Transkript
AIU 2022
Pathophysiologie der Allergie
Mikrobiom – Schlüssel zum gesunden Immunsystem
Die Gesamtheit aller Mikroben im Körper – das Mikrobiom – hat wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem. Wie sich eine gute Abwehrfunktion entwickelt, wird mehr und mehr erforscht. Ein Faktor: die Diversität der Keime. Je verschiedener die Bakterien, desto besser das Immunsystem. Fehlen diese Reize, kommt es zu Fehlentwicklungen wie Allergien. Das belegen Untersuchungen an Babys während des Lockdowns.
In und auf uns lebt ein ganzer Kosmos von Mikroben: 1014 Bakterien mit 150 bis 200 Spezies pro Person machen bis zu zwei Kilogramm unseres Körpergewichts aus. Und wir brauchen sie – zum Beispiel, um den Säureschutzmantel unserer Haut aufrechtzuerhalten, aber vor allem zur Verdauung: Nur mit den Darmbakterien bzw. ihren Enzymen können wir einen Grossteil unserer Nahrung verstoffwechseln. Ausser diesen metabolischen Funktionen prägen die Keime im Magen-Darm-Trakt das Immunsystem – genauer gesagt die Toleranz, also die Unterscheidung zwischen «fremd» und «eigen».
Immunsystem und Darmmikrobiom
Was bisher zum Zusammenhang zwischen Immunsystem und Darmmikrobiom bekannt ist, erläuterte Prof. Liam O’Mahony von der University of Ireland in Cork. Wir nehmen mit den verschiedenen Nahrungsmitteln auch viele unterschiedliche Bakterien auf. Und mit jedem Mix an Nahrungsmitteln entwickeln wir in den ersten Lebensjahren eine Toleranz zu dem jeweiligen Antigentyp an Nahrung. Je breiter das Nahrungsmittelangebot in dieser Prägungsphase ist, desto grösser die Toleranz. Während das menschliche Genom konstant bleibt, können Bakterien ihre Gene verändern und sich so den enzymatischen Anforderungen ihres Wirts anpassen. Und je grösser die Bakterienvielfalt, desto grösser der Puffer, wenn beispielsweise ein Teil der Bakterien ausfällt. Wie O’Mahony weiter erläuterte, setzt die Entwicklung des Mikrobioms mit der Geburt ein und dauert zwei bis drei Jahre. Sie hängt von vielen Faktoren ab: Schon bei der Geburt per Via naturalis sammelt das Neugeborene Bakterien. Weiter geht es mit der Ernährung: Brustfütterung und später die Art sowie die Zubereitung und die Fütterungsmethode der Nahrungsmittel sorgen für mehr oder weniger Aufnahme von Bakterienspezies. Weitere Einflüsse sind beispielsweise der Gesundheitszustand der Mutter oder Arzneimittel, die in der Pränatalphase bzw. in der frühen Kindheit aufgenommen werden. Aber auch über das soziale Umfeld inkorporieren die Babys weitere Bakterien: Kontakt mit Geschwistern, viele Freunde und Verwandte usw. Die Wohnverhältnisse, Toxinexposition (Rauchen!) und Haustiere beeinflussen das Mikrobiom ebenfalls. Im Prinzip gilt hier: je mehr und je ver-
schiedener die Keime, desto besser. All diese Faktoren bringen Keime mit sich, die letztlich zu einem Mikrobiom mit einer weiten Diversität führen. Ist die Exposition in der frühen Kindheit mit diesen Reizen und somit das Spektrum der Darmbakterien gering, erholt sich das Mikrobiom beispielsweise nach einer Antibiotikatherapie deutlich langsamer als bei einem sehr diversen Mikrobiom durch viele Bakterieneinträge im Babyalter. Was aber, wenn nur wenige Keime aufgenommen werden? Das habe offenbar Folgen bei der Toleranzentwicklung, so O‘Mahony. Das heisst, für die meisten Menschen harmlose Fremdproteine wie Pollen werden vom Immunsystem nicht als solche erkannt und stattdessen bekämpft. Das könnte der Grund sein, warum die Zahl der allergischen Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Vergleichsstudien mit Kindern, die entweder in der Stadt oder in einem ländlichen Umfeld aufwachsen, also einen stärkeren Keimkontakt haben, belegen einen niedrigere Allergierate für die Landkinder.
Allergieentwicklung und Darmmikrobiom
Mittlerweile gibt es Hinweise, dass die Allergieentwicklung mit dem Darmmikrobiom zusammenhängen könnte. Naheliegend ist, das zunächst bei Nahrungsmittelallergien zu untersuchen. Um besser zu verstehen, wie kommensale Bakterien die Nahrungsmittelallergie beim Menschen regulieren, wurden keimfreie Mäuse mit dem Kot von gesunden oder auf Kuhmilch allergischen (CMA) Säuglingen besiedelt. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass keimfreie Mäuse, die mit Bakterien von gesunden, aber nicht von CMA-Kindern besiedelt waren, vor anaphylaktischen Reaktionen auf ein Kuhmilchallergen geschützt waren (1). Doch nicht nur die Tiermodelle, sondern auch klinische Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Mikrobiom und dem Risiko für Asthma und Atopie: Bei Säuglingen wurde der Stuhl auf die Zusammensetzung des Mikrobioms untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass ein bestimmtes Keimmuster (vergleichsweise wenig Bakterienspezies, aber viele Pilze) mit einem erhöhten Risiko für eine atopische Dermatitis im zweiten Lebensjahr und für Asthma im vierten Lebensjahr assoziiert ist (2).
24 CongressSelection Pneumologie Allergologie | August 2022
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
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Einer der Einflüsse des Mikrobioms auf das Immunsystem
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SZD 1/2022 CongressSelection Pneumologie Allergologie | August 2022
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