beispielsweise ein spezielles körperliches Training, das die Atemmuskulatur stärkt, Physio- oder Ergotherapie, Ernährungsberatung, Rauchentwöhnung und psychosoziale Unterstützung. Ziel dabei ist es, die körperliche Leistungsfähigkeit beziehungsweise die Arbeitskapazität sowie die Lebensqualität zu verbessern und Exazerbationen zu verringern. Bei Patienten mit einer peripheren Sauerstoffsättigung (SaO2) < 88 Prozent ist eine Dauersauerstofftherapie indiziert, ebenso bei Patienten mit SaO2 von 88 bis 90 Prozent bei Zeichen für eine Rechtsherzinsuffizienz oder Erythrozytose. Die Dauersauerstofftherapie sollte so titriert werden, dass die Sättigung bei > 90 Prozent liegt. Brauche es die Therapie länger als 3 Monate, müsse sie von einem Pneumologen verordnet werden, so Kohler. Bei Patienten mit Lungenemphysem und funktioneller Überblähung besteht die Möglichkeit für eine endoskopische oder chirurgische Lungen-Volumen-Reduktion. Sind sehr grosse Emphysembullae vorhanden, sollte eine Resektion evaluiert werden. Sind die Patienten mit fortgeschrittener COPD < 65 Jahre und austherapiert, sollte eine Lungentransplantation evaluiert werden.
Was bei Exazerbationen zu tun ist
Bei COPD-Attacken kann die Gabe von systemischen Kortikosteroiden eine Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1) und der Oxygenierung bewirken und die Spitalaufenthalts-
dauer verkürzen. Allerdings sollte die Gabe von systemischen Kortikosteroiden auf 5 bis 7 Tage beschränkt sein. Die gleiche Beschränkung gilt für Antibiotika, die bei entsprechender Indikation die Erholungszeit sowie die Spitalaufenthaltsdauer verkürzen können. Methylxanthine wie Theophyllin sind wegen ihres Nebenwirkungsprofils dagegen nicht empfohlen. Bei Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz ist eine nicht invasive, mechanische Ventilation angezeigt. Diese verbessert den Gasaustausch und verringert die Atemarbeit und damit die Häufigkeit von Intubationen, die Anzahl Spitaltage und die Mortalität. Ist eine Exazerbation überstanden, empfiehlt es sich, Massnahmen zur Vermeidung weiterer Exazerbationen einzuleiten. Dazu gehören Patientenschulung, Rauchstopp, Lungenrehabilitation sowie eine Anpassung der Inhalationstherapie.
COVID-19 bei COPD-Patienten
Welches Risiko besteht für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren? Patienten ohne vorbestehende Lungenerkrankung haben nach einer Inkubationszeit von 5 bis 6 Tagen in den meisten Fällen einen asymptomatischen bis milden Verlauf. Die Symptome können sich aber nach 1 Woche verschlechtern. Zeichen dafür sind Kurzatmigkeit, Tachypnoe oder ein Abfall der SaO2 < 94 Prozent (5). Jedoch erhöht das gleichzeitige Vorhandensein von mindestens 1 chronischen Erkrankung, das heisst beispielsweise COPD plus Herzinfarkt, Adipositas oder Diabetes, das Risiko für einen schweren Verlauf signifikant, ebenso ein Lebensalter von > 50 Jahre (5). Infiziert sich ein COPD-Patient mit SARS-CoV-2, soll die COPD-Standardtherapie fortgesetzt werden, ebenso die Massnahmen gegen Exazerbationen. Physische Aktivitäten sollen weiterhin, aber mit geringerer Intensität ausgeübt werden. Bei Auftreten von Dyspnoe und Infiltraten kommen Sauerstoff, systemische Steroide, Remdesivir wie auch Antikoagulanzien zum Einsatz. Entwickelt der Patient ein ARDS (acute respiratory distress syndrome), sind Beatmung, Bauchlage und Antikoagulation die geeigneten Mittel (3). s
Valérie Herzog
Quelle: «COPD». FOMF Pneumologie Update Refresher, 7. Mai 2022, Zürich.
Referenzen auf www.rosenfluh.ch/congressselection abrufbar.
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Referenzen: 1. Lozano R et al.: Global and regional mortality from 235 causes of
death for 20 age groups in 1990 and 2010: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. Lancet. 2012;380(9859):2095-2128. 2. Mathers CD et al.: Projections of global mortality and burden of disease from 2002 to 2030. PLoS Med. 2006;3(11):e442. 3. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: 2022 Report. www.goldcopd.org. Letzter Abruf: 16.5.22. 4. Agusti A et al.: Inhaled corticosteroids in COPD: friend or foe? Eur Respir J. 2018; 52(6):1801219. 5. Lommatzsch M et al.: Risk Assessment for Patients with Chronic Respiratory Conditions in the Context of the SARS-CoV-2 Pandemic Statement of the German Respiratory Society with the Support of the German Association of Chest Physicians. Respiration. 2022;101(3):307-320.
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